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Europäische Union
Deutsch-französische Strategie zur Verteidigungspolitik

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr französicher Kollege Jean-Yves Le Drian haben ein gemeinsames Papier zur EU-Verteidigungspolitik vorgelegt. Die Bedrohungen für EU-Bürger und EU-Territorium seien real, deswegen müssten die Einzelstaaten besser zusammenarbeiten, heißt es darin.

Von Kai Küstner | 13.09.2016
    Jean-Yves Le Drian und Ursula von der Leyen bei einem Treffen der Verteidigungsminister der NATO in Brüssel
    Jean-Yves Le Drian und Ursula von der Leyen bei einem Treffen der NATO. (EPA)
    Um jeden Preis muss die EU den Eindruck vermeiden, das ‚Brexit-Votum‘ der Briten würde den ganzen Kontinent lähmen. Auf der Suche nach Themen, die sich zügig vorantreiben lassen, hat die EU nun den Bereich ‚Sicherheit‘ ausfindig gemacht. Oder noch konkreter: Die gemeinsame Verteidigungs-Politik. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini befand bereits vor zehn Tagen beim Außenminister-Treffen in Bratislava:
    "Ich sehe hier ganz klar, dass die Gelegenheit politisch günstig ist. Es wurde viel geredet in den letzten Jahren und wenig geliefert. Jetzt ist es Zeit, Ernst zu machen."
    Ähnlich sieht das der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok. Der dem ARD-Hörfunk erklärte: "Jahrelang haben uns die Briten aufgehalten. Jetzt geht es endlich voran." In der Tat stand London in Sachen gemeinsame EU-Sicherheits-Politik stets auf der Bremse, weil aus Sicht der Briten dafür die NATO zuständig ist. Vor diesem Hintergrund ist das deutsch-französische Papier zu sehen, das Verteidigungs-Ministerin von der Leyen und ihr Kollege in Paris, Le Drian, nun verschickt haben.
    "Die militärischen und nicht-militärischen Bedrohungen für die EU-Bürger und das EU-Territorium sind real", heißt es wörtlich gleich im ersten Absatz des Papiers.
    Eine Forderung: EU-Militär-Hauptquartier
    Die deutsch-französische Antwort darauf lautet: Die EU-Einzelstaaten müssen in Sachen Verteidigung besser zusammenarbeiten. Zu den Forderungen gehört unter anderem ein gemeinsames, dauerhaftes EU-Militär-Hauptquartier, ein europäisches Sanitäts-Kommando oder die Nutzung europäischer Satelliten zur Aufklärung. Um nur wenige Punkte zu nennen. Der Stab der EU-Außenbeauftragten Mogherini jedenfalls begrüßte sogleich auf ARD-Nachfrage den deutsch-französischen Vorstoß. "Das stützt und verstärkt unsere Anstrengungen", so eine Sprecherin. Mogherini selbst hatte kürzlich mit Blick auf die bereits laufenden EU-Militär-Missionen im Mittelmeer, vor Somalia oder auch in Zentralafrika erklärt:
    "Wir betrieben ja bereits zahlreiche Operationen - aber wir können so viel mehr tun. Die EU hat ihren ganz eigenen Ansatz, wenn es um Sicherheit und Verteidigung geht: Er verbindet militärische und zivile Mittel. Der Ansatz ist einmalig und gerade jetzt wertvoll."
    Weder in dem 32-seitigen Strategie-Papier, das Mogherini selbst im Juni den EU-Staats- und Regierungschefs vorlegte, noch in dem Sechs-Seiten-Entwurf aus Berlin und Paris findet sich übrigens der Begriff ‚EU-Armee‘. Im Gespräch ist die allerdings seit Langem. Und gerade aus Osteuropa – aus Ungarn oder Tschechien – war zuletzt die Forderung zu hören gewesen, dass man genau so etwas nun brauche.
    "Wir sind uns alle einig dass die ‚Europäische Armee‘ etwas ist, dass nicht in naher Zukunft kommen wird", sagt die EU-Außenbeauftragte.
    Unübersehbar aber ist, dass die EU gerade den Versuch unternimmt, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik europäischer zu gestalten. "Der Brexit hat auch gute Seiten", meint der CDU-Politiker Elmar Brok, der durchaus eine Beschleunigung der Dinge auf diesem Gebiet wahrnimmt. Kritiker aber geben auch zu bedenken: Die EU handle aus der Not heraus. Die Felder Sicherheit und Verteidigung gehörten zu den wenigen, auf denen derzeit Einigkeit zu erzielen sei.