Donnerstag, 28. März 2024

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Fricke: Diskussion um Aufstockung des Rettungsschirms ist falsch

Otto Fricke hält eine Erhöhung des Rettungsschirms ESM nicht für nötig, da bisher kein weiteres Land erkennbar sei, das unter den Schirm schlüpfen müsse. Dem Vorschlag einer Exit-Strategie steht der haushaltspolitische Sprecher der FDP eher skeptisch gegenüber.

Otto Fricke im Gespräch mit Gerd Breker | 02.03.2012
    Gerd Breker: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben soeben in Brüssel ihr Gipfeltreffen beendet. Bei diesem Gipfeltreffen ging es um die Sanierung der öffentlichen Haushalte und ein stärkeres Wachstum, Wirtschaftswachstum genauer gesagt. Zum Auftakt des zweiten Tages unterzeichneten 25 Regierungen ein Sparpaket, das Schuldenbremsen vorsieht.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Otto Fricke, parlamentarischer Geschäftsführer und haushaltspolitischer Sprecher der FDP. Guten Tag, Herr Fricke.

    Otto Fricke: Einen schönen guten Tag aus Berlin.

    Breker: Die beschlossene Fiskalunion ist nur ein Signal, aber aus Ihrer Sicht sicherlich ein wichtiges Signal für die Zukunft. Nur die aktuellen Probleme etwa Griechenlands sind damit nicht gelöst?

    Fricke: Vollkommen richtig. Wir müssen immer genau trennen - und das verwirrt ja auch die meisten so langsam -, was wird denn wann wo beschlossen, Griechenland, Fiskalpakt, ESM, EFSF. Der Fiskalpakt ist das klare Bekenntnis, da sind Fehler in der Vergangenheit passiert, erhebliche, insbesondere, wie es ja gerade im Beitrag auch schon gesagt wurde, Herr Breker, dadurch, dass man sich nicht an die Regeln gehalten hat. Jetzt baut man das für die Zukunft auf. Aber der Fiskalpakt selber hat mit der Frage Griechenlandkrise, Frage Portugal und Irland so direkt nichts zu tun, sondern er sagt nur, wie kriegen wir in der Politik vielleicht endlich mal nach Jahrhunderten, fast Jahrtausenden einen etwas cleveren Weg hin, dass wir nicht immer den Ausweg in der Verschuldung haben.

    Breker: Damit die Märkte uns wieder vertrauen?

    Fricke: Na ja, weniger, damit die Märkte uns vertrauen, sondern damit wir möglichst wenig uns in die Hände der Märkte begeben. Denn im Endeffekt bedeutet doch der Fiskalpakt, wir gehen mit der Verschuldung in Richtung nahe null, wir bauen die Verschuldung dann hoffentlich, was ja der eigentliche Schritt ist, auch ab. Und das kann ja nur der eigentliche Sinn sein. Es kann ja nicht sein, dass Demokratien, weil sie den Fehler gemacht haben zu sagen, wir nehmen Schulden auf, sich in die Hände der Gläubiger begeben haben, denen sie versprochen haben, sie zahlen es zurück, sondern der Weg, den der Fiskalpakt jetzt aufzeigt, ist, so wird es in Zukunft nicht mehr gehen, verpflichtet aber dann - auch das wurde gerade angesprochen - zu überlegen, wie sorge ich überhaupt dafür in den einzelnen Ländern, die Verschuldung runterzubringen.

    Breker: Nun hat man erkannt - das liegt einfach an der hohen Arbeitslosigkeit in Europa, auch in Griechenland -, die Rezessionen dort, sie machen deutlich, sparen allein hilft nicht, Griechenland und Europa brauchen Wachstumsimpulse. Wie soll das geschehen?

