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Fahrgastverband Pro Bahn
"Wir brauchen viel zu lange, um das Schienennetz auszubauen"

Fahrzeiten zu verkürzen sei ein wichtiger Schritt, damit Passagiere vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen, sagte der Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl Peter Naumann, im Dlf. Der Ausbau des Schienennetzes müsse dafür viel schneller voran gehen.

Karl Peter Naumann im Gespräch mit Georg Ehring |
Ein ICE Zug der Deutschen Bahn fährt in den Hauptbahnhof in Köln ein.
Die Strecke von Köln nach Berlin sei in drei bis vier Stunden Fahrzeit machbar, sagte Naumann im Dlf (picture alliance/dpa/Henning Kaiser)
Über vier Stunden dauert eine Bahnfahrt von Berlin nach Köln, mit dem Flugzeug ist man nur knapp über eine Stunde unterwegs. Aber mit dem Flugzeug ist der CO2-Ausstoß ungefährt sechs mal so groß.
Unter Berücksichtigung des Klimas wäre es also sinnvoll, Inlandsflüge durch Bahnfahrten zu ersetzen. Wie das gelingen könnte, darüber haben wir mit Karl Peter Naumann gesprochen. Er war lange Zeit Chef des Fahrgastverbandes Pro Bahn und ist dort jetzt Ehrenvorsitzender.
Georg Ehring: Herr Naumann, zwischen Köln und Berlin fährt der ICE ja schon ziemlich schnell. Lassen sich die Fahrzeiten bei solchen Strecken noch durch mehr Tempo verkürzen?
Karl Peter Naumann: Dazu muss man die Strecken zum Teil ausbauen. Das ist ja auch im Deutschlandtakt vorgesehen. Gerade zwischen Köln und Berlin lässt sich mit Hilfe von Ausbau noch einiges erreichen, so dass man vielleicht dann doch auf eine Reisezeit irgendwo zwischen drei und vier Stunden kommt.
Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, sitzt im ICE.
Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn (picture alliance/dpa/Jörg Carstensen)
Ehring: Solche Beschleunigungen, welchen Effekt haben die? Sorgen die dafür, dass tatsächlich die Bahn schneller wird?
Naumann: Wenn sie schneller werden, dann ziehen sie auch mehr Fahrgäste an. Das hat man hier sehr deutlich gesehen mit der Schnellfahrstrecke zwischen Berlin und München und vor allen Dingen dort mit den Sprinterzügen. Das hat eine erhebliche Zunahme gebracht bei der Zahl der Fahrgäste.
Naumann: Nachholbedarf im Osten
Ehring: Nervenaufreibend ist aber oft der Transport zum Hauptbahnhof, von dem es dann richtig losgeht. Welche Handlungsmöglichkeiten sehen Sie da denn? Regionalzüge zum Beispiel, die mich dann zum Knotenpunkt transportieren?
Naumann: Hier ist schon einiges passiert, aber hier ist es die Verantwortung der Länder, dafür zu sorgen, dass es einen guten Service gibt. Einige Bundesländer machen das, haben die Taktung halbiert. In Schleswig-Holstein beispielsweise fahren auf den großen Hauptachsen die Regionalzüge alle halbe Stunde. Und dann ist es praktisch egal, wann man ankommt oder wann der Zug weiterfährt. Man kommt immer gut und rechtzeitig zu seinem Hauptbahnhof, wo dann der große Fernzug losgeht.
Ehring: Sie haben Schleswig-Holstein als Vorbild genannt. Wer hat denn besonderen Handlungsbedarf?
Naumann: Gerade im Osten der Republik haben wir zum Teil nur Angebote, die alle zwei Stunden fahren. Das ist sicherlich nicht ausreichend, um Reisende auf die Schiene zu bringen, die dann auch wirklich zum Flughafen kommen. Und dann brauche ich natürlich auch eine gute Anbindung des Flughafens, wie wir jetzt gerade an Berlin sehen. Nach Tegel kam man nur mit dem Bus. Heute können Sie zum BER mit der S-Bahn, mit den Regionalzügen und auch zumindest mit einer Intercity-Linie fahren.
