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Freiburg
Stimmungsmache nach dem gewaltsamen Tod einer Studentin

Der Hinweis, dass ein 17-jähriger Flüchtling aus Afghanistan eine Studentin in Freiburg vergewaltigt und getötet haben soll, reichte aus: Das Verbrechen wird nun instrumentalisiert, um weiter massiv Stimmung gegen Flüchtlinge, Politik und Medien zu machen.

Von Klaus Gülker | 05.12.2016
    Blumen und Herbstlaub stecken zwischen den Absperrbändern der Polizei an der Dreisam in Freiburg, wo eine junge Frau getötet wurde.
    Blumen und Herbstlaub stecken zwischen den Absperrbändern der Polizei an der Dreisam in Freiburg, wo eine junge Frau getötet wurde. (Imago/ Winfried Rothermel)
    Die erste Reaktion des Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon nach der Festnahme eines Tatverdächtigen war naheliegend: "Wir sind sehr erleichtert in Freiburg. Seit Wochen fiebern wir darauf hin, dass der Täter gefasst wird. Und ich hoffe, dass das Sicherheitsgefühl in Freiburg wieder besser wird."
    Gleichwohl, die Tatsache, dass der Verhaftete ein Geflüchteter ist, hat sofort zu heftigen Diskussionen geführt. Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer hatte es auf der pressekonferenz der Ermittler deutlich gesagt, woher der Tatverdächtige stammt: "Es handelt sich um einen 17 Jahre alten Jugendlichen afghanischer Herkunft, der 2015 als Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist."
    Der Ton ist scharf
    Was auf den Fuß folgte, war im Internet eine Flut von Kommentaren, die seither nicht abreißt. Der Ton ist scharf, nicht selten wird gleich die Regierung oder auch Kanzlerin Merkel mehr oder weniger direkt wegen ihrer Flüchtlingspolitik mitverantwortlich gemacht für die Tat. Es trifft auch Instititutionen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Eine Freiburger Studenteninitiative wird von einem Shitstorm überzogen; für sie hatte die Familie der getöteten Studentin noch in der Todesanzeige um Spenden gebeten. Maria L. soll in der Flüchtlingshilfe engagiert gewesen sein.
    Bemühungen um Versachlichung der Debatte
    Der grüne Oberbürgermeister bemüht sich derweil um eine Versachlichung der Debatte: "Dass der Täter voraussichtlich ein junger Mann aus Afghanistan ist, ist natürlich Wasser auf die Mühlen derjenigen, die immer schon wussten, dass Flüchtlinge böse Menschen sind. Aber ich bitte einfach darum, zu differenzieren, und ich glaube, dass die Freiburger dieses auch tun und wissen: Da hat einer eine furchtbare Straftat begangen, aber das heißt nicht, dass alle anderen das auch tun. Wir haben eine unglaubliche Hilfsbereitschaft gehabt, als die vielen Flüchtlinge kamen, und die werden auch jetzt genau hinschauen und nicht Pauschalurteile machen."
    ARD-Tagesschau verteidigt Entscheidung
    Die Redaktion der ARD-Tagesschau verteidigte heute ihre Entscheidung, dass sie in der 20 Uhr Ausgabe am Samstag nicht über die Festnahme berichtet hatte. Der Fall habe eher "regionale Bedeutung", zudem gelte bei dem noch minderjährigen Verdächtigen "der besondere Schutz von Jugendlichen". Derweil hat die Festnahme in Freiburg dazu geführt, dass sich das, wie so schön heißt, subjektive Sicherheitsgefühl verbessert hat: Am Flüsschen Dreisam nahe des Tatorts waren bei schönem Winterwetter Jogger und Joggerinnen unterwegs.
    "Wir sind, wenn es dunkel war, nicht mehr an die Dreisam gegangen. Das ist auch immer unsere Laufstrecke gewesen. Die Traurigkeit ist trotzdem da, dass so etwas passieren kann. Aber dass wir wieder in Freiburg unterwegs sein zu können, das ist schon gut."
    Ungeklärt ist nach wie vor, ob es zwischen der Tat in Freiburg und der Tötung einer 27-jährigen Joggerin in Endingen am Kaiserstuhl in der Nähe von Freiburg einen Zusammenhang ging.