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"Geradezu grotesk"

Wegen des Verwaltungsstillstands der USA liegen auch die Gespräche über ein transatlantisches Handelsabkommen auf Eis. Für den CDU-Europapolitiker Daniel Caspary wäre das Scheitern des Freihandelsabkommen eine "Katastrophe".

Daniel Caspary im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Es gibt noch eine weitere Folge des Haushaltnotstands: Die USA mussten die für nächste Woche geplanten Gespräche mit den Europäern über ein Freihandelsabkommen absagen. Der US-Handelsbeauftragte Froman erklärte, Washington sei wegen der Budgeteinschränkungen auf Bundesebene nicht in der Lage, ein Verhandlungsteam nach Brüssel zu entsenden. Am Telefon ist Daniel Caspary, er sitzt für die CDU im Europäischen Parlament und ist dort Mitglied im Ausschuss für internationalen Handel. Guten Tag, Herr Caspary!

    Daniel Caspary: Guten Tag!

    Engels: Wie schädlich ist diese Absage des Verhandlungstermins über das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA?

    Caspary: Ich glaube, es ist äußerst schade. Schade deshalb, weil wir uns wirklich gut vorbereitet hatten für die nächste Runde und große Erwartungen hatten – die erste Runde war sehr erfolgreich. Aber auf der anderen Seite: Es ist ja nicht so, dass hier politisch abgesagt wird, sondern es wird wohl wirklich technisch finanziell abgesagt. Die Weltmacht USA ist nicht in der Lage, einen ordentlichen Haushalt aufzustellen, und deswegen gibt es schlicht kein Geld, um die Verhandler von Washington nach Brüssel zu schicken.

    Engels: Könnte denn jetzt über diese technische Panne trotzdem der gesamte ambitionierte Plan einer Freihandelszone erst mal auf die lange Bank geraten?

    Caspary: Das wäre eine Katastrophe. Ich wünsche mir, in unser aller Interesse, dass es in den USA sehr schnell eine Einigung auf einen Haushalt gibt. Es geht ja nicht nur um die Verhandlungen jetzt, es geht ja um die gesamte Situation in den USA. Das Land ist gelähmt, das kann auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben, und vor allem schwebt ja noch über uns der 17. Oktober, der Tag, an dem die USA keine neuen Schulden mehr machen können. Da stehen ja wirklich Zahlungsausfälle im Raum, und deshalb würde ich mich freuen, wenn erstens die USA dieses Problem schnell lösen und wenn wir zweitens die Verhandlungsrunde möglichst schnell nachholen können. Die europäische Seite ist bereit dazu, und ich wünsche mir wirklich, dass wir dann einen ambitionierten Zeitplan haben, um den verlorenen Zeitraum wieder aufzuholen.

    Engels: Bleiben wir beim Thema Europa: So manchem EU-Parlamentarier ist es ja vielleicht auch ganz recht, dass derzeit über das Freihandelsabkommen nicht weiter gesprochen wird, denn die US-europäische Stimmungslage hat sich ja nach der NSA-Affäre deutlich verschlechtert. Wie nehmen Sie das wahr?

    Caspary: Ja, ich glaube schon, dass, wenn ich am Montag nach Straßburg komme, es doch viele lachende Gesichter geben wird. Wir hatten ja die Kollegen der Linken, der Grünen und der Sozialisten, die am liebsten wegen NSA die Verhandlungsrunden gar nicht erst begonnen hätten, aber ich halte das für einen fatalen Fehler. Wir alle kennen die extrem positiven möglichen Auswirkungen eines solchen Abkommens für unsere Wirtschaft und somit für die Arbeitsplätze in Europa. Die Bertelsmannstiftung hat ja gerade vor wenigen Tagen noch mal eine Studie vorgestellt, die wirklich bestätigt, dass alle Länder in Europa, aber vor allem auch Deutschland von einem solchen Abkommen profitieren können. Und deswegen: Verstimmungen auf der einen Seite, hin und her, ich halte das auch für untragbar, was die Amerikaner im Bereich Datensicherheit und Datenschutz machen, aber auf der anderen Seite müssen wir, glaube ich, wirklich alles unternehmen, um wirtschaftliches Wachstum zu generieren und Arbeitsplätze zu schaffen.

    Engels: Ist schon im Blick, wann die nächste Runde zu diesem Freihandelsabkommen stattfinden kann?

