Archiv

Gefecht am Golan
Schlagabtausch zwischen Hisbollah und Israel

Nach dem Angriff auf ein israelisches Militärfahrzeug und Gefechten an der israelisch-libanesischen Grenze hat sich die Lage zwischen Israel und der Hisbollah offenbar vorerst beruhigt. Beide Seiten haben kein Interesse an einer weiteren Eskalation. In Israel wird nun darüber diskutiert, welche Absichten die Hisbollah verfolgt.

Von Christian Wagner |
    Israelische Truppe auf den Golanhöhen (29.04.2010)
    Auf den Golanhöhen kommt es immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Libanon. (dpa / picture-alliance / Atef Safadi)
    Es ist der schwerste Zwischenfall an der israelisch-libanesischen Grenze seit neun Jahren: Ministerpräsident Netanjahu kündigt eine harte Reaktion an. Gleichzeitig versucht er, den Hintergrund auszuleuchten:
    "Hinter diesem Angriff aus dem Libanon steht der Iran. Eben dieser Iran, der jetzt versucht mithilfe der Veto-Mächte ein Abkommen zu erreichen, unter dem er weiter Atomwaffen entwickeln kann. Wir sind strikt gegen so ein Abkommen. Und wir werden uns weiterhin vor jeder Bedrohung verteidigen."
    Konflikt möglichst begrenzen
    Der Iran also ist der eigentliche Gegner, die Schutzmacht der Hisbollah. Trotz der vollmundigen Erklärungen der israelischen Politiker tut das israelische Militär aber das gleiche wie die Hisbollah auf der anderen Seite des Grenzzauns: Den Konflikt möglichst begrenzen. Schließlich hat sich die Hisbollah keine Zivilisten angegriffen, sich auf das unmittelbare Grenzgebiet beschränkt und keine Raketen eingesetzt.
    Vorangegangen war ein - von Israel nicht bestätigter - Luftangriff in Syrien vor knapp zwei Wochen, mehrere Hisbollah-Kämpfer und ein iranischer General wurden getötet.
    Gegenseitige Abschreckung ist das wichtigste Ziel der israelischen Militärs wie auch der Hisbollah. Die Miliz droht Israel nicht mehr nur vom Libanon aus mit Raketen, sie spielt im Bürgerkrieg des Nachbarlands Syrien - an der Seite des Assad-Regimes - eine große Rolle. Viel wird deshalb in Israel darüber diskutiert, welche Absichten die Hisbollah verfolgt: Ging es allein um Vergeltung, was kann man aus den Ereignissen herauslesen? Der Nahost-Forscher Eyal Zisser von der Universität Tel Aviv sieht es so:
    "Die Botschaft aus dem Libanon ist ja, dass sich die Hisbollah mit diesem Unentschieden zufriedengeben wird. Israel hat zwar einen schweren Schlag hinnehmen müssen aber die Hisbollah hatte einen nicht weniger schweren Schlag erlitten. Die Botschaft ist, die Hisbollah wird an den Golan-Höhen zu Israel keine zweite Front aufmachen. Das sehen wir am Ort der Attacke: Von dort wurden weder der Golan noch das libanesische Hinterland getroffen."
    Schlag und Gegenschlag
    Die Hisbollah wählte für ihren Vergeltungsanschlag ein Territorium, um das der Libanon und Syrien streiten. Das Kalkül: Israels Militär muss sich nicht gezwungen sehen, den Libanon als Schauplatz militärischer Gegenschläge mit einzubeziehen. Das liegt auch im Interesse des Iran. Es soll ruhig bleiben im Libanon, damit die innenpolitische Aussöhnung vorankommt. So will der Iran seinen Einfluss sichern.
    Und mit Blick auf die Hisbollah in Syrien schreibt etwa die israelische Tageszeitung Yedioth Ahronot, es sei nicht unbedingt schlecht aus israelischer Sicht, wenn die schiitische Miliz dort auf Geheiß der Iraner ihren Machtbereich ausweitet. Immerhin würden andere Gruppierungen wie die Al-Nusra-Front klein gehalten. Israels Militär sei schlecht beraten, die Hisbollah weiter unter Druck zu setzen.
    Wirkung der eigenen Abschreckung
    Einen gewissen Schutz vor einer Eskalation an Israels Grenzen zu Syrien und dem Libanon könnten die gegenwärtigen weltpolitischen Interessen des Iran bieten: Das Regime bemüht sich intensiv darum, dass ein Abkommen zu seinem Atomprogramm zustande kommt und so die die internationalen Strafmaßnahmen gelockert werden. Der Politikwissenschaftler Yehuda Balanga von der Bar-Ilan-Universität warnt, Israel dürfe sich deswegen aber nicht in falscher Sicherheit wiegen:
    "Der Iran ist ja im Dialog mit den Amerikanern. Einen Abbruch werden sie nicht riskieren wollen. Aber der Iran muss auf den Tod seines Generals in Syrien noch reagieren. Deshalb muss die Alarmbereitschaft an der Grenze zu Syrien und dem Libanon hoch bleiben. Erst in den kommenden Tagen werden wir sehen, ob die Iraner die Auseinandersetzung suchen oder die Lage ruhig halten."
    Die eigentliche Gefahr, schreibt die israelische Tageszeitung Haaretz, bestehe darin, dass Israels Militär die Lage falsch interpretiere. Im vergangenen Sommer hätten schließlich weder Israel noch die Hamas einen Gaza-Krieg gewollt. Aber keine Seite habe der Wirkung der eigenen Abschreckung vertraut, und so kam es dann doch zum Krieg. An Israels Nordgrenzen reicht nach dieser Woche aber auch ein Querschläger, ein unabsichtlicher Beschuss, um die Lage außer Kontrolle geraten zu lassen. Auch wenn weder Israel, noch der Iran, noch die Hisbollah in Syrien und dem Libanon ein Interesse daran hat.