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Geändertes Atomgesetz
Kabinett beschließt Entschädigung für Atomkonzerne

Bis Ende Juni soll das geänderte Atomgesetz in Kraft treten: dadurch bekommen Atomkonzerne für ihre Reststrommengen einen finanziellen Ausgleich - aus der Steuerkasse. Konkret geht es bisher um die Konzerne RWE und Vattenfall. Wie hoch die Auszahlungen sein werden, das steht noch nicht fest.

Von Nadine Lindner | 23.05.2018
    Wasserdampf steigt aus dem belgischen Atomkraftwerk Tihange
    Der Atommeiler in Mülheim-Kärlich ist einer, der Anspruch auf die Entschädigung haben wird. (picture alliance/ dpa/ Oliver Berg)
    Das Gesetz ist ein weiterer Baustein in der Abwicklung des deutschen Atomzeitalters. Das Bundeskabinett hat heute die Entschädigung für Atomkonzerne aus der Steuerkasse auf den Weg gebracht. Die entscheidende Frage bleibt aber offen – wie teuer es am Ende wird. Es kursieren Schätzungen, die von einem dreistelligen Millionenbetrag ausgehen. Das Umweltministerium wollte das nicht bestätigen und gab sich heute, trotz mehrfacher Nachfrage wortkarg:
    "Ich bleibe dabei, ich kann ihnen heute keine konkrete Zahl nennen."
    Die Konzerne bekommen Geld, weil sich bestimmte Investitionen nach dem überstürzten Atomausstieg 2011 nicht mehr gerechnet haben, das sind die sogenannten "frustrierten Investitionen." Der Sprecher des Umweltministeriums zu den Berechnungsgrundlagen für die Entschädigungen:
    "Die frustrierte Investition und die mögliche Reststrommenge, die weggefallen ist, die betrachtet man, anhand der gängigen Marktpreislage und berechnet anhand dessen einen Ausgleich."
    Dieser Ausgleich steht erst im Jahr 2023 nach Abschaltung des letzten Atommeilers fest. Dann weiß man, wie groß die zu entschädigende Reststrommenge ist. Die Entschädigungen wurden notwendig, weil die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung im Frühjahr 2011 nach dem Unglück von Fukushima ruckartig den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hatte – obwohl sie nur wenige Monate vorher – 2010 - den Konzernen größere Reststrommengen versprochen und die Laufzeiten der AKW verlängert hatte. Die Konzerne klagten vor dem Bundesverfassungsgericht. Regierungssprecher Steffen Seibert:
    "Der heutige Gesetzentwurf beseitigt also nun, die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Beanstandungen, in dem er einen angemessenen finanziellen Ausgleich regelt."
    Randinteressen der Konzerne
    Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom Dezember 2016 den Atomausstieg im Grundsatz bestätigt, aber gleichzeitig gesagt, dass Randinteressen der Konzerne betroffen sind – und diese Recht auf Entschädigung haben. Konkret geht es um die Konzerne RWE und Vattenfall, sie sitzen wegen Mülheim-Kärlich und Krümmel auf den größten Reststrommengen. Eon hingegen kann seine Reststrommengen noch auf andere eigene Kraftwerke verteilen, Enbw hatte nicht geklagt.
    Die Reaktionen auf das Gesetz sind durchaus gemischt. Kritik kommt vom Energiekonzern Vattenfall, der über seine Anwaltskanzlei in einem elfseitigen Schreiben mitteilte, dass das Gesetz die Argumentation der Verfassungsrichter missachte sowie die Zinsentwicklung vergesse. Heinz Smital, Atom-Experte bei Greenpeace findet das Gesetz dagegen im Grundsatz gut, weil:
    "Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, man muss nicht die maximalen Gewinnforderungen erfüllen. Sondern es geht um eine angemessene Entschädigung, keineswegs um die Gewinnerwartung der Konzerne."
    Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock sieht in der ARD die Schuld bei der damaligen schwarz-gelben Regierung und ihrem - wie sie sagt - Schlingerkurs:
    "Weil man eben den rot-grünen Atomausstieg, der rechtssicher war, gekippt hat. Und diese fatale Entscheidung damals von Angela Merkel, die rächt sich jetzt, die müssen jetzt teuer die Steuerzahler bezahlen."
    Die Kabinettsentscheidung liegt vor, jetzt ist das Parlament am Zug. Das geänderte Atomgesetz, so will es Karlsruhe – soll bis Ende Juni in Kraft treten.