Archiv


Fricke: Jemand, der "eine möglichst hohe Anerkennung hat"

Nicht das Parteibuch eines Kandidaten sei für die Koalition entscheidend, sondern seine Anerkennung in der Gesellschaft, betont FDP-Politiker Otto Fricke. Die Erfahrung zeige, dass es auch wichtig sei, mit der Medienwelt klarzukommen.

Otto Fricke im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Die Würfel sind gefallen. Am 30. Juni wird gewählt im Reichstag: ein neuer Bundespräsident. Die Bundesversammlung ist dafür auserkoren, die wiederum aus allen 622 Parlamentariern des Bundestages wie aus ebenso vielen Vertretern der Landtage besteht. Dabei können auch Wahlmänner und Wahlfrauen nominiert werden, die gar nichts mit Politik zu tun haben, Prominente zum Beispiel. Die Nominierungen laufen bereits an, die Zeit drängt.

    Alle Bundestagsparteien haben es seit Montag Nachmittag gar nicht so einfach, die schlichte Frage zu klären: Wen schicken wir als Kandidaten für die Köhler-Nachfolge ins Rennen. Alle stehen unter Zeitdruck, vor allem aber die CDU/CSU und die FDP, denn beide haben die Mehrheit in der Bundesversammlung, die den neuen Bundespräsidenten wählt. Die liberale Führungsspitze saß bis gestern Nacht in Berlin zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten, fünf Stunden lang. – Darüber sprechen wollen wir nun mit dem FDP-Politiker Otto Fricke, parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion im Bundestag. Guten Morgen!

    Otto Fricke: Einen schönen guten Morgen aus Berlin!

    Müller: Versucht die FDP, einen eigenen Kandidaten zu finden?

    Fricke: Nein, das wird wohl so nicht kommen. Es ist auch nicht die Frage, glaube ich, im Moment, ob es darum geht, ob es ein eigener ist, sondern die Koalition wird einen eigenen Kandidaten vorschlagen, oder eine eigene Kandidatin. Das ist das Ziel. Da jetzt zu sagen, das muss einer sein, der dieses oder jenes Parteibuch hat, oder so was – nein! Wir sind in einer Koalition, nicht nur im Bundestag, sondern eben auch in der Bundesversammlung, und da haben wir die Aufgabe, einen entsprechenden Vorschlag gemeinsam zu machen, der eine möglichst hohe Akzeptanz hat.

    Müller: Aber CDU-Politiker, CDU-Parteimitglieder treten ja häufiger zurück in der letzten Zeit?

    Fricke: Ja. Aber die Tatsache, dass jemand - auch das gilt in einer Koalition – bei uns zusammenarbeitet. Es ist weder schlecht, ein FDP-Parteibuch zu haben, noch ein CDU-Parteibuch. Entscheidend ist wirklich gerade bei dieser Position, die jetzt innerhalb so kurzer Zeit neu zu wählen ist, dass es jemand ist, der in unserer Gesellschaft eine möglichst hohe Anerkennung hat, denn wir brauchen an der Stelle – ich weiß, dass das Wort in Deutschland nicht so gerne gehört wird – Führung, und die erwartet man natürlich im Land der Dichter und Denker auch vom Präsidenten, oder von der Präsidentin, und da kann das auch jemand von der CDU sein.

    Müller: Brauchen wir denn einen Politiker?

    Fricke: Da sagen ja nun die meisten, na ja, nach den Erfahrungen, die wir gerade gemacht haben, es muss unbedingt einer sein. Das ist sehr schwierig. Ich finde, wir Deutschen haben immer so die latente Eigenart, im Nachhinein alles zu psychologisieren. Jeder Mensch hat seine Stärken und seine Schwächen. Da wird den Politikern oft unterstellt, dass sie viel mehr Schwächen als Stärken haben. Ich glaube, die Zeit jetzt zeigt, dass das, was man als Politiker täglich erlebt und erfährt, im Guten, aber eben auch wie im Kritischen, doch schon etwas ist, was eine Qualität sein kann, und wahrscheinlich wird es dann besser sein, jemanden zu haben, der über die entsprechende Erfahrung im öffentlichen Disput auch verfügt.

    Müller: Also heißt die Antwort auf die Frage ganz klar - ja?

