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Gewerkschaften
Gesetzentwurf zur Tarifeinheit verfassungswidrig?

Der Bundestag wird erstmals über den Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zur Tarifeinheit beraten. Damit sollen Konflikte gelöst werden, die zwischen mehreren Gewerkschaften in einem Betrieb entstehen könnten. Allerdings ist umstritten, ob der Entwurf mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Von Gerhard Schröder |
    "Dieser Betrieb wird bestreikt!" steht am 01.09.2014 auf dem Schild eines Lokführers in der Eingangshalle des Hauptbahnhofs in Hannover
    Beträfe auch die GDL: Der Gesetzentwurf zur Tarifeinheit (picture-alliance / dpa / Ole Spata)
    Arbeitsministerin Andrea Nahles ist überzeugte Gewerkschafterin, das Streikrecht ist ihr heilig. Aber: Alles hat Grenzen:
    "Das einige Spartengewerkschaften für ihre Partikularinteressen, vitale Funktionen unseren gesamten Landes lahmlegen, ist nicht in Ordnung. Es untergräbt den Zusammenhalt in unserem Land und es legt auch die Axt an die Wurzeln der Tarifautonomie."
    Das will die Sozialdemokratin verhindern. Per Gesetz will sie die Macht kleiner Berufsgewerkschafen begrenzen.
    "Ich sage ein Betrieb ein Tarifvertrag, das hat über viele Jahre in Deutschland gegolten, das soll auch wieder sein."
    Heißt konkret: Wenn mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb die Interessen der Beschäftigten vertreten, soll künftig nur ein Tarifvertrag gelten, und zwar derjenige, den die mitgliederstärkste Gewerkschaft abgeschlossen hat.
    "Und die Idee dahinter ist, dass auch um des Betriebsfriedens willens Beschäftigte, die die gleiche Arbeit machen in einem Betrieb, auch gleich bezahlt werden. Und nicht unterschiedliche Löhne für Beschäftigte gelten, weil sie da einen oder anderen Gewerkschaft angehören", sagt der Christdemokrat Peter Weiß.
    Koalitionsfreiheit in der Verfassung verankert
    Doch der Entwurf, der heute erstmals im Parlament beraten wird, ist umstritten. Der Bremer Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler:
    "Die Gewerkschaft, die nicht mehr Tarifverträge schließen kann, weil sie eine Minderheit ist, die dafür nicht mehr streiken kann, ist keine Gewerkschaft mehr, sondern ein Bittsteller."
    Und das ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, sagt der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio und verweist auf Artikel neun der Verfassung. Darin ist die die Koalitionsfreiheit verankert, das Recht also, Vereinigungen zu bilden, um die eigenen Interessen zu vertreten, und zwar ausdrücklich für jedermann und alle Berufe:
    "Dafür sind Gewerkschaften da, um Tarifverträge abzuschließen und Arbeitskämpfe notfalls dabei führen zu können. Das ist ihr Kern. Wer einer Gewerkschaft diesen Kern nimmt, greift tief in das Grundrecht ein."
    Wird der Gesetzentwurf Realität, droht kleinen Berufsgewerkschaften das Aus, sagt Rudolf Henke, der Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund:
    "Es kann dann in Zukunft weiterhin einen ärztlichen Berufsverband Marburger Bund geben, aber es kann keine Gewerkschaft dann mehr geben, denn wer soll eine Gewerkschaft für sinnvoll halten, wenn sie nicht in der Lage ist einen Tarifvertrag abzuschließen."
    Droht Chaos in den Betrieben?
    Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hält dagegen. Wenn wir die Macht der kleinen Berufsgewerkschaften nicht beschränken, dann droht Chaos in den Betrieben, mit permanenten Streiks rivalisierender Gewerkschaften, warnt Kramer:
    "Was zum Beispiel die GdL aus machtpolitischem Egoismus, meine Damen und Herren, um nichts anderes geht es, aufführt, ist ein Vorgeschmack, auf das, was uns blühen würde, wenn dieser Art der Zerstörung gut funktionierender Tarifpartnerschaft freien Lauf ließen."
    Anfangs hatte auch der Deutsche Gewerkschaftsbund die Gesetzesinitiative mitgetragen. Inzwischen ist die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ausgeschert. Der Grund: Einschränkungen ins Streikrecht wären die Folge, das will Verdi-Chef Frank Bsirske nicht mittragen.
    "Wir sind gegen jeglichen gesetzlichen Eingriff ins Streikrecht. Und genau das ist jetzt auf die Tagesordnung gesetzt durch die Bundesregierung und da gilt es, gegenzuhalten."
    Nicht nur im Parlament, dort ist gegen die überwältigende Mehrheit von Union und SPD wenig auszurichten. Das letzte Wort wird wohl das Bundesverfassungsgericht haben. Die Klage ist schon vorbereitet, sagt Gewerkschaftschef Henke.