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Gewalt gegen Reporter in Venezuela
"Wir sagen nicht, dass wir Journalisten sind"

In Venezuela werden Journalisten immer häufiger Opfer von Gewalt. Gleichzeitig hat die venezolanische Regierung systematisch die Kontrolle über die klassischen Medien übernommen. Wer der staatlichen Propagandamaschine entgehen will, stößt allerdings auch im Internet an Grenzen.

Von Burkhard Birke | 02.04.2019
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Journalisten in Venezuela werden häufig an ihrer Arbeit gehindert (imago/Agencia EFE)
"Wir sagen nicht, dass wir Journalisten sind. Das ist riskant in Venezuela. Wenn du sagst, dass du Journalist bist, ist das ein Blankoscheck für Angriffe."
Die 27-jährige Ana Rodriguez weiß, wovon sie spricht: Eine ganze Nacht wurde die Reporterin des alternativen Internetfernsehkanals VPI festgehalten. Ihr Vergehen: Sie hatte mit ihrem Mann einigen chilenischen Kollegen das abends verwaiste Zentrum von Caracas gezeigt. Als die Chilenen in der Nähe des Präsidentenpalastes Miraflores versuchten, mit einer Gruppe Leute Kontakt aufzunehmen, wurden alle kurzerhand festgenommen.
Gefährliches Arbeiten für Journalisten
"Ich wurde zwei Mal lange verhört. Wir mussten ihnen unsere Handys und die Informationen darauf geben. Den Chilenen ging es noch schlimmer. Zum Teil wurden sie vier Mal verhört, psychisch gefoltert, indem man ihnen mit Fotos ihrer Familien Angst gemacht hat. Es war total schrecklich. Erst um acht Uhr morgens durften wir den Palast verlassen. Draußen erwarteten uns Kollegen seit den frühen Morgenstunden. Die Situation unseres Landes hat dazu geführt, dass wir als Journalisten stärker zusammenhalten", sagt Rodriguez.
Denn Journalisten leben gefährlich in Venezuela. Erst neulich wurde ein polnischer Kollege zusammengeschlagen, ein amerikanischer verhaftet und des Landes verwiesen.
Willkürliche Verhaftungen
Die Situation hat sich gerade in den letzten Wochen mit der Dynamik für Oppositionsführer Juan Guaidó drastisch verschlechtert, berichtet Mariengracia Chirinos, Direktorin am IPYS, dem Institut für Presse und Freiheit in Venezuela. "Im Januar und Februar dieses Jahres sind 24 Journalisten willkürlich verhaftet worden. Im Vergleich dazu hatten wir im gesamten vergangenen Jahr nur 21 Fälle", sagt sie.
Betroffen sind in erster Linie venezolanische Journalisten, aber auch Korrespondenten aus Frankreich, Kolumbien und Spanien sind im Foltergefängnis Helicoide festgehalten worden. Der Reporter Jorge Ramos und sein Team vom mexikanischen Fernsehsender Univision wurden sogar während eines offiziellen Interviews mit Präsident Maduro festgenommen, ihrer Ausrüstung beraubt und später ausgewiesen.
Immer weniger Medienvielfalt
Seit Jahren steuert die Regierung die öffentliche Meinung über die Medien: Direkt etwa über das staatliche Fernsehen VTV oder indem sie indirekt über Strohmänner Fernseh- und Radiostationen aufgekauft hat. Gleiches gilt für Zeitungen. Mariengracia Chirinos vom Institut für Presse und Freiheit: "2013 waren es noch 90 Zeitungen in 21 Bundesstaaten, Ende 2018 waren es noch 30, und die gleiche Entwicklung fand im Radio und im Fernsehsektor statt."
Medien, die der Gleichschaltung entgehen wollen, verbreiten ihre Informationen übers Internet und die sozialen Netzwerke, so wie VPI TV, der Sender, der alles live und unzensiert überträgt. Reporterin Ana Rodriguez: "Die alternativen Medien, die sich digital verbreiten, nutzen Plattformen wie Youtube und die sozialen Netzwerke. Da gibt es keine Zensur. Die Seiten können allerdings blockiert werden, wie es die Regierung, das Regime von Maduro, schon mit den Internetanbietern macht."
Soziale Netzwerke spielen wichtige Rolle
Je intensiver der Kampf um die Macht und damit um die Unterstützung der Bevölkerung tobt, desto radikaler sperrt die Regierung die entsprechenden Seiten. Ungeachtet der Blockaden spielen die soziale Netzwerke weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Information und Mobilisierung der Menschen, zumal das Internet trotz Hyperinflation dank staatlicher Preisregulierung immer noch erschwinglich ist – wenn es denn überhaupt funktioniert.