    Fricke: Ja, aber noch mal: ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass es nur Politiker sind. Das sind diejenigen – das merke ich auch immer wieder im täglichen Geschäft, wenn ich sehe, was man so an E-Mails, an Anwürfen kriegt -, die natürlich merken, wie man unter Belastung entweder jemanden hat, der – ich sage mal so – sich mehr in sich selbst zurückzieht, oder eben jemand, der dann steht. Aber das ist nicht eine Frage, die alleine der Politiker hat. Bei dem kann man es eher sehen, weil er es in der Öffentlichkeit schon öfters getan hat.

    Müller: Herr Fricke, haben Sie eine Erklärung dafür, dass Horst Köhler bei der Bevölkerung sehr gut angekommen ist, in der politischen Klasse weniger?

    Fricke: Na ja, ich habe das Gefühl, dass das tägliche politische Geschäft mit all seinen Differenzierungen, dass gleichzeitig aber auch die und ich glaube in einer Demokratie auch notwendige hohe Transparenz und Kritik, die jeder Einzelne erfährt, zwei verschiedene Welten darstellen gegenüber dem, was erwartet die Bevölkerung im Täglichen von einem Präsidenten. Dieses geht sehr auseinander in unserer Gesellschaft. Da müssen wir insgesamt schauen, nicht nur die Politik, nicht nur die Medien, sondern auch die Bürger, was ist eigentlich das tägliche Geschäft der Politik, wie schwierig ist es, an welchen Stellen führt es zu welchen Belastungen und wann führen – und das sage ich bewusst auch bei dem, was bei Horst Köhler war – einzelne Äußerungen dazu, dass sie wie unter dem Skalpell bis ins Detail gesetzt werden und dann gesagt wird, der hat das gemeint und weil er das gemeint hat, ist er so und so. Da müssen wir, glaube ich, auch aufpassen, dass das, was im menschlichen Miteinander gilt, manchmal auch im politischen Miteinander gilt.

    Müller: Dann macht dementsprechend ein Parteisoldat das alles besser?

    Fricke: Na ja, nur weil er Parteisoldat ist, sicherlich nicht. Die Tatsache, dass man Mitglied einer Partei geworden ist, führt ja nicht dazu, dass man auf einmal ein besserer oder schlechterer Mensch wird. Da gelten eben wirklich beide Seiten. Es muss jemand sein in unserer Medienwelt – da können wir drum herumdiskutieren wie wir wollen -, der mit der Medienwelt auch klarkommt, der mit einem kurzzeitigen Angriff auch klar kommt. Aber das ist nicht eine Frage der parteipolitischen Qualifizierung, sondern eine Frage, wie komme ich mit dieser Auseinandersetzung, mit der Tatsache, dass das, was ich jetzt zum Beispiel sage zu Ihnen, nachher im Ticker steht, dann möglicherweise irgendwo in der Zeitung steht und von dem oder dem kritisch hinterfragt wird, oder hochkritisiert wird, wie komme ich damit klar und wie stelle ich es notfalls auch klar, dass ich dieses oder jenes gemeint habe.

    Müller: Kommt Ursula von der Leyen am besten mit den Medien zurecht?

    Fricke: Na ja, es gibt natürlich auch mediale Lieblinge. Nur ich kann auch da wiederum nur sagen: Es gibt Leute und Politiker, aber auch sonstige Menschen im öffentlichen Leben, die werden erst mal hoch gelobt, dann kommt etwas Kritisches und dann geht es genauso schnell runter. Nein! Sicherlich ist Frau von der Leyen, ohne dass ich jetzt damit natürlich sage, sie ist es oder sonstiges, jemand, die damit sehr gut klar kommt. Aber die Garantie dafür kann man nie geben. Das, glaube ich, würde dann ja heißen, dass man sozusagen da als Mensch nicht mit Fehlern behaftet ist, und Fehler machen wir alle, auch Politiker.

    Müller: Das müssen wir, Herr Fricke, natürlich fragen heute Morgen im Deutschlandfunk: Ist Ursula von der Leyen die neue Kandidatin?