    Caspary: Ich wünsche mir, dass wir sofort, sobald es in den USA wieder einen Haushalt gibt, die nächste Verhandlungsrunde machen. Ich wünsche mir, dass auf der europäischen Seite alles dafür getan wird, dass wir schnellstmöglich beginnen können, und ich wünsche mir vor allem, dass in Amerika wieder etwas Besonnenheit reinkommt. Wir diskutieren jetzt seit drei, vier Jahren Eurokrise und was dort die wirkliche Krise ist: In den USA droht ein Zahlungsausfall, dort droht es, dass wirklich Zahlungen, dass Schuldentitel nicht bedient werden können. Und wenn ich dann sehe, dass jetzt in der Schuldenkrise etliche europäische Staaten kurz vor Ramschniveau sind und in den USA wirklich ein Schadensausfall droht, dann glaube ich wirklich, haben wir gerade dringendere Probleme als dieses Freihandelsabkommen. Die USA müssen da endlich in die Gänge kommen, aber sobald es in den USA entschieden ist, brauchen wir das Freihandelsabkommen, weil beide Seiten davon profitieren.

    Engels: Sie sprechen die drohende Erreichung der Schuldenobergrenze der USA an, aber gehen wir noch einen Schritt zurück, schauen wir auf den Alltag des Handels: Derzeit können die US-Außenhandelsbehörden ja kaum arbeiten - welche Bereiche des transatlantischen Handels im Alltag trifft denn das besonders?

    Caspary: Ja gut, es besteht natürlich immer die Gefahr, dass durch den derzeitigen Haushaltsnotstand Zollkontrollen und anderes nicht abgewickelt werden können. Ich hab im Moment keine Beschwerden von europäischen Firmen gehört, und ich wünsche mir im gegenseitigen Interesse, dass all diese Aufgaben zu den Aufgaben gehören, bei denen jetzt nicht gespart wird. Denn machen wir uns nichts vor: Sobald der transatlantische Handelsstrom unterbrochen wird, da reden wir ja über die internationalen Wertschöpfungsketten, das heißt, dass dann Fabriken auf beiden Seiten des Atlantiks nicht mehr arbeiten können. Und der Haushaltsnotstand ist das eine, aber wenn dann auf breiter Front plötzlich bei uns Industrieanlagen stillstehen, weil Zulieferteile nicht mehr abgewickelt werden können, weil der Zoll nicht funktioniert, dann wäre es wirklich eine Katastrophe. Und deswegen hoffe ich, dass die USA hier besonnen sind und auch dafür, die Mitarbeiter hoffentlich in den Büros und an den Arbeitsplätzen belassen.

    Engels: Wie lange kann das denn so gehen, bevor massive Wirtschaftsschäden im Handel auftreten?

    Caspary: Ja gut, überlegen Sie sich, Just-in-time-Lieferungen, die mit dem Flugzeug kommen, da kann es im Zweifel ja wirklich binnen weniger Stunden, spätestens binnen weniger Tage zu Ausfällen kommen. Ich hab, wie gesagt, im Moment noch keine Beschwerden von Unternehmen gehört. Ich hoffe, dass in den USA hier die zuständigen Mitarbeiter wirklich am Arbeiten sind, aber insgesamt halte ich die Situation in den USA für geradezu grotesk. Es ist eine Weltmacht, die ist nicht in der Lage, einen Haushalt aufzustellen. Ich möchte auch gar nicht diskutieren, welche Seiten daran schuld ist, aber ich wünsche mir wirklich, im weltweiten Interesse und im Interesse der USA, dass sie dieses Problem schnell lösen.

    Engels: Sie haben es angesprochen, es ist ein ideologisch geführter Kampf im Kongress, der ja schon seit Jahren die US-Wirtschaft mal an der einen, mal an der anderen Stelle betrifft. Verlieren dadurch mittelfristig die USA ihre wirtschaftliche Vormachtstellung?

    Caspary: Also die Frage ist, glaube ich, grundsätzlich in den USA, sind die USA in der Lage, Reformen zu machen. Die USA stehen ja ähnlich wie viele europäische Staaten vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ich hab den Eindruck, dass während auf der europäischen Seite in Ländern wie Spanien, Portugal, Griechenland, Italien und Frankreich wirklich Reformen langsam, aber sicher angegangen und umgesetzt werden, in den USA noch überhaupt keine Reformen da sind, sondern dass alles über Fiskalpolitik und Geldpolitik im Moment versucht wird zu erledigen, und ich glaube, das ist die große Gefahr. Die USA ist immer noch die weltweit größte Volkswirtschaft, sie ist immer noch dominant in der Weltwirtschaft, und wenn die USA ihre strukturellen Probleme nicht endlich angehen, dann hat das natürlich auch Auswirkungen auf die weltwirtschaftliche Lage. Und angesichts wirklich dieser extremen Zerstrittenheit zwischen Demokraten und Republikanern auf der einen Seite, aber auch innerhalb der Republikanischen Partei mache ich mir da ernsthaft Sorgen, ja.

    Engels: Daniel Caspary, er sitzt für die CDU im Europäischen Parlament, dort Mitglied im Ausschuss für internationalen Handel. Vielen Dank für das Gespräch heute Mittag!

    Caspary: Ich danke Ihnen!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.