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Flugverbot in Israel
"Es handelt sich um ein weltweites Problem"

Die Einstellung von Flugverbindungen nach Tel Aviv ist umstritten. Für den Leiter der der Konrad-Adenauer-Stiftung Jerusalem betrifft die Debatte nicht nur Israel: Terrorgruppen weltweit könnten dem Beispiel der Hamas folgen, sagte er im DLF.

Michael Mertes im Gespräch mit Bettina Klein |
    Ein Flugzeug der Fluglinie Romania hebt vor Gebäuden des Flughafens Ben Gurion in Tel Aviv ab.
    Die USA haben das Landeverbot für den Flughafen in Tel Aviv wieder aufgehoben. (picture alliance / dpa / Abir Sultan)
    Die Situation wäre wahrscheinlich eine völlig andere, hätte es nicht den mutmaßlichen Abschuss der Passagiermaschine über dem Osten der Ukraine gegeben, sagte Mertes im Deutschlandfunk. "Wenn die Hamas erfolgreich zeigt, dass man mit solchen Mitteln den Nerv der zivilen Luftfahrt trifft, könnten sich andere Terrorgruppen ermutigt fühlen, genau mit diesen Methoden zu arbeiten."

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Die US-Luftfahrtbehörde hat Flüge nach Tel Aviv nun wieder gestattet. US-Airlines dürfen den Flughafen Ben-Gurion wieder anfliegen. Anders die Lufthansa, die weiterhin aus Sicherheitsgründen ihre Verbindungen unterbrochen hat. In Israel wird das kritisch gesehen und auch in Deutschland gab es heute vereinzelt Kritik an der Lufthansa. Der Flughafen ist eine Art Tor zur Welt und so bekommt die Unterbrechung des Luftverkehrs nun auch noch eine politische Dimension, wie es scheint. Die Luftschläge gegen Gaza gehen derweil weiter.
    In Jerusalem begrüße ich jetzt Michael Mertes. Er leitet das dortige Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ich grüße Sie, Herr Mertes.
    Michael Mertes: Ich grüße Sie, Frau Klein.
    Klein: Wie erleben Sie im Augenblick in Jerusalem den Konflikt oder die Kampfhandlungen, muss man vielleicht sagen?
    Mertes: Hier in Jerusalem ist es sehr ruhig, fast gespenstisch ruhig. Normalerweise herrscht hier nach Sonnenuntergang reger Betrieb. Wir haben ja im Moment den Ramadan. Aber weil hier viele Palästinenser keine Permits bekommen, nach Israel hineinzukommen, fällt das in diesem Jahr völlig aus. Wir haben seit fast zwei Wochen keinen Raketenalarm mehr gehabt, so dass wir uns hier eigentlich sehr sicher fühlen.
    Klein: Es sind bisher bereits wesentlich mehr Palästinenser als Israelis umgekommen. Gibt es dafür eigentlich ein Bewusstsein in Israel?
    Israelis ist das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung bewusst
    Mertes: Ich glaube, dass es dafür ein Bewusstsein gibt. Wenn Sie sich die Zeitungen anschauen, wenn Sie ins Internet gehen und sich die Online-Ausgaben anschauen, dann wird darüber immer berichtet. Allerdings sind diese Toten nicht mit Namen verbunden. Ganz anders sieht es aus bei den israelischen Gefallenen, die immer mit Namen genannt werden. Insofern gibt es da schon einen Unterschied. Ich denke aber, aus Gesprächen weiß ich das, die ich hier mit Israelis führe, dass man sich schon darüber im Klaren ist, dass auch die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen einen sehr, sehr hohen Preis zahlen muss.
    Klein: Die derzeitige Wahrnehmung ist ja, es sieht nach keinem Ausweg aus, eine Lösung ist nicht in Sicht. Nach Ihrer Einschätzung: Wird jetzt weiter gekämpft und geschossen, bis die Strukturen der Hamas völlig zerstört sind, obwohl ja große Zweifel daran bestehen, dass das überhaupt oder zumindest auf diesem Wege möglich ist?
    Mertes: Ich will es mal so formulieren: Für Israel steht eines klar, und das hat ja eben Minister Katz auch sehr deutlich gesagt, es darf sich nicht wiederholen, dass die Hamas innerhalb von zwei, drei Jahren ein neues Raketenarsenal aufbaut und dann Israel mit neueren und zielgenaueren Raketen wieder bedroht. Es muss am Ende eine Lösung stehen, die so aussieht, dass die Hamas entwaffnet wird, entweder freiwillig im Rahmen eines Waffenstillstandes, oder mit Gewalt, wie es im Augenblick geschieht, und zweitens darf es auch nicht mehr zu einer Wiederaufnahme der alten Tunnelwirtschaft kommen, die dazu geführt hat, dass der Gazastreifen mit modernen Raketen aufgerüstet wurde. Das ist übrigens auch ein ägyptisches Interesse. Insofern haben wir in diesem Jahr eine völlig andere Situation als 2012, als noch die Muslimbrüder und Präsident Mursi in Ägypten regiert haben.
    Klein: Aber im Augenblick gibt es ja keine Bewegung, oder erkennen Sie welche?
    Mertes: Ich erkenne im Augenblick keine Bewegung. Es gibt immer wieder Hoffnungszeichen. Aber solange Israel an diesem, wie ich finde, legitimen Ziel festhält und solange auf der anderen Seite die Hamas irgendeinen Erfolg vorweisen will, wird es da nicht zu einer Einigung kommen.
