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Freiwillige
Köln sorgt sich um seine Wahlhelfer

Wegen vertauschter Auszählergebnisse musste knapp ein Jahr nach der Kölner Kommunalwahl ein Wahlbezirk neu ausgezählt werden. Dadurch verlor Rot-Grün seine Mehrheit im Stadtrat. Jetzt fürchten einige, dass sich aufgrund der schlechten Presse bei den Bürgermeister- und Landratswahl am 13. September nicht genügend Wahlhelfer finden.

Von Moritz Küpper |
    Die Vorsitzende des Wahlausschusses Agnes Klein (r.) zeigt am 19.05.2015 in Köln (Nordrhein-Westfalen) einen versiegelten Umschlag mit Stimmzetteln.
    Die Vorsitzende des Wahlausschusses Agnes Klein (r.) verkündet das Ergebnis: Die Mehrheit von Rot-Grün ist futsch. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Vor knapp einem Monat schaute ganz Deutschland kopfschüttelnd auf die Kölner Kommunalpolitik:
    "Von Wengersky, Alexandra, Christlich-Demokratisch Union Deutschlands, Kennbuchstabe D2, 297 Stimmen."
    So klang es, das Ergebnis der Neuauszählung eines Briefwahlstimmbezirkes. In Köln-Rodenkirchen mussten nach einem Jahr Streit um Ungereimtheiten bei der Kommunalwahl 2014 die Stimmen neu ausgezählt werden. Prompt verlor die SPD ein Mandat, die CDU gewann es, und im Kölner Stadtrat kippte die rot-grüne Mehrheit.
    Ein Moment, den auch Brigitte Herwartz damals verfolgte. Herwartz ist Leiterin der Kölner Wahlorganisation. Genau eine Woche nach dieser Auszählung sitzt sie einige Stockwerke weiter in ihrem Büro, im fünften Stock. Schlagwörter wie Wahlposse oder auch kölsche Blamage lassen sie zwar nicht kalt, aber Herwartz denkt nicht nur an die politischen Mehrheitsverhältnisse:
    "Also, ich könnte mir schon vorstellen, dass sich der eine oder andere, der in den letzten Jahren engagiert dabei war, Gedanken macht."
    Denn: In Herwartz Hinterkopf geht es vielmehr um die ehrenamtlichen Wahlhelfer:
    Ja, ein Stück Sorge habe ich jetzt, dass viele dann sagen: Das ist mir zu gefährlich."
    Die Frau mit blonden, kurzen Haaren fürchtet, dass sich wegen der Panne künftig nicht genügend Freiwillige für diesen Dienst an der Demokratie finden lassen. Auch NRW-Landtagsabgeordnete, die nicht genannt werden wollen, bestätigen: Gerade ältere Menschen aus ihren Besuchergruppen wollten sich nach diesen Ereignissen nicht mehr melden. Für Herwartz durchaus nachvollziehbar:
    "Die Presse war sehr intensiv, auch die Kritik. Unter anderem auch an den Wahlhelfern war da. Das hat sich ja jetzt über Monate hingezogen – und von daher kann ich mich vorstellen, dass sich der eine oder andere Sorge macht."
    Am 13. September wird wieder gewählt
    Herwartz Sorge gilt dem 13. September. Da wird in Köln ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Jochen Ott von der SPD, der - Ironie der Geschichte - aufgrund der Neuauszählung sein Ratsmandat verlor, und die parteilose Sozialdezernentin Henriette Reker stehen in Deutschlands viertgrößter Stadt zur Wahl.
    In diesen Tagen startet Herwartz' Wahlamt seinen offiziellen Aufruf in Lokalzeitungen, um ehrenamtliche Wahlhelfer zu gewinnen. 6.500 Menschen werden gebraucht. Auf Radiospots – wie in der Vergangenheit – verzichtet man – noch:
    "Ja, man kann sich nicht immer nur beschweren, man muss auch mal was machen."
    "Ja, ist meine Bürgerpflicht."
    Aber: Vor wenigen Wochen erst lehnte die Stadt Köln einen Antrag ab, das sogenannte Erfrischungsgeld für Wahlhelfer zu erhöhen. Ingo Wellsandt, der Antragssteller, seit über zehn Jahren Wahlhelfer, kann das nicht verstehen. Für ihn werde die Arbeit der Wahlhelfer nicht genügend wertgeschätzt. Denn, neben der Verantwortung:
    "Es ist ja auch ein immenser Zeitaufwand. Die Wahlhelfer, der Wahlvorstand muss ja bis halb acht da sein, komplett. Die Wahl vorbereiten und dann, je nachdem, wie viel Wahlen an dem Tag sind, ist das schon etwas wenig. Das Geld, was die Stadt Köln für, je nachdem 13, 14 Stunden Arbeit, den ehrenamtlichen Wahlhelfern zahlt."
    In Köln sind das 40 Euro, Schriftführer würden mit 60 Euro belohnt. Allerdings: Köln zahlt gut: In Bonn gibt es 35 Euro, in Berlin erhalten Wahlhelfer 31 Euro.
    Mehr Geld, mehr Helfer? Brigitte Herwartz vom Wahlamt widerspricht:
    "Ich finde es wichtig, andere Leistungsanreize zu schaffen, aber eben keine monetären."
    Öffentliche Wertschätzungen, so Herwartz, seien viel wichtiger. Zuspruch kommt an dieser Stelle auch aus der Landeshauptstadt, aus Düsseldorf:
    "Also, Wahlen sind ja ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Demokratie. Und das besondere ist ja eben auch, dass die Wahlen vom Wahlvolk selbst organisiert werden. Von daher ist es ganz wichtig, dass man freiwillige Wahlhelferinnen und Wahlhelfer auch bekommt."
    Sagt Helga Block, Landeswahlleiterin in NRW. Auch in der Landeshauptstadt hat man die Neuauszählung beobachtet. Denn: An jenem 13. September 2015 wird nicht nur in Köln gewählt. Knapp 230 Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte werden neu bestimmt. Bei der Dreifach-Wahl aus Kommunal-, Europa- und Integrationswahl im vergangenen Jahr wurden in ganz NRW rund 110.000 Menschen benötigt. Einen Schneeball-Effekt, sprich, eine Verunsicherung, die von den Kölner Ereignissen ins ganze Land ausstrahlt, befürchtet Block aber nicht. Sie will das Ereignis nicht kleinreden.
    Auch Beamte könnten zwangsverpflichtet werden
    "Dass es im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens zu einer Neuauszählung kommt, ist sicherlich ein großer Ausnahmefall und hat ja auch viel Medieninteresse gefunden. Dennoch glaube ich, dass die Wahlhelfer insgesamt im Lande sich von dieser Sache nicht negativ beeinflussen lassen, sondern ich glaube, dass, sogar auch in Köln, es weiterhin genügend freiwillige Helfer geben wird."

