Archiv

Flüchtlingsheim in Tröglitz
Hunderte demonstrieren nach Brand

Nach dem Brandanschlag auf ein geplantes Asylbewerberheim in Tröglitz in Sachsen-Anhalt haben rund 350 Menschen gegen Fremdenfeindlichkeit demonstriert. Die Staatsanwaltschaft hatte mitgeteilt, dass es sich "definitiv" um "besonders schwere Brandstiftung" handelt.

    Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff spricht in Tröglitz auf einer Kundgebung mit dem Motto "Miteinander, Füreinander".
    Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff spricht in Tröglitz auf einer Kundgebung mit dem Motto "Miteinander, Füreinander". (Hendrik Schmidt, dpa picture-alliance)
    An der Kundgebung beteiligten sich nach Angaben des Mitteldeutschen Rundfunks rund 350 Bürger. Auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, und Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) nahmen teil. Haseloff sagte, es gehe darum, bürgerschaftliches Engagement zu zeigen.
    Ermittler gehen von Brandstiftung aus
    Die zuständige Staatsanwaltschaft Halle spricht von einer "gemeingefährlichen Straftat schlimmster Art". Staatsanwalt Jörg Wilkmann betonte, eine politisch motivierte Tat könne nicht ausgeschlossen werden. Nach bisherigem Erkenntnisstand drangen demnach ein oder mehrere Täter in das Mehrfamilienhaus ein und legten das Feuer, vermutlich mit einem Brandbeschleuniger. Eigentlich sollten im Mai 40 Asylbewerber in das Gebäude einziehen. Schon vorher hatte die Polizei mitgeteilt, dass der entstandene Schaden Schätzungen zufolge im sechsstelligen Bereich liegt.
    Er sei tief betroffen und wütend, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff in Halle. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nannte den Anschlag eine "abscheuliche Tat", die unverzüglich aufgeklärt werden müsse. SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach von einer monatelangen Stimmungsmache gegen Flüchtlinge. Die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, forderte Bund und Länder auf, mehr für die Sicherheit von Flüchtlingen zu tun.
    Tröglitz hat 2.700 Einwohner, liegt in Sachsen-Anhalt und gelangte in die Schlagzeilen, weil Bürgermeister Markus Nierth wegen rechtsextremer Anfeindungen seinen Rücktritt erklärt hatte. Das löste eine Debatte in ganz Deutschland darüber aus, ob und wie gut auch Lokalpolitiker geschützt werden können - und sollten. In Tröglitz hatte es mehrfach rechtsgerichtete Demonstrationen gegen die geplante Unterbringung von 40 Flüchtlingen gegeben, organisiert von der NPD.
    Ex-Bürgermeister im DLF: "Ganz übles Zeichen" nach außen
    Markus Nierth zeigte sich heute im Deutschlandfunk "fassungslos, traurig und wütend" und erklärte, die Brandstiftung sei eine "Schande" für Tröglitz und ein "ganz übles Zeichen" nach außen. Nierth geht nach eigenen Worten "selbstverständlich" davon aus, dass Rechtsextreme hinter der Tat stecken. Um ein Zeichen zu setzen, hatte der Ex-Bürgermeister zu der Kundgebung gegen Rechtsextremismus in Tröglitz aufgerufen.
    Vergangene Woche hatte in Tröglitz eine Bürgerversammlung stattgefunden, zu der 500 Menschen kamen. Dabei informierte Landrat Götz Ulrich über die Unterbringung der Flüchtlinge - und es gab, wie unser Reporter Christoph Richter berichtete, auch halbwegs versöhnliche Töne: "Die Einwohnerversammlung endet nach etwa zwei Stunden mit einer Tröglitzer Erklärung. Unterzeichnet haben mittlerweile mehr als 100 Personen. Überschrieben ist sie mit den Worten 'Miteinander füreinander'. Und wirbt für ein weltoffenes Tröglitz, in der Flüchtlinge willkommen sind."
    (jcs/nza/ach)