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Söder: Es gibt aus heutiger Sicht keinen Anlass, den Rettungsschirm auszuweiten

Kommt doch eine deutsche Zustimmung zur Aufstockung des Rettungsmechanismus ESM? Die "Süddeutsche" will wissen, dass die Kanzlerin sich vorstellen kann, ihre Meinung zu ändern. Die bisherigen Maßnahmen müssten erst mal greifen, bremst Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) - und schlägt für Sorgenkind Griechenland eine Exit-Strategie vor.

Dirk-Oliver Heckmann im Gespräch mit Mmarkus Söder | 02.03.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Fast alle sind dafür, die USA, Großbritannien, Japan und China, der Internationale Währungsfonds und fast alle Euro-Mitgliedsländer; sie sind dafür, den geplanten Euro-Rettungsschirm ESM, der im Sommer in Kraft treten soll, deutlich aufzustocken. Nur ein Land ist dagegen: Deutschland. Allerdings scheint der Widerstand zu bröckeln. Die "Süddeutsche Zeitung" zitierte gestern Berliner Regierungskreise, wonach sich Angela Merkel vorstellen kann, ihre Position zu räumen. Wenn auch nicht offiziell auf der Tagesordnung, spielte es natürlich am Rande eine Rolle, gestern beim EU-Gipfel in Brüssel, neben der Frage, wie Wachstum und Beschäftigung in Europa angekurbelt werden können.
    Am Telefon mitgehört hat Markus Söder von der CSU, bayerischer Finanzminister. Schönen guten Morgen!

    Markus Söder: Schönen guten Morgen, grüß Gott.

    Heckmann: Herr Söder, die Bundeskanzlerin kann sich offenbar vorstellen, ihren Widerstand gegen eine Aufstockung des ESM aufzugeben. Kippt also auch die CSU mit um?

    Söder: Hier wird von Eindrücken gesprochen, aber nicht von Ergebnissen. Klar ist doch, dass wir jetzt gestern und heute die wichtige Voraussetzung schaffen mit dem Fiskalpakt, dass erst einmal begonnen werden kann, Schulden abzubauen und nicht weiter Schulden zu machen in Europa. Das ist einmal die wichtigste Voraussetzung, die vor einem halben Jahr gar nicht gedacht war. Es kann jetzt gar nicht darum gehen, neue Schirme aufzustocken, sondern die bisherigen Maßnahmen müssen erst einmal greifen. Ich halte es für einen falschen Weg, eine neue Aufstockungsdebatte zu führen, ...

    Heckmann: Aber Horst Seehofer, Ihr Parteichef sagt, das Thema kommt auf uns zu. Ist das also die Vorbereitung darauf, dass die CSU einknickt?

    Söder: Die Vorbereitung heißt, das darauf zu führen, ob das sinnvoll ist oder nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass es die Deutschen und Deutschland am Ende überfordert, wenn ein Rettungspaket nach dem anderen geschultert und geschnürt wird, das übrigens im Wesentlichen dann von Deutschland bezahlt werden muss. Deswegen ist das jetzt nicht so beeindruckend, wenn alle anderen fordern, Deutschland soll mehr zahlen. Wir haben bislang mit Abstand schon die größten Beiträge erbracht, in sinnvoller Weise, aber es gibt rote Linien und über die muss man dann auch transparent diskutieren. Aus meiner Sicht besteht überhaupt kein Anlass, die Rettungsschirme aus heutiger Sicht aufzuweiten, aufzublasen und erneut zu beschließen.

    Heckmann: Wo verläuft denn die rote Linie?

    Söder: Nach dem, was bislang beschlossen wurde. Wir haben jetzt ja schon eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, jetzt diese Woche erneut. Diese Maßnahmen können, müssen und sollen greifen. Sie sollen auch helfen, dass Griechenland die Chance bekommt, ein Stück sich selbst in dieser Krise weiterzuentwickeln. Jetzt muss gesehen werden, ob diese Maßnahmen, die auch in Griechenland beschlossen wurden, auch in der Praxis umgesetzt werden. Das Problem ist ja in Griechenland nicht nur das der Gesetze, sondern auch des tatsächlichen Vollzuges. Wenn dies alles wirkt, wenn dies alles greift, dann sind wir ohnehin erfolgreich. Sollte dies nicht passieren, sollten die griechischen Maßnahmen in keinster Weise zum Erfolg führen, dann macht es auch keinen Sinn, einen Schirm erneut aufzustocken. Dauerhaft wäre das sicher der falsche Weg.

    Heckmann: Pardon, Herr Söder. Gerda Hasselfeldt, die CSU-Landesgruppenchefin, die gibt sich allerdings grundsätzlich offen für eine Erhöhung des ESM.

    Söder: Das Kabinett hat da eindeutige Beschlüsse in der Frage – übrigens nicht nur von Schwarz, sondern auch von Gelb, in Bayern genauso mitgetragen -, dass wir da rote Linien haben. Man muss das dann diskutieren und im Zweifelsfall auch transparent entscheiden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass aus unserer Sicht ein solches weiteres Aufstocken zum einen geboten und zum anderen auch durchsetzbar ist.

    Heckmann: Das heißt, Gerda Hasselfeldt hat da was falsch verstanden?

    Söder: Jeder bringt sich in den Diskussionsprozess ein. Ihre Frage zielte darauf ab, hier einen Zwist hineinzudiskutieren. Das sind ja auch tatsächlich schwierige Abwägungsfragen.

    Heckmann: Und es gibt ja offenbar eine Differenz zwischen Ihrer Position und der Position der CSU-Landesgruppe.