    Fricke: Das ist vollkommen richtig. Es sind zwei Dinge. Das erste ist: Man muss erst einmal akzeptieren - und das fällt vielen schwer -, wenn ich in einer Zahlungskrise (nennen wir es mal so unbestimmt) bin, dann heißt das immer, wenn ich Überschuldung habe, es kommt erst einmal ein gewisser Zeitraum, in dem es nach unten geht. Die Frage, wie ich dann nach oben komme, hat etwas mit der Frage zu tun, wie wird denn in Zukunft Geld verdient, so platt, wie dieser Satz sich anhört, und zweitens, wie sorge ich dafür - und das war auch wiederum im Beitrag eben sehr gut benannt -, dass Geld verdient wird und dabei Leute in Arbeit sind, in Arbeit bleiben oder in Arbeit kommen. Frage von Bildung, Frage von Forschung, Frage, sich schneller von alten Dingen zu trennen, die man in Europa nicht mehr in einer globalisierten Welt herstellen kann, und Fragen eben auch, Lohnnebenkosten nicht als Belastung zu haben, sondern sich zu fragen, wo, an welcher Stelle Lohnnebenkosten, wenn sie denn da sind, wie finanziert werden, und, um ein konkretes Beispiel zu geben, die Anerkenntnis, dass, wenn wir damit gesegnet sind, dass wir weit älter werden können, wir auch die Verantwortung schlicht mathematisch haben, länger zu arbeiten.

    Breker: Eine Aufgabe, Herr Fricke, die Jahrzehnte in Anspruch nimmt, wenn wir auf Griechenland schauen. Bis dass dieses Land wieder wettbewerbsfähig wird, wird eine Menge Zeit vergehen. Ein drittes Hilfspaket könnte notwendig werden?

    Fricke: Das ist die berühmte Frage, ob man sagt, ja, es könnte. Das ist die berühmte Kiste zwischen Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit. Die Wahrscheinlichkeit halte ich dann für gering, wenn Griechenland klar wird - und mit Griechenland meine ich dann auch den Bürgern -, dass sie diese Reformen schnell machen müssen. Das Schwierige ist ja, dass das, was man an Reformen macht - und das sage ich auch als Deutschland, wo wir mal der schwache Mann Europas waren und man uns ganz schlimme Geschichten für das Jahr 2010, 2012, 2015 vorhergesagt hat und sicherlich nicht eine Rekord-Niedrigarbeitslosigkeit -, wenn man die Reformen frühzeitig anpackt, dann geht der Weg hoch. Und der Unterschied ist ja, dass die Bürger sagen, ich wäre ja bereit, jemandem zu helfen, der auch was tut, aber ich habe das Gefühl, die tun gar nichts. Und wenn wir die Informationen aus Griechenland bekommen, dass bei Förderbanken man nicht bereit ist, die Voraussetzungen zu schaffen, und dass scheinbar die gesamte griechische Elite nicht in der Lage ist zu erkennen, dass sie umsteuern muss, dann kann das nicht funktionieren und dann bin ich mir auch ziemlich sicher, dann wird es auch kein drittes Paket geben.

    Breker: Dann würden Sie eine Exit-Strategie befürworten?

    Fricke: Na ja, ich will es mal so sagen: In dem Moment, wo das Land im Rahmen von Neuwahlen sagt, etwa mit einer neuen Regierung, wir fühlen uns nicht mehr gebunden an das, was wir eigentlich vertraglich verpflichtend zugesagt haben, in dem Moment war es das. Die Frage, was dann kommt - und da bin ich sehr vorsichtig; ich habe auch Herrn Söder gehört, der gesagt hat, ja, da muss es eine Exit-Strategie geben und man müsste den Griechen dann irgendwas geben -, die Frage ist nur, wie soll denn diese Exit-Strategie aussehen. Ich wehre mich als Politiker, der versucht, Verantwortung zu übernehmen, dagegen zu sagen, ja dann machen wir eben eine andere Alternative, es wird schon irgendwie gut gehen. Die soll man mir dann auch darstellen und ich möchte keine Exit-Strategie haben, bei der dann in Deutschland auf einmal die Frage, wen trifft es nun im Rahmen der Haftung, so ist, na ja, hier ist es mal ein Riester-Rentner, da ist es mal der, der eine Lebensversicherung hat, und der Dritte, der klug war, in andere Sachen anzulegen, den trifft es nicht. Das kann ja auch nicht die Lösung sein. Eine Exit-Strategie, wenn es denn eine solche gäbe, die Herr Söder ja scheinbar auch nicht hat, sonst hätte er sie uns sicherlich schon erzählt, die müsste so sein, dass der Schaden für den deutschen Steuerzahler, für die deutsche Wirtschaft und vor allen Dingen für die deutschen Arbeitsplätze geringer ist, als wenn wir so das machen, was wir bisher getan haben.