    Auch Brigitte Herwartz hofft darauf, sie will schließlich nicht zu drastischen Mitteln greifen: "Gott sei Dank haben wir in den vergangenen Jahren auch nicht darauf zurückgreifen müssen, zwangszuverpflichten. Grundsätzlich können wir ja vorrangig die städtischen Beschäftigten zwangsverpflichten. Aber grundsätzlich auch alle Kölner Bürgerinnen und Bürger. Das darf ja auch nur aus besonderen Gründen abgelehnt werden."

    Einzig bei der vorgezogenen Landtagswahl 2012, als es nur sechs Wochen Vorlaufzeit gab, musste man in Köln darauf zurückgreifen. Aber:
    "Die Motivation war derart niedrig, dass schon befürchtet werden musste, dass das zur Reduzierung der Qualität bei der Auszählung geht. Also, wir möchten das auch in diesem Jahr möglichst vermeiden." Qualität bei der Auszählung: Es ist wohl dieser Punkt, bei dem in diesem Jahr ganz Deutschland noch einmal auf die Domstadt schauen wird.
    Wegen vertauschter Auszählergebnisse musste knapp ein Jahr nach der Kölner Kommunalwahl ein Wahlbezirk neu ausgezählt werden. Dadurch verlor Rot-Grün seine Mehrheit im Stadtrat. Jetzt fürchten einige, dass sich aufgrund der schlechten Presse bei den Bürgermeister- und Landratswahl am 13. September nicht genügend Wahlhelfer finden.