    Söder: Es gibt eine klare Aussage der CSU, der Beschlüsse des Parteivorstandes, der Beschlüsse des bayerischen Kabinetts. Wenn man die ändern will, bräuchte man dafür erst einmal Mehrheiten.

    Heckmann: Aber Sie schließen grundsätzlich nicht aus, dass der ESM am Ende dann doch aufgestockt wird, dass man dann auf den Druck der internationalen Gemeinschaft, der Euro-Länder, des Internationalen Währungsfonds, eingeht? Bisher hieß es ja immer, eine Erhöhung der Haftungssumme über diese berühmten 211 Milliarden Euro komme nicht infrage. Hat man den Menschen also dadurch Sand in die Augen gestreut?

    Söder: Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, dass die 211 Milliarden genau die Grenze war, die es nicht zu überschreiten gilt. Die Kanzlerin hat das übrigens in dieser Woche auch deutlich gesagt. Alles andere sind ja Mutmaßungen und irgendwelche Eindrücke, die der eine oder andere vermeintlich mitnimmt. Die Linien und die Beschlüsse sind eindeutig und es gibt auch keinen Anlass, sie zu ändern.

    Heckmann: Das heißt, nach jetzigem Stand ist es aus Ihrer Sicht so, es gibt keine Erhöhung, es gibt keinen Anlass, darüber nachzudenken, und Sie können sich auch kein Szenario vorstellen, in dem das der Fall sein wird?

    Söder: Ich glaube, dass es falsch wäre, dies zu tun. Ich glaube, dass es richtiger ist, darüber nachzudenken, ob Griechenland es schafft. Sollte Griechenland jetzt nicht in der Lage sein, beispielsweise mit den beschlossenen Maßnahmen, den beschlossenen Hilfen zum Erfolg zu kommen, dann werden sie es mit einer nächsten Erhöhung auch nicht schaffen. Dann ist es eher sinnvoller, eine Exit-Strategie zu entwickeln für Griechenland, geordnet aus dem Euro-Raum auszutreten, denn auf Dauer ist ein stabiler Euro mit stabilen Euro-Ländern besser, als einer mit Dauerpatienten.

    Heckmann: Wie wäre es denn mit der Idee, Herr Söder, die jetzt ventiliert wird, dass der ESM nicht aufgestockt wird, sondern dass man den EFSF oder die EFSF, also den vorläufigen Euro-Rettungsschirm, parallel laufen lässt zum ESM und damit dann die Summe auf 750 Milliarden Euro erhöht?

    Söder: Das ist im Grunde genommen dieselbe Idee wie die Aufstockung, nur mit anderen Möglichkeiten und anderen Mitteln. Das führt im Endeffekt zum selben Ergebnis. Von daher ist auch diese Idee genauso kritisch zu bewerten wie eine Aufstockung des ESM.

    Heckmann: Sie haben gerade eben, Herr Söder, die Hilfspakete für Griechenland erwähnt. Das zweite ist ja jetzt auf den Weg gebracht worden am Montag. Immer wieder gab es neue und größere Rettungsschirme. Muss man nicht konstatieren, dass diese Politik gescheitert ist, denn ansonsten wäre ja ein zweites Griechenland-Paket überhaupt gar nicht notwendig gewesen?

    Söder: Ich glaube, es hat wichtige Zeit gebracht. Zeit gebracht einerseits, dass die Finanzmärkte sich an die Entwicklung gewöhnen, auch an die Akzeptanz in Europa. Zweitens hat es verhindert, dass Dominoeffekte eintreten, weil ja Länder wie Portugal, Irland, Spanien, auch Italien haben diesen Weg der Reformen schneller, rascher und auch, wie man sagen kann, erfolgreicher begonnen. Und drittens glaube ich einfach, dass es auch den Griechen die Chance gegeben hat, sich selber auf diese Situation einzustellen. Es bleibt jetzt abzuwarten, ob die Beschlüsse der Regierung dann auch tatsächlich in die Realität umgesetzt werden können. Da bleibt große Skepsis und deswegen sind die Beschlüsse richtig gewesen. Aber weitere Beschlüsse werden da wohl nicht erfolgen können.

    Heckmann: Aber wir werden schon bald über ein Griechenland-Paket III debattieren. Das hat jedenfalls der Finanzminister angekündigt.

    Söder: Das wäre der falsche Weg.

    Heckmann: Der falsche Weg, aber ein Weg, der möglicherweise notwendigerweise beschritten werden müsste?

    Söder: Statt einem Griechenland-III-Paket wäre es sinnvoller, ein Exit-Paket zu diskutieren, wie die Griechen dann aus dem Euro austreten dürfen.

    Heckmann: Aber damit hat sich ja Innenminister Friedrich schon eine blutige Nase geholt. Er hat ja auch gesagt, man müsste Anreize schaffen für einen Austritt Griechenlands. Danach hat er dann dem zweiten Rettungspaket für Griechenland zugestimmt.

    Söder: Das jetzige zweite Rettungspaket ist ja tatsächlich die Verlängerung und ist ja auch das faire Angebot, das man gemacht hat, Griechenland zu helfen, wenn Griechenland im Gegenzug Maßnahmen beschließt. Jetzt kommt der Realitätscheck, es wird sich zeigen, ob dies funktioniert. Sollte dies funktionieren, wird es kein drittes Paket brauchen. Sollte es nicht funktionieren, macht auch ein drittes Paket keinen Sinn mehr. Dann muss eine solche Exit-Strategie diskutiert werden.

    Heckmann: Der bayerische Finanzminister Markus Söder von der CSU hier live im Deutschlandfunk. Herr Söder, danke Ihnen für das Interview.

    Söder: Danke auch.

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