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Genfer Autosalon
Schadstoffarm trotz vieler PS

Große, leistungsstarke Autos können nicht umweltschonend sein - so die Annahme. Auf dem Genfer Autosalon wurden jetzt jedoch PS-starke Modelle vorgestellt, die nur wenig CO2-Ausstoß haben. Umweltverbände bleiben jedoch skeptisch.

Von Thomas Wagner | 04.03.2015
    Dieselrauch kommt aus einem Auspuff eines Kleintransporters in Frankfurt (Oder) (Brandenburg), aufgenommen am 23.02.2013.
    Viele große Autos blasen zu viel Schadstoffe in die Luft - das soll sich ändern. (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
    "Bremsen denn die großen Autos den Kampf gegen CO2?"
    Rupert Stadler, Vorstandschef der Audi AG, gibt die Antwort gleich selbst: Auch große Autos können nach seiner Meinung sparsam sein - und schadstoffarm. Das zeige sich am neue Geländewagen Q 7 Etron, den er auf dem Genfer Autosalon vorstellt. Der Durchschnittsverbrauch auf 100 Kilometer:
    "Das sind sensationelle 1,7 Liter. Und damit sinkt der CO2-Emissionswert unter 50 Gramm pro Kilometer."
    Das entspricht gerade mal der Hälfte jenes Durchschnitts-Grenzwertes, den die Europäische Union für die Neuwagenflotte einer Marke vorgibt, allerdings erst ab 2020. Fahrzeuge, auch große, die diese Vorgaben jetzt schon unterschreiten, finden die Besucher auf dem Genfer Messegelände bei allen großen Anbietern - selbst bei solchen, wo man sie am allerwenigsten vermutet. Wolfgang Hatz ist Entwicklungsvorstand bei der Porsche AG, einem Anbieter, dessen Produkte eher durch lauten Sound und viel PS unter der Haube als durch niedrige Emissionswerte bekannt sind. Aber: Hatz spricht ganz stolz über zwei neue Geländewagenmodelle:
    "Beide mit Verbrauchswerten von unter 75 Gramm. Und haben auch den neuen 18-Spider, wo auch Verbräuche von drei Litern mit einer sehr hohen System- und Fahrleistung kombiniert wird."
    Zauberwort "Plug-In"-Hybrid
    Es ist also doch möglich: Fahrzeuge entwickeln, die schnell und spritzig unterwegs sind - und die dennoch wenig CO2 aus dem Auspuff blasen. Das ist insofern verwunderlich, als dass sich vor allem Deutschland innerhalb der Europäischen Union bis zuletzt gesträubt hatte, die neuen CO-2-Grenzwerte zu akzeptieren, die ab 2020 bei einem maximalen Durchschnitts-Ausstoß von 95 Gramm liegen, bezogen auf alle im Jahr verkauften Neuwagen einer Fahrzeugmarke. Die Umsetzung sei gerade für deutsche Hersteller mit seinen großvolumigen und PS-starken Fahrzeugen besonders schwierig umsetzbar, lautete das Argument der Bundesregierung, mit dem die Einführung der neuen Grenzwerte sogar verschoben worden war. Kaum waren sie aber dennoch beschlossen, zog auch die deutsche Automobilindustrie mit entsprechenden Technologien mit. Das 'Zauberwort' heißt. "Plug-In"-Hybrid. Wolfgang Hatz, Entwicklungsvorstand der Porsche AG:
    "Wir haben dort eine Kombination von sehr leistungsstarken Verbrennungsmotoren mit sehr starken E-Maschinen. Also, Sie können sowohl die Fahrzeuge rein elektrisch fahren, aber genauso innerstädtisch rein elektrisch fahren. Innerstädtisch kann man mit diesen Fahrzeugen rein elektrisch fahren. Lokal also absolut emissionsfrei."
    Tatsächlich erreichen solche Fahrzeuge mit mehreren hundert PS durch die Kombination von elektrischem Antrieb und Verbrennungsmotor niedrige Emissionswerte - zumindest mal rein rechnerisch. Und genau darin besteht der größte Einwand gegen die dicken Autos mit dem niedrigen CO-2-Ausstoß: Unberücksichtigt bleibt nämlich, wie häufig die Verbraucher im realen Fahr-Alltag tatsächlich elektrisch fahren und wie häufig sie doch noch auf's Gaspedal des Verbrennungsmotors drücken. Dorothee Saar ist Referentin für Verkehr und Luftreinhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe in Berlin:
    "Wenn wir mal dieses Porsche-Fahrzeug nehmen, und der kommt auf 50 Gramm. Das heißt: Das ist ein Mischwert, der aus dem elektrischen Antrieb und dem Verbrennungsmotor kommt. Ich würde jetzt aber mal unterstellen, dass das Fahrzeug überwiegend im Verbrennungsmotor fährt. Und dann müsste man mal genau anschauen: Wie hoch sind die Emissionen denn da? Wie hoch sind sie im Zulassungsverfahren? Und wie hoch sind sie auf der Straße? "
    CO-2-Grenzwerte der EU beeinflussen Hersteller
    Dann, glaubt Dorothee Saar, gehen die rechnerisch niedrigen CO-2-Grenzwerte ganz schnell wieder in die Höhe. Zum Zweiten hat sie ein Problem damit, dass der elektrische Teil des Antriebes bei der Grenzwert-Berechnung mit Null angesetzt wird.
    "Der elektrische Antrieb wird mit Null gerechnet, was meiner Ansicht nach nicht richtig ist. Weil: Man müsste natürlich den Strommix zugrunde legen, der an den Ladesäulen zur Verfügung steht. Und dann entstehen die CO-2-Emissionen nicht am Auspuff, sondern an anderer Stelle. Und das ist nicht Null."
    Dennoch gesteht die Umweltexpertin auch den Herstellern PS-starker Autos zu, enorme Anstrengungen zur CO-2-Reduktion unternommen zu haben, mögen die Grenzwerte im Straßenverkehrs-Alltag auch höher ausfallen als angegeben. Und das sei ein Beleg dafür, dass die neuen, niedrigeren CO-2-Grenzwerte der EU bereits jetzt die Modellpaletten der Hersteller entscheidend beeinflussen - in einem Ausmaß, das viele überrascht. Philipp Walser vom Schweizerischen Verband "e-Mobile" zeigt seinen Besuchern am Genfer Messestand eine große Liste:
    "Wir nennen sie die Greencard-Liste mit Fahrzeugen mit Grenzwerten von 95 Gramm CO2 und weniger. Und die Liste hat sich in den letzten drei Jahren verdreifacht. Also das sind die Fahrzeuge, die hier ausgestellt sind, und die jetzt schon 95 Gramm CO 2 ausstoßen."
    Dies wertet Walser als Beleg dafür, dass die abgesenkten CO-2-Grenzwerte der EU, die in modifizierter Form auch für Schweizer Auto-Importeure gelten, ein sinnvoller Schritt zur Schadstoffreduzierung sind. Bleibt die Frage, warum die Hersteller nicht den viel einfacheren Weg gehen - und von vornherein keine Autos mehr mit großvolumigen Motoren mehr bauen. Das wäre für Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz keine Alternative. Autofahren habe mit Emotion und ab und an auch mit Gasgeben zu tun, gerade in Deutschland. Die Zukunft liege daher nicht im langsamen Auto mit wenig Emissionen, sondern im schadstoffarmen Fahrzeug,
    "...ohne dass die Sportlichkeit verloren geht, aber eben auch sehr nachhaltig und mit günstigen Verbrauchs- und CO-2-Werten."