Montag, 13. Mai 2024

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Europäische Verteidigungspolitik
Mit Sicherheit bei den EU-Bürgern punkten

Deutschland und Frankreich wollen die militärische Rolle der EU stärken und haben ein gemeinsames Konzept für eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik vorgelegt. Brüssel-Korrespondentin Annette Riedel erklärt, warum sie gute Chancen für die Umsetzung der Pläne sieht.

Annette Riedel im Gespräch mit Katrin Michaelsen | 13.09.2016
    Ein Soldat des Wachbataillons der Bundeswehr vor der Europafahne
    Ein Soldat des Wachbataillons der Bundeswehr vor der Europafahne (Imago/ Seeliger)
    Welche sind die wichtigsten Punkte des deutsch-französischen Konzepts?
    Es findet sich einiges, was seit Monaten, wenn nicht gar Jahren diskutiert wird. Ich nenne mal ein paar Beispiele: Es geht um gemeinsame Führungsstrukturen, das kann gehen bis zu einem Europäischen Hauptquartier. Es geht um gemeinsame Beschaffung von Ausrüstung. Es geht um eine Vereinheitlichung von Verfahrensregeln für den Einsatz. Das sind Dinge, die wirklich seit Wochen, Monaten und Jahren zirkulieren, allerdings, wenn das jetzt von einer deutsch-französischen Initiative noch einmal betont wird, dann gibt das dem mehr politischen Schub.
    Und es stehen auch Dinge drin, die sind noch nicht ganz so oft besprochen worden, teilweise neu. Zum Beispiel, dass es eine gemeinsame Nutzung von Satellitenkapazitäten geben könnte, auch zu Zwecken der militärischen Aufklärung. Oder dass es ein gemeinsames Europäisches Lufttransportkommando geben könnte, oder ein gemeinsames Medizincorps, ist auch so ein Vorschlag, und auch eine gemeinsame Offiziersausbildung. Also man merkt schon, das geht sehr sehr stark in eine Koordinierung von gemeinsamen Kapazitäten, Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten.
    Was wird aus diesem deutsch-französischen Plan?
    Ich glaube, dass das im Moment so was ist wie ein Fenster der Gelegenheit für diejenigen, die solche Vorstellungen vertreten. Übrigens auch die EU-Außenbeauftragte. Gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheits-Zusammenarbeit ist auch ein Teil ihrer globalen Agenda, die sie seit einigen Monaten vorantreibt und auch einige Zustimmung schon in den EU-Ländern gefunden hat. Das passt zu dem, was Deutschland und Frankreich jetzt vorgestellt haben und es passt auch zu Überlegungen, die man sich machen muss, wie eine EU aussehen wird nach den Briten oder ohne die Briten, wenn sie ausgetreten sein werden. Da gibt es zum einen mehr Möglichkeiten, weil die Briten gerade so bei verteidigungspolitischen Geschichten auch oft gebremst haben.
    Andererseits gibt es aber einfach auch den Zwang, etwas Neues zu finden, was zusammenbindet. Und was auch den Bürgern etwas verspricht, was sie dann vielleicht mehrheitlich wieder mehr der EU geneigter macht. Und Sicherheit, die Angst vor Terror beispielsweise, ist ein ganz großes Thema für die europäischen Bürger. Und vor diesem Hintergrund, wenn man auch weiß, dass der Europäische Rat mit Herrn Tusk an der Spitze, die Europäische Kommission mit Herrn Juncker an der Spitze auch alle dieses Sicherheitsthema sehen, denke ich, wird zumindest einiges davon verwirklicht werden.
    Läuft das auch auf eine gemeinsame EU-Armee hinaus?
    Das wurde die EU-Außenbeauftragte beim Treffen der Außenminister vor zehn Tagen in Bratislava auch gefragt. Sie hat es dann ein bisschen scherzhaft genommen und hat gesagt, ja, in hundert Jahren ist das vorstellbar. Ernsthafter gesprochen: Möglicherweise mag der eine oder andere das Ganze als Vision vor sich haben, aber es ist nicht etwas, was in dem deutsch-französischen Papier so drin steht. Es ist auch nicht etwas, was jetzt unmittelbar oder auch nur mittelfristig tatsächlich angegangen wird.
    Wie ist jetzt das weitere Verfahren?
    Deutschland und Frankreich werden diesen Anstoß weitertreiben. Sie werden ihn ihren Amtskollegen und sie werden ihn auch beim Gipfel all denjenigen, die sich damit befassen, vorlegen. Es ist natürlich immer die Möglichkeit und auch das Bestreben, dass man so etwas gemeinsam macht. Es ist aber auch Teil des Papiers schon, das Vorwegnehmen, dass möglicherweise nicht alle bei allem mitmachen wollen. Es gibt so etwas, das sich ständige strukturierte Zusammenarbeit nennt - das sehen die Europäischen Verträge vor. Und die ermöglichen durchaus, dass eine Gruppe von Ländern bei dem einen oder anderen Aspekt in diesem Bereich, auch der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, vertieft zusammenarbeitet, offen immer für alle anderen, die dann dazu stoßen wollen. Also wenn es keine Einheitlichkeit gibt, keine Einstimmigkeit gibt, dann wird man das auf diese Art der Zusammenarbeit realisieren wollen.