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Gastrosexueller Mann
Kochen macht sexy und steigert die Libido

Supersanfte Karotten und das perfekte Steak - die meisten Männer interessieren sich dafür und kochen selbst. Männer, die in der Küche ihren Mann stehen, sich mit oralen Texturen beschäftigen, wissen nach einem guten Essen, was sie mit Frauen anzustellen haben, behauptet Carsten Otte, Autor des Buches "Der gastrosexuelle Mann. Kochen als Leidenschaft."

Carsten Otte im Gespräch mit Sandra Hoffmann | 23.02.2015
    Verschiedene Speisen und Kräuter stehen auf einem Küchentisch.
    Man erinnere sich nur an den Spruch "Liebe geht durch den Magen", sagt der Autor des Buches, "Gastrosexueller Mann. Kochen aus Leidenschaft." (Über den Tellerrand kochen)
    Sandra Hoffmann: Was tut ein Mann, der sich als Gastrosexueller versteht?
    Carsten Otte: Der verbringt seine Freizeit, und es geht ja hier um Leute, die nicht professionell kochen, - Das sind Leute, die ihre Freizeit hauptsächlich in der Küche verbringen, eben nicht im Hobbykeller oder auf dem Schießstand oder im Kegelverein: nein, Kochen ist das Gebot der Stunde.
    Hoffmann: Und was ist das Erotische oder das Sexuelle am Kochen?
    Im Grunde genommen geht es bei dem Begriff Gastorsexualität, den man ja in zwei Teile zerlegen kann, Gastro, wo all diese Jungs sich orientieren an der Gastronomie, an den Profis, Sexualität, da geht es um eine Sexualität, die auf zwei Ebenen abläuft: zunächst einmal geht es um diese Oralerotik: wenn wir Schäume produzieren, ganz sanfte Emulsionen, dann ist das in der Tat erotisch, wenn die Sachen auf der Zunge zergehen, aber das wäre natürlich ein bisschen kurz gedacht, ich spreche ja hier nicht von Gastroerotik sondern von Gastrosexualität. Tatsächlich ist es heute so, dass wenn ich auf eine Party gehe und lerne eine Frau, einen Typen, wen auch immer kennen, und ich erzähle dann: ich koche zuhause das und dies, und ich stelle das mit meinem Kombidämpfer an und mit meinem Sous-Vide-Gerät usw. supersanfte Karotten und das perfekte Steak, die meisten interessieren sich dafür. Und wenn ich davon erzähle, dass ich Tennis spiele, interessiert sich dafür kein Mensch. Da hat sich was getan in unserer Gesellschaft. Das heißt, um mögliche Partner kennenzulernen ist dieses Kochthema enorm wichtig geworden. Beim ersten Date die Angebetete gleich mal bekochen zu können ist ein enormer Vorteil. Und da spielt dann die Sexualität, prospektiv, eine wichtige Rolle!
    Hoffmann: Das finde ich interessant, weil ich mich natürlich frage, ob gastrosexuelle Männer die besseren Liebhaber sind, oder ob nicht der ganze Kochsex die Libido schon befriedigt?
    Ich behaupte das einfach mal keck
    Otte: Also ich würde sagen, natürlich alles mit einem Augenzwinkern formuliert, das gehört unbedingt zusammen, und etwas keck formuliert, würde ich sagen: jemand der sich so viele Gedanken macht eben um diese oralen Texturen, um diesen großen Genuss, der wird auch nach dem Essen wissen, was er dann anzustellen hat. Das kann ich natürlich nicht beweisen, ich behaupte das einfach mal keck, aber tatsächlich ist es so, dass sinnenfrohe Menschen, und das ist natürlich ein ganz alte Weisheit, man erinnere sich nur an den Spruch, Liebe geht durch den Magen, dass Menschen, die eben sinnenfroh sind, das nicht nur auf das Essen beziehen, sondern im Grunde genommen auf alle Bereiche des Lebens.
