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Fünf Generalsekretäre und ein Moderator

Der ehemalige Intendant des Deutschlandradios, Ernst Elitz, hat die Generalsekretärsrunde mit Frank Plasberg als medialen Höhepunkt bezeichnet. Dort sei es im Gegensatz zum Kanzlerduell konfrontativ zugegangen.

Ernst Elitz im Gespräch mit Sandra Schulz | 26.09.2009
    Ernst Elitz: Nein, es gab natürlich auch mediale Höhepunkte. Ein Höhepunkt ist die Generalsekretärsrunde gewesen, mit Frank Plasberg, da ging es zur Sache, da ging es ein bisschen zu wie in so einer pubertären Jungenklasse, da war dann eine junge Dame dabei, die Kollegin von den Grünen, Steffi Lemke, aber die hat den Jungs dann dieser Rüpelbande ordentlich eins mitgegeben. Aber da wurde es konfrontativ, und wenn es konfrontativ ist, dann lassen sich ja auch besser Gegensätze herausarbeiten, unterschiedliche Standpunkte, und dann ist es besser, die Leute reden mal durcheinander und es reden fünf Leute auf einmal, als wenn es so zugeht wie beim Eheberater. Und das war ja eher die Situation, die Atmosphäre der Runde, als vier Moderatoren auftraten und Herr Steinmeier und Frau Merkel dort zusammensaßen, was den Kollegen Schmidt dann dazu veranlasst hat, zu sagen, ach, das war aber nett, endlich haben wir mal Herrn Merkel kennengelernt.

    Sandra Schulz: Welche Entwicklungen haben Sie denn beobachtet, wenn wir schauen auf Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel, bei ihren Auftritten jetzt über die letzten Wochen und Monate gesehen?

    Elitz: Na ja, Merkels Form ist, glaube ich, die Wahlarena, das Townhall-Meeting, was es ja auch gegeben hat. Auch die Bundespressekonferenz, wo sie, wie auch bei dem Townhall-Meeting, als Einzige auf der Bühne steht, quasi als Star. Da muss sie sich die Aufmerksamkeit nicht mit anderen teilen. Da ist sie dann Lebensberaterin, da erklärt sie, da wendet sie sich den Menschen zu, da verfällt sie dann auch in einen Berliner Slang. Bei der Bundespressekonferenz, da ist sie ja zu großer Form aufgelaufen. Dann macht sie Witze, da ist sie die Entertainerin und kaschiert damit auch ein wenig, wie mangelnde Konkretion bei den Aussagen über die politischen Details da sind. Dafür hat sie ja dann den Anwesenden zu aller Gaudi geschildert, wie sie im Supermarkt eine Büchse Artischocken kauft. Das hat mich dann etwas erinnert an Konrad Adenauer, der hat sich ja vor dem Wahlkampf – er war ja der erste Medienkanzler, nicht Schröder –, da hat sich ja Adenauer im Wahlkampf in seinem Rhöndorfer Heim am Küchenherd auch fotografieren lassen, wie er Pfannkuchen gewendet hat. Und dann haben ihn ja vor allen Dingen auch die Frauen gewählt. Also, was bei Adenauer der Pfannkuchen war, das sind bei ihr die Artischocken und bei den Männern ist das der Fußball, und das haben wir ja bei Steinmeier auch wieder erlebt. Alles, was wir über den niedersächsischen Jugendfußball wissen, wissen wir, weil die SPD zwei Mal Kanzlerkandidaten aus Niedersachsen aufgestellt hat, nämlich Steinmeier und Schröder.

    Schulz: Jetzt ist es häufig bemängelt worden, dass der Wahlkampf so langweilig sei, auch das Spitzenduell zwischen Merkel und Steinmeier sei so langweilig gewesen. Aber ist es denn überhaupt ein Nachteil, dass die beiden eher die sachliche Auseinandersetzung suchen? Kann man das nicht auch als Vorteil sehen?

    Elitz: Ja, die sachliche Auseinandersetzung soll schon sein, bloß dann gehören natürlich auch Fakten dazu und es muss klar herausgestellt werden, was für die eine Seite spricht und was für die andere Seite spricht. Das Duell Merkel-Steinmeier ist ja weitgehend eine Pressekonferenz über die Erfolge der Großen Koalition gewesen. Und dann lassen sich natürlich nicht Gegensätze herausarbeiten, das ist dann für den Wähler keine besondere Hilfe, wenn sozusagen die Meisterin des Rückblicks, Frau Merkel, immer deutlich macht, wie toll unter ihrer Kanzlerschaft alles in der Großen Koalition gelaufen wäre. Und deshalb hat dann auch Steinmeier – Punktsieger, aber ein sehr schwächlicher Punktsieger – dort als der bessere Kandidat ausgesehen, weil er auch mehr in die Zukunft geschaut hat. Das kam dann bei den Journalisten und auch beim Publikum besser an.

    Schulz: Sie haben gerade die Generalsekretäre gelobt. Kriegen von Ihnen denn auch die Spitzenkandidaten der anderen Parteien bessere Noten?

    Elitz: Also, man kann ja sagen, je weniger Moderatoren im Studio waren, desto besser war die Sendung. Die langweiligste Sendung war die mit vier Moderatoren. Und das lernt man nun in jedem Volontärskurs, ich brauche keine vier Moderatoren, ich brauche einen Moderator oder ich brauche zwei Moderatoren, die sich gegenseitig die Bälle zuspielen. Aber wenn es vier Moderatoren sind – wo jeder weiß, oh, da musst du aber schnell machen, guck mal auf die Studiouhr, in fünf Minuten muss der nächste seine Frage stellen zu einem anderen Thema –, dann muss das schiefgehen. Das wusste vorher jeder, und wer jetzt hinterher sagt, wir hätten das vielleicht anders machen sollen, dem kann man nur sagen, na ja, dann hättest du dich mal an deine journalistische Ausbildung erinnern sollen. Dann ist es bei den Spitzenkandidaten der kleineren Parteien, da waren es zwei Moderatoren, da wurde es auch sachlich, da hat man auch mehr erfahren. Da hätte man sich natürlich gewünscht, dass Frau Merkel und Herr Steinmeier dabei gewesen wären, dann hätte man ja mal klären können: Warum ist jetzt der Herr Westerwelle der bessere Partner, der bessere Koalitionspartner für Frau Merkel und warum ist es nicht Herr Steinmeier? Das hätte man dann faktenmäßig herausarbeiten können und sicher hätte Herr Steinmeier dann auch mal klarstellen müssen, was ihn außer Afghanistan und EU-Politik in seinen sozialen Forderungen nun so grundsätzlich von den Linken unterscheidet. Und Frank Plasberg, da waren fünf Generalsekretäre – oder Geschäftsführerin halt, Frau Lemke bei den Grünen ja – und ein Moderator, und das war die interessanteste Sendung. Man sieht: Es geht, man muss sich nur daran erinnern, wie man gutes Fernsehen macht.