    Klein: US-Außenminister Kerry hat sich ja bis gerade noch weiter um Vermittlung bemüht. Seiner letzten Nahost-Mission, begonnen im vergangenen Sommer, war kein Erfolg beschieden. Setzt man in Israel im Augenblick noch auf den Einfluss der Amerikaner?
    "Ägypter haben eine Schlüsselrolle"
    Mertes: Ich glaube, dass man in Israel eher setzt auf den Einfluss der Ägypter. Die Ägypter haben hier meines Erachtens eine Schlüsselrolle. Die Lösung muss aus der Region selber kommen, und es gibt genügend Kräfte, genügend sunnitische Staaten in der Region - ich habe Ägypten erwähnt, man könnte auch Saudi-Arabien erwähnen, die Vereinigten Arabischen Emirate und Jordanien -, die dieses Problem in den Griff bekommen möchten. Die Hamas ist, was man ja oft nicht weiß, ein palästinensischer Ableger der Muslimbrüder und die genannten Staaten betrachten die Muslimbrüder als gefährliche Feinde. Insofern haben sie ein gemeinsames Interesse daran, dieses Problem jetzt auf Dauer zu lösen.
    Klein: Herr Mertes, Abgeordnete aus der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages haben einer Zeitung gegenüber heute hier in Deutschland, in den Medien also, teils vorsichtige, teils ziemlich deutliche Kritik an der deutschen Fluggesellschaft Lufthansa geübt, wegen der Entscheidung, die Verbindung nach Tel Aviv weiter nicht zu bedienen. Die CDU-Politikerin Connemann sprach sogar von einer "Kapitulation des Westens vor dem Terror". Teilen Sie diese Kritik, oder ist das nach Ihrer Meinung überzogen?
    Mertes: Ich glaube, da ist etwas dran. Die Situation wäre wahrscheinlich eine völlig andere, wenn es nicht den Abschuss einer zivilen Maschine über der Ostukraine gegeben hätte. Mir sagen israelische Sicherheitsexperten, das Problem ist nicht nur ein Problem für Israel, sondern es kann zum globalen Problem werden. Wenn die Hamas erfolgreich zeigt, dass mit solchen Bedrohungen sie den Nerv der zivilen Luftfahrt trifft, dann könnten auch andere Terrorgruppen sich dazu ermutigt fühlen, genau mit diesen Methoden zu arbeiten. Also es geht nicht nur um ein israelisches Problem, sondern um ein globales Problem, und ich teile diese Einschätzung.
    Ich würde aber auch, wenn ich das hinzufügen darf, sagen: Ich glaube nicht, dass die Entscheidung politisch ist. Das ist keine Boykottentscheidung, wie man gelegentlich hören kann, sondern das hat auch etwas mit Wirtschaft zu tun. Nach meiner Information sind im Augenblick die Versicherungsprämien einfach so extrem hoch, dass es sich für viele Fluggesellschaften gar nicht lohnt, hier hinzufliegen.
    Klein: Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, die Fluggesellschaften tragen eine Verantwortung für ihre Passagiere und sie müssen eine Risikoabwägung treffen. Man könnte also auch fragen: Sollen Fluggesellschaften aus politischen Gründen ein Risiko für ihre Passagiere eingehen?
    Öffentliches Leben in Israel kaum eingeschränkt
    Mertes: Das ist eine legitime Frage. Ich kann dazu nur für mich persönlich antworten. Ich fliege am nächsten Donnerstag nach Deutschland und habe nicht vor, diesen Flug abzusagen. Aber wie gesagt: Das sind persönliche Risikoempfindlichkeiten, die zu berücksichtigen sind. Und Sie haben Recht: Wenn eine Fluggesellschaft dieses Räsonnement anstellt, dann ist das durchaus legitim.
    Klein: Der Flughafen Ben-Gurion gilt ja auch als etwas wie ein Tor zur Welt. Man kann nicht so einfach den Staat Israel verlassen auf dem Landwege, wie das etwa in Deutschland möglich ist. Wie sehr ist das öffentliche Leben dadurch beeinträchtigt im Augenblick?
    Mertes: Im Augenblick kaum. Es gibt ja drei israelische Airlines, die weiter fliegen: EL AL, Arkia und Israir. Das Problem ist im Augenblick, dass 30 Prozent der zivilen Piloten im Gazakrieg eingesetzt sind. Es wird im Moment darüber nachgedacht, neue Lösungen zu entwickeln, zum Beispiel Flüge von und nach Zypern und dann Fahrten mit der Fähre von und nach Israel. Das ist eine Möglichkeit, die erwogen wird. Das Hauptproblem ist nicht das Herausfliegen aus Israel, sondern das Hineinkommen. Wir haben im Augenblick vier bis 5000 Israelis, die in Istanbul gestrandet sind. Sie können von Istanbul aus nicht nach Tel Aviv kommen, weil Turkish Airlines nicht nach Tel Aviv fliegt. Das heißt, es müssen dann Lösungen gefunden werden über Athen, über Rom und von dort aus nach Tel Aviv. Das ist die augenblickliche Situation. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass die Leute sich deshalb gegenwärtig - ich weiß ja nicht, wie lange das noch dauert - große Sorgen machen.
    Klein: Einschätzungen von Michael Mertes. Er leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem und wir haben ihn genau dort erreicht. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Mertes.
    Mertes: Gerne! - Tschüss.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.