    Hoffmann: In Ihrem Buch kommen ja wahnsinnig viele Maschinen vor, und Messer, wo man denkt, Teufel, was ist das denn? Und auch als Frau, die kocht, wundert man sich doch sehr und fragt sich: warum brauchen Männer mehr Maschinen zum Kochen als Frauen?
    Otte: Grundsätzlich ist es so: wenn Männer etwas tun, dann tun sie es richtig. Beispiel: ich möchte ein Eis herstellen, ich kann das auf sehr klassische Weise machen, indem ich so eine indirekte sich drehende Rührmaschine habe, die dann eine Masse in zwei, drei Stunden zu Eis kühlt. Ja, schön. Aber wenn ich jetzt zum Beispiel einen Nachtisch haben möchte mit drei verschiedenen Sorbets, also mehr oder weniger gleichzeitig, und es soll eben keine Tiefkühlfertigprodukteisgeschichte sein, sondern etwas Frisches, also drei frische Sorbets oder drei frische Cremeeis, dann brauche ich ein bestimmtes Gerät dafür, das nämlich auf den Punkt diese drei Sorten Eis herstellt. Die Geräte an sich sind kein Selbstzweck, es geht immer darum ein Gericht, ein Element auf dem Teller zu verbessern. Man kann auch sagen, wenn man nicht kochen kann, dann kann man mit diesen Geräten auch gar nichts anfangen. Aber es gibt ganz bestimmte Geräte, die ganz bestimmte Dinge tun können und das ist natürlich eine große Freude. Ein anderes Beispiel, ich hab eine Saftpresse, mit der ich nicht nur Saft pressen kann, sondern auch Chlorophyllhaltiges. Ich kann da zum Beispiel Salat pressen und Salatsaft herstellen, damit mach ich dann ganz tolle Saucen, zum Beispiel ne Feldsalatsauce, passt hervorragend zu Fisch, das kann ich mit ganz normalen Geräten nicht machen. Aber weil ich eben umfassend kochen möchte, und wirkliche Geschmackserlebnisse auch auf den Teller zaubern möchte, brauche ich ganz gewisse Geräte. Aber ich kann auch ganz ohne Geräte kochen, wenn ich im Urlaub bin und habe nur zwei Messer dabei, die nehme ich allerdings von Zuhause mit, denn die Messer sind in der Tat wichtig, ich hasse stumpfe Messer, das muss schon schneiden können, deshalb habe ich so zwei Messer, auch selbst wenn ich auf dem Campingplatz unterwegs bin, aber gute Hobbyköche zeigen ihr Können auch dann, wenn sie ganz ohne Geräte kochen.
    Immer weniger Frauen wollen kochen
    Otte: Mit dem Messerthema fängt es an, denn oft ist es so, dass die Leute diesem Thema zunächst einmal ein bisschen skeptisch gegenüberstehen, weil sie vielleicht auch denken, das ist so eine Folgeentwicklung des metrosexuellen Mannes, und dann kommen so Assoziationen, Uhh, ich bin ja gar keine Tunte, aber dann interessieren sie sich doch für das Messer, weil das irgendetwas archaisches ist, und dann kommt der nächste Schritt, wenn der Messerpark erst einmal bestellt ist, dann vielleicht doch einen etwas ambitionierteren Grill oder vielleicht doch ein Wasserbad usw. usw. also die Messerfrage ist der Einstieg, ich würde übrigens behaupten, alles läuft ja immer auf diese Geschlechterfrage zu, kurios ist, dass immer weniger Frauen kochen wollen, sie sind berufstätig, sie sind, könnte man sagen, auf den Krisen-Herden der Welt unterwegs, und die Privatküchen interessieren nicht so sehr, mehr, und in diese Nische sind diese Männer hineingeraten, weil ihre alten Hobbys, siehe Märklin-Eisenbahn aus der Mode geraten sind. Ich find das gut, weil dadurch verdrehen sich die Geschlechterverhältnisse, heißt aber nicht, dass es nicht weiterhin Frauen gibt, die ganz gut kochen können.