(191211) -- BRUSSELS, Dec. 11, 2019 () -- European Commission President Ursula von der Leyen delivers a press statement on the European Green Deal at the EU headquarters in Brussels, Belgium, Dec. 11, 2019. (/Zheng Huansong) |
"Green Deal" - Europas Kampf gegen den Klimawandel
Für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist die Begrenzung der Erderwärmung eines der Top-Themen ihrer Amtszeit. Ihr sogenannter Green Deal soll dazu beitragen, dass Europa im Jahr 2050 erster klimaneutraler Kontinent wird.
Ehring: Was hält Reisende denn ganz allgemein vom Umstieg auf die Bahn ab, so dass sie dann doch lieber ins Flugzeug steigen?
Naumann: Das sind zwei Dinge. Das ist einmal die Reisezeit, die gefühlte, die man beim Flugzeug immer sehr viel kürzer ansetzt, als sie in Wirklichkeit ist, weil man die ganzen Todzeiten nicht mitrechnet. Gerade wer geschäftlich unterwegs ist, wer unterwegs etwas tun will, der ist in der Bahn immer besser aufgehoben, weil er einmal einsteigt und dann drei bis vier Stunden in der Bahn ist und während der Zeit auch in Ruhe arbeiten oder auch schlafen kann. Beim Flugzeug fahren Sie zum Flughafen, dann müssen Sie da warten, Sie müssen beim Aussteigen auf Ihr Gepäck warten und so weiter. Das sind alles Wartezeiten, die eigentlich nerven, aber die trotzdem die Leute, weil das Flugzeug ein tolles Image hat, dann immer wieder gerne in Kauf nehmen. Das ist sicherlich auch eine Frage des Image und je mehr Umwelt, je mehr die Ökologie Image-Träger wird, umso eher kommt man auch dazu, Bahn zu fahren.
Ehring: Nun wird ja im Bundesverkehrswegeplan relativ viel für die Straße zum Beispiel getan, aber auch für die Bahn wird investiert. Wie bewerten Sie denn die Verhältnisse dazu?
Naumann: Wir sehen seit Jahren, dass immer mehr in die Straße investiert wird als in die Schiene. Jetzt langsam mit dem Thema Deutschlandtakt scheint es sich etwas zu bewegen. Aber wir brauchen viel, viel zu lange, um das Schienennetz auszubauen. Der Ausbau zwischen Berlin und München, der noch nicht mal ganz fertig ist, beschlossen Anfang der 90er-Jahre, vollendet vor drei Jahren, das sind viel zu lange Planungs- und Bauzeiten, um wirklich in der Schiene was zu tun und was zu erreichen, damit man auch schneller zum Ziel kommt.
"Nachtzüge sind für die Langdistanzen hervorragend geeignet"
Ehring: Wie wichtig wäre denn ein besseres Netz von Nachtzügen?
Naumann: Die Nachtzüge sind für die Langdistanzen sicherlich hervorragend geeignet. Ich selbst bin beruflich häufig zwischen Hamburg und München mit dem Nachtzug gefahren. Ich musste dort am Morgen immer zu einer Sitzung sein. Mit dem Nachtzug war ich ausgeruht, ausgeschlafen, frisch geduscht, gut gefrühstückt um acht Uhr in der Firma. Wenn die Sitzung um 9:30 Uhr begann hatte ich genügend Zeit, noch vieles vorzubereiten. Die Alternative wäre gewesen, morgens um vier aufzustehen, um zu fliegen, und dann wäre ich zweifelsfrei nicht so erholt in der Sitzung gewesen.
Ehring: Im Mittelpunkt des Gipfels bei Verkehrsminister Scheuer stehen ja heute die Regionalflughäfen. Brauchen wir da auch bessere Zubringer zu den großen Flughäfen als Alternative?
Naumann: Ich glaube, das ist eine gute Sache, wenn wir auf den einen oder anderen Regionalflughafen verzichten und lieber gute Verbindungen zu den anderen Flughäfen schaffen. Einmal ist das Angebot dort natürlich sehr viel besser und die Frage ist, was nützt es mir, wenn ich dreimal am Tag vom Regionalflughafen X zwar fliegen kann und dann auch nur in zwei verschiedene Destinationen, oder ist es nicht viel sinnvoller und viel besser, wenn ich im Halbstundentakt den großen Flughafen Düsseldorf, Berlin, Hamburg, Hannover, München erreiche, wo dann doch sehr viel häufiger und zu sehr viel mehr Zielen die Flugzeuge abfliegen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.