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"Garantie auf eine Ausbildung" schaffen

Die Kooperation von Deutschland und Frankreich im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit ist ein Schritt nach vorn, sagt die Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter (Grüne). Die vereinbarten Maßnahmen könnten auch für ganz Europa sinnvoll sein.

Elisabeth Schroedter im Gespräch mit Silvia Engels | 29.05.2013
    Silvia Engels: Haben Deutschland und Frankreich ihrer Ansicht nach irgendwas substanziell Neues zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa verabschiedet?

    Elisabeth Schroedter: Nein, nicht wirklich was Neues, aber sie haben die vorhandenen Initiativen zusammengefasst und haben den politischen Willen bekundet, diese Initiativen auch wirklich zu starten. Und das ist immerhin schon viel wert.

    Engels: Die Vorschlagsliste der deutschen und französischen Politiker heute sieht unter anderem vor: Kredite für kleine Unternehmen, damit sie ausbilden und einstellen, Sprachkurse für Lehrlinge, Förderung der dualen Ausbildung nach deutschem Modell, also Ausbildung und Schule gleichzeitig – wird das nicht alles schon jetzt gefördert, national und europäisch?

    Schroedter: Es kann jetzt bereits europäisch und national gefördert werden, aber oft fließen die Fördergelder in andere Bereiche, und deswegen ist der politische Wille wichtig zu bekunden, dass sie nun auch in diese Bereiche fallen. Also es werden Unternehmen gefördert, ohne dass vorher festgelegt ist, dass sie Ausbildungsplätze schaffen im Rahmen der Förderung oder im Rahmen der Kreditvergabe. Ich finde eine solche Bindung hervorragend, das ist wirklich ein Schritt nach vorn, der auch jetzt möglich wäre, aber der jetzt nicht gemacht wird, und insofern ist das wichtig. Und ich fände, der sollte grundsätzlich gemacht werden, nicht nur für diese Länder, die so was jetzt dringend brauchen, sondern man könnte das grundsätzlich machen und damit Jugendlichen eine Garantie auf eine Ausbildung auch gewähren.

    Engels: Aber können Deutschland und Frankreich hier alleine Änderungen tatsächlich voranbringen, oder bleibt das dann, weil man die Abstimmung unter den gesamten Gruppen der europäischen Staaten braucht, wieder nur eine Absichtserklärung?

    Schroedter: Also Sie können das in den gemeinsamen Rat einbringen, und auch dort ist es ein Beschluss des Rates, machen müssen das die einzelnen Mitgliedsstaaten für sich. Dort, wo europäische Gelder hineinfließen, können bestimmte Bedingungen gestellt werden, zum Beispiel könnte die europäische Investitionsbank eben sagen, wir fördern nur die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen und Ausbildungsplätze für Jugendliche zur Verfügung stellen, das wäre eine Möglichkeit, die alle Mitgliedsstaaten beschließen können, und ich fände das sehr gut, wenn das in diese Richtung vorankäme. Aber viele Dinge in dem Bereich, wie zum Beispiel das duale Ausbildungssystem in die Länder bringen, das wird auch gefördert, wir nennen das Best-Practice-Austausch. Da ist es so, dass eben Spanien und Deutschland und Spanien und Griechenland zusammen das beschließen müssen und das dann machen müssen. Das ist eine Sache, die zwischen den beiden dann stattfindet. Man kann das europäisch bekunden, aber praktisch wird es in den Mitgliedsstaaten umgesetzt. Wir wollen diesen dezentralen Ansatz natürlich auch, weil nur das macht Sinn, nur dann, wenn es vor Ort umgesetzt wird, machen natürlich auch europäische Initiativen einen Sinn, also die europäischen Initiativen sind ein Anstoß.

    Engels: Sie überblicken ja mit Ihrer Erfahrung die Umsetzung europäischer Projekte. Wie lang dauert es denn erfahrungsgemäß, bis beschlossene Projekte der EU wie jetzt zur Jugendarbeitslosigkeit tatsächlich auf Arbeitsmärkten Wirkung entfalten?

    Schroedter: Die Wirkung dauert sicher etwas länger, aber den Einsatz, den kann man sofort machen. Wir können auch vorhandene Programme genau in diese Richtung umschichten. Das kann sofort passieren und das kann in diesem Jahr noch passieren, und das hilft natürlich auch, die Brücke zu schlagen, bis die neue Verordnung dann auch Gelder in die Projekte fließen lässt. Das heißt, Sie haben auch eine Brücke von zwei Jahren zwischen den beiden Verordnungsphasen, und deswegen können diese Entscheidungen auch für die alten Verordnungsgelder bereits jetzt getroffen werden. Das ist allerdings auch wieder eine nationale Angelegenheit. Der Unterschied ist, dass wir jetzt in der neuen Verordnung europäische Rahmenbedingungen setzen, wie die sechs Milliarden Euro für die Jugendarbeitslosigkeit speziell festgelegt, zweckgebunden oder wie diese Vorschläge, die jetzt vorsichtig genannt werden, wo es aber noch nicht konkrete Möglichkeiten in Verordnungen gibt, wo ich auch gespannt bin, ob sich das jetzt noch durchsetzt.

    Engels: Wie steht es denn in diesem Zusammenhang bei diesen sechs Milliarden, die speziell zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit fließen sollen, mit der Pflicht zur Kofinanzierung? Das ist ja diese EU-Regel, dass die Hilfen erst dann fließen, wenn die Empfängerländer selbst einen Anteil übernehmen, was für Defizitländer wie Griechenland oder Spanien natürlich schwierig ist.

    Schroedter: Ja, die Kofinanzierung ist in jedem Fall notwendig, das ist grundsätzliche europäische Finanzregel, weil die europäischen Hilfen nicht Dinge in den Mitgliedsstaaten ersetzen, sondern nur ergänzen. Und ich möchte an dem auch vom Prinzip festhalten. Aber für die Krisenländer gibt es einen sehr hohen EU-Anteil, der ist gegenüber ihrem normalen Anteil noch mal zehn Prozentpunkte höher, das heißt, die kommen je nach Region, in welche Kategorie die Regionen fallen, auf 80 bis 85 Prozent des EU-Anteils, und das ist schon eine Menge. Das heißt, der Teil, den Sie selber beisteuern, ist fast symbolisch. Insofern werden wir da dem gerecht, aber grundsätzlich, eine Kofinanzierung heißt auch, dass ich einen politischen Willen im Land bilde, dass ich das fördere und nicht nur Mitnahmeeffekte von EU-Geldern produziere.


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