    Hoffmann: Gibt es auch gastrosexuelle Frauen?
    Otte: Ahh, bestimmt, aber sie sind definitiv in der Minderheit. Ich habe umfassend recherchiert und es sind mir ein paar Frauen untergekommen, die mit denselben Spleens, mit denselben Ambitionen in die Küche gehen. Die meisten Frauen, die kochen, kümmern sich um die Ernährung, und das ist auch gut so. Aber ich würde sagen, auch das ändert sich: ich hab zum Beispiel auch, und das ist für mich eine Selbstverständlichkeit, die Breis für meine Tochter zusammengerührt und ich kümmere mich mittlerweile auch um die Alltagsküche. Das wird sich schrittweise ändern, bislang ist es allerdings noch so: die Jungs sind zuständig für die große Show und die Frauen kümmern sich eher so um die Alltagsküche, ich glaub aber, dass sich das mittelfristig ändern wird.
    Das ist eine moderne Entwicklung
    Hoffmann: Ich habe mich beim Lesen gefragt, ob der Mann nicht schon immer eine latente Neigung zur Gastrosexualität hatte, weil er als Ernährer der Familie definiert ist, und das nun jetzt einfach eine moderne Entwicklung ist.
    Otte: Ich glaub das auch: diese Entwicklung kommt nicht aus dem Nichts, die ist tief angelegt, man kann da wahrscheinlich in die Steinzeit zurückgehen, das ist mir ein bisschen zu weit ausgeholt, tatsächlich ist es aber so, dass wenn man die letzten fünfzig bis sechzig Jahre ansieht, wie der Mann die Küche langsam erobert hat, der hat sich zuerst einmal der authentischen Toskana-Küche aufgeschlossen gegenüber gezeigt, dann haben die Typen Pasta selbstgemacht, dann ging es Schritt für Schritt weiter, dann hat er natürlich auch diese ganz bestimmten Technikgeschichten auch ausleben können, zu dem Zeitpunkt, an dem diese Techniken aus der Profigastronomie langsam in die Privathaushalte gekommen sind, aber das ist eine lange Entwicklung, aber der Mann ist, und das ist definitiv so, prädestiniert fürs Kochen, das ist die Technikbegeisterung, das ist die Begeisterung für die Grundlagen, für auch das Experimentelle, und wenn man noch weiter zurückgeht, der Mann als Ernährer zu Ende gedacht, der jetzt auch das Essen auf den Tisch bringt, großartig!
    Hoffmann: Warum sind Männer, die kochen angesehener als solche, die zum Beispiel in ihrem Hobbykeller die Fahrräder der Familie aufpimpen?
    Otte: Wenn sie die Fahrräder aufpimpen ist ja alles gut, aber wenn sie stundenlang ihr Auto waschen oder am Motorrad herumfrickeln, dann ist das eigentlich eine ziemlich autistische Angelegenheit. Männer, die kochen, machen das in der Gesellschaft, in der Gemeinschaft, sie sind Teil der Familie und sie leben ihr Hobby in der Familie mit Freunden aus, und das ist ein unglaublicher Vorteil, und ein unglaublicher Prestigegewinn!
    Hoffmann: Ist "Der gastrosexuelle Mann" ein Männerbuch oder eher ein Männerversteherbuch für Frauen?
    Otte: Ich würde ja behaupten, es ist ein Männerversteherbuch für Frauen. Weil die Männer, die kochen, die wissen das eh so. Die Männer, die kochen und diesen Text lesen, die schmunzeln und sagen: naja, bei mir ist es genauso. Und viele Frauen wundern sich: was ist eigentlich mit meinem Typ los, warum verbringt er jetzt Stunden in der Küche? In dem Buch steht, warum er es tut.
    Carsten Otte: Der gastrosexuelle Mann. Kochen als Leidenschaft (Campus Verlag)