    Breker: Über diesem Gipfel in Brüssel - wir haben es eben gehört - schwebte die Diskussion um eine Aufstockung des ständigen Rettungsschirms. Ist das eine Position, die Deutschland Ende des Monats durch Finanzminister Schäuble einnehmen wird? Werden wir dafür stimmen, sind Sie dafür?

    Fricke: Was die Erhöhung wieder des Rettungsschirmes angeht - zu mir ist bisher noch niemand gekommen, der mir einen Grund hat nennen können, warum ein Rettungsschirm - und zwar eingeschlossener, nicht schon ein geöffneter - wenn wir beschließen, dass wir einen Rettungsschirm machen, dann heißt das ja nicht, dass wir das Geld ausgeben, und die Argumentation der Angloamerikaner, die immer mehr Geld haben wollen, ist, macht den Schirm doch so groß, dass jeder ihn sieht und jeder sagt, der wird schon funktionieren. Ich kann nicht erkennen, wofür der gut ist, und ich halte diese Diskussion nach dem Motto, es ist nichts beschlossen, es ist kein weiteres Land, das unter irgendeinen Schirm muss, erkennbar, aber jetzt trotzdem erhöht ihn mal, für vollkommen falsch und das wird es auch mit der FDP so nicht geben. Eine Erhöhung des ESM ist da nicht vorgesehen und halte ich auch für den absolut falschen Weg, weil genau das dann ja wieder - jetzt gehen wir zurück nach Griechenland - erzeugt wird nach dem Motto, wenn ihr es nicht richtig macht, dann erhöhen wir einfach mal den Schirm, dann gibt es mehr Geld. Das wird es mit der FDP nicht geben.

    Breker: Herr Fricke, die Europäische Zentralbank flutet derzeit die Geldmärkte. Das ist im Moment noch kein Problem, aber mittelfristig droht doch Inflation.

    Fricke: Vollkommen richtig. Ich muss auch ehrlicherweise sagen, wenn in dieser Woche über die Frage, was beim Euro passiert, die größte, ich sage mal, Frustration da war, dann war sie es bei dem Handeln der EZB. Nur die ist unabhängig, das haben wir so gewollt. Und das Zweite ist: Ich kann jetzt im Nachhinein darüber lamentieren, dass es bei der EZB ein Mehrheitsprinzip gibt, aber dann müsste ich in der Konsequenz auch sagen, wäre es umso besser, dass man das Ganze über EFSF und ESM laufen lässt, wo es eben gegen Deutschland gar nicht ginge. Nur jetzt hier an die Unabhängigkeit der EZB heranzugehen, da werden Sie mich nicht kriegen. Der Punkt, den die EZB allerdings einhalten muss, den sie sagt, dass sie ihn einhalten würde, ist die Frage, ob sie das Geld denn dann auch wieder zurückholt. Sie hat jetzt einen Drei-Jahres-Tender mit ein Prozent gegeben. Die Frage ist ja, was dann danach passiert. Und deswegen bin ich an der Sache etwas nervös, denn - da sind wir uns, glaube ich, beide drüber einig - Inflation heißt immer, ich treffe genau den, der sich vernünftig verhalten hat, der gespart hat, der vorgesorgt hat, und ich "helfe" demjenigen, der Schulden gemacht hat. Das kann nicht der Sinn einer, ich sage mal, Sozialen Marktwirtschaft sein.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Meinung des haushaltspolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke. Herr Fricke, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Fricke: Ich danke auch und wünsche ein schönes Wochenende.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.