Archiv

Filme über Ostdeutschland
Was geblieben ist

Diesen Monat gibt es vier Filme, die sich mit den neuen Bundesländern und dem Erbe der DDR beschäftigen. Dabei wird schonungslos mit den Klischees über Ost wie West aufgeräumt.

Von Josef Schnelle |
    Der Osten macht Fortschritte - doch viele Probleme sind noch ungelöst
    Der Aufschwung Ost hat nicht überall gefruchtet. Vier Filme zeigen, wie es in den neuen Bundesländern aussieht. (dpa / picture-alliance / Jens Wolf)
    "Wir haben Euch was mitgebracht. Wir haben Euch was mitgebracht: Hass, Hass, Hass."
    "Der Tropfen" von Matthias Kubusch und Robert von Wroblewski
    ist ein Produkt des Crowdfunding. Viele kleine Beiträge und jede Menge Honorarverzicht kamen zusammen, um dieses "No-Budget"-Projekt realisieren zu können. Schroff und direkt erzählt der Film die Geschichte eines Verlierers der Wende, der aus lauter Frust eine Bombe baut. Ein kleiner schmutziger Film, wie man das in den 70ern so nannte. Und eine späte Abrechnung mit den Profiteuren der Wiedervereinigung. Auf dem Weg nach Berlin mit der Bombe in der Mopedtasche begegnet Rainer allerlei Bekannten, aber er verliebt sich auch, was der Geschichte einen sanften Zug verleiht. Erst 25 Jahre nach der Wende gibt es in diesem Monat alleine vier Filme, die sich mit dem Erbe der DDR aus Sicht des Ostens Deutschlands beschäftigen. Ist vielleicht noch gar nicht zusammen gewachsen, was vielleicht gar nicht so sehr zusammen gehört? Mit dokumentarischen Mitteln geht Roland Blum dieser Frage in seinem Film "Mitgift" nach, wobei der Begriff in all seine Elemente zerlegt wird. Was war die Mitgift, die die DDR in das neue größere Deutschland einbrachte? Und was ist mit dem Gift, das in dem kaum umweltbewussten anderen Deutschland lagert? Eine Langzeitbeobachtung, die das Positive nicht auslässt. Dabei ein Dokumentarfilm der alten Schule, solide und konventionell. Was hat die Mitgift des Ehepartners der Wiedervereinigung letztlich gebracht?
    "Sie haben die DDR verlassen, warum?" - Ach, das sind ganz persönliche Gründe: Ortswechsel, Erinnerungen los werden." - "Ortswechsel? Keine politischen Gründe?" – "Nein, ich will neu anfangen."
    Christian Schwochow - auf Rügen geboren und dann in Hannover aufgewachsen - hat sich in seinem vierten Spielfilm den Übergang vom einen ins andere System als Thema vorgenommen. Er folgt dabei dem Roman "Lagerfeuer" von Julia Franck, die einst selbst in einem Lager in Berlin-Marienfelde als Kind genau das erlebt hat. Hauptfigur Nelly im Film ist eine promovierte Chemikerin, die eben keine Dissidentin ist, aber nach dem Tod ihres Mannes mit ihrem kleinen Sohn nach einer abenteuerlichen Flucht ein neues Leben beginnen will. Doch die Durchsuchungen, die sie über sich ergehen lassen muss, und die peinlichen Befragungen durch den US-Geheimdienst, erinnern sie allzu sehr an die heimische Stasi. Im Transitraum zum goldenen Westen beschleichen sie Zweifel. Ein sehr differenzierter und einfühlsamer Film, der der Legende vom besseren Leben im Westen einige Schrammen verpasst. Am weitesten in seiner Kritik auf unseren Blick auf den wilden Osten geht jedoch ein ungewöhnlicher essayistischer Dokumentarfilm. In "Deutschboden" folgt André Schäfer der als Romanreportage veröffentlichten teilnehmenden Beobachtung von Moritz von Uslar in einer brandenburgischen Kleinstadt.
    "Die Monate Mai, Juni und Juli des vergangenen Jahres hab ich als Reporter in einer Kleinstadt in Brandenburg verbracht. Es war nicht alles einfach. Aber es sollte ja auch nicht alles einfach sein. Die Menschen, die mir bei meinen Recherchen begegnet sind, hab ich als gute Menschen kennengelernt. So merkwürdig das klingen mag: Ich bin als Fremder gekommen und als Einheimischer gegangen."
    Die Stimme von Moritz von Uslar, der als Reporter das wahre Leben der Harz-IV-Empfänger in einer zerschlissenen Siedlung verfolgt, begleitet uns durch diese oft sehr poetische Dokumentation. Von Uslar hat das Vertrauen der Bewohner dieses vergessenen Niemandslands gewonnen, und er nutzt diesen Bonus für einen feuilletonistischen Film im besten Sinne. Auf einmal ist die Fremde des wilden Ostens gar nicht mehr so fremd. Vielleicht ist ja doch nicht alles verloren mit der zunächst missglückten Wiedervereinigung? Fast eine ethnologische Studie, aber eine sehr kurzweilige und versöhnliche.