    Fricke: Nein! Ich glaube, sie ist es nicht, sondern sie ist eine mögliche, so wie Herr Lammert, so wie Herr Wulff, so wie andere mehr auch. Ich glaube, dass man da einfach sehen muss, auch der Versuch jetzt zu sagen, das muss ja so schnell gehen, wir haben 30 Tage. Ob das nun nach drei, nach vier, nach fünf Tagen kommt, da tun wir ja schon wieder in Deutschland so, das muss ganz, ganz schnell gehen. Es muss gut sein! Es muss ein guter Vorschlag sein, es muss ein gutes Verfahren sein, und darum muss man sich bemühen. Ich glaube, das ist das, was die Koalition im Moment zeigen kann. Deswegen sehe ich ja auch eher eine Chance für die Koalition, in der ganzen Sache zu zeigen, dass man bei einer Euro-Krise, bei der Notwendigkeit, den Haushalt aufzustellen, bei der Notwendigkeit, einen neuen Präsidenten zu wählen, zeigt, dass man führen kann und dass diese Koalition auch steht.

    Müller: Herr Fricke, Sie kennen alle Genannten ja recht gut. Wer ist für Sie Favorit?

    Fricke: Das wäre jetzt genauso eine Sache der Festung. Ich glaube, Favorit ist, dafür sieht man viel zu wenig, was noch im Hintergrund einzeln da besprochen wird. Der Favorit wird sich Stück für Stück herausschälen. Man merkt ja jetzt auch, wie die Diskussion weggeht. Wir haben bei den letzten Wahlen noch gesagt, na ja, es sollte vielleicht nicht unbedingt ein Politiker sein. Jetzt sagt die Mehrheit, es sollte vielleicht eher ein Politiker sein, so wie Ihre Frage das ja gerade eben auch gesagt hat.

    Müller: Sagt die Mehrheit der Politiker?

    Fricke: Nein! Ich habe eher das Gefühl, im Moment sagt das auch die Mehrheit der veröffentlichten Meinung, aber das wechselt auch wieder schnell. Ich bin wirklich der Überzeugung: Lasst uns das genau analysieren, lasst mit den einzelnen Leuten sprechen, da liegt die Verantwortung sehr stark natürlich bei der Kanzlerin und beim Vizekanzler, aber lasst uns das nicht sozusagen übers Knie brechen. Das kann sich heute entscheiden, das kann sich morgen entscheiden. Nur wichtig ist, dass man die Bürger dabei mitnimmt, dass man den Bürgern klarmacht, passt mal auf, da hat sich etwas verändert, aber wir reagieren darauf und das Ergebnis, unser Vorschlag ist einer, der für euch gut ist, der aber auch für das Land gut ist.

    Müller: Dass es jemand von der CDU sein wird, das ist für Sie klar?

    Fricke: Nein! Da gibt es ja auch noch die CSU und da gibt es auch nicht unbedingt die Notwendigkeit einer Parteimitgliedschaft. Wie gesagt, diese Festlegerei – keine dieser Kriterien ist ein Einzelkriterium, das reicht, um zu sagen, der ist richtig, die ist richtig, sondern es muss ein Gesamtbild sein. Dafür ist das Amt des Bundespräsidenten zu wichtig, als dass man sagen kann, es ergibt sich aus dem einzelnen Faktor. Das ist wie immer bei Personalvorschlägen eine Gesamtbildung. Da Einzelne jetzt zu machen, sie hoch zu loben, um sie dann möglicherweise wieder zu beschädigen, das halte ich für genau falsch. Das ist so das, was wir im Moment gerne machen, aber das ist ja kein Eurovision Song Contest, sondern es geht um die Wahl des Bundespräsidenten.

    Müller: Da noch mal nachzufragen: Sie haben keinen Favoriten?

    Fricke: Nein, ich habe keinen Favoriten. Das habe ich mir auch abgewöhnt. Ich habe inhaltliche Favoriten bei der Frage, was erwarte ich vom Bundespräsidenten, wie nimmt er vor allen Dingen in dieser schwierigen Zeit, wo wir finanziell schwer dastehen, unsere Gesellschaft mit und macht klar, dass diese schwarz-gelbe Koalition dieses Land der Dichter und Denker nach vorne bringen will, aber gleichzeitig auch daran denkt, dass bei dem, was sie verlangt, sie die Leistungsfähigkeit der Einzelnen berücksichtigt, den Leuten klar macht, wo unsere Zukunft liegt. Das ist mir wichtig. Wer das dann am besten kann, das ist der- oder diejenige, die ich dann wählen würde, gerne wählen würde.

    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk der FDP-Politiker Otto Fricke, parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Fricke: Ich habe zu danken.