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Gisela Piltz: Die Zentralisierung des Verfassungsschutzes ist mit der FDP nicht zu machen

Die Arbeit der Sicherheitsbehörden muss effektiver werden, sagt Gisela Piltz, Fraktionsvize der FDP. Allerdings bezweifelt sie, dass eine Zusammenlegung der Kompetenzen in einer Zentralbehörde der richtige Weg ist.

Gisela Piltz im Gespräch mit Silvia Engels | 28.08.2012
    Silvia Engels: Fast ein Jahr ist es her, dass durch den Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bekannt wurde, dass sie wohl Teil einer Terrorgruppe waren, die jahrelang unerkannt Morde und Überfälle begangen hat. Behörden und Verfassungsschutz hatten versagt und alle Gründe für die Pannenserie der Ermittlungen liegen immer noch nicht offen. Zahlreiche Politiker und Amtsträger sind im Zuge des Skandals bereits zurückgetreten. Doch wie muss als Konsequenz die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beim Verfassungsschutz verbessert werden? Darüber beraten die Innenminister von Bund und Ländern am Nachmittag. Doch vorab hat Bundesinnenminister Friedrich schon Teile seiner Reformideen bekannt gemacht.
    Am Telefon ist nun Gisela Piltz, die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Frau Piltz!

    Gisela Piltz: Hallo, Frau Engels!

    Engels: Den Ländern – Friedrich und die Verfassungsschutzreform (MP3-Audio) wir haben es gehört – gehen die Reformideen zum Verfassungsschutz vielfach schon zu weit. Der FDP reichen sie dagegen nicht. Was fehlt Ihnen denn?

    Piltz: Also uns fehlen ganz klar weitere Aussagen zu der Arbeit der Verfassungsschutzorganisationen zwischen den Ländern, ob es sinnvoll ist, dass wir tatsächlich 16 einzelne, teilweise auch der Ländergröße geschuldet sehr kleine Verfassungsschutzämter in den Ländern haben, uns fehlen bei der V-Mann- oder V-Leute-Problematik konkrete Aussagen, wie das denn in Zukunft aussehen soll, weil dass man sie bei einem zentral meldet, heißt ja noch lange nicht, dass das jetzt alles besser wird, und uns fehlen ganz klar Vorschläge zur parlamentarischen Kontrolle, das bleibt ja alles sehr vage. Hingegen die Frage, was die Aufhebung des Trennungsverbots [Anmerkung der Redaktion: gemeint ist Trennungsgebot] angeht, was vieles andere angeht, sind die Vorschläge sehr konkret, und von daher sind sie auf der einen Seite zu weit aus unserer Sicht und auf der anderen Seite gehen sie nicht weit genug.

    Engels: Ihre Parteifreundin, Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, will auch weitere Verfassungsschutzämter zusammenlegen und den Militärischen Abschirmdienst MAD ganz abschaffen. Was versprechen Sie sich denn davon?

    Piltz: Was wir wollen, ist einen effektiveren Einsatz von Sicherheitsbehörden. Das ist etwas, was wir im Koalitionsvertrag auch vereinbart haben, dahingehend vorzugehen, weil wir sehen, dass auf vielen Ebenen Doppelarbeit geleistet wird, die man sich in solchen Zeiten einfach nicht mehr leisten kann. Und da muss man am Ende ja überlegen, wie schaffe ich, das alles zu intensivieren und zu verbessern. Aber die Haltung der FDP ist eben gerade nicht, dass B gleich Bund wie besser, also eine große zentrale Behörde, die am besten für alles verantwortlich ist. Das wissen wir, dass das nicht besser sein kann, und deshalb muss man sich sozusagen auch mit den kleinen Problemen beschäftigen. Aber das sollte man eben tun, ohne die Länder vor den Kopf zu stoßen, und von daher, glaube ich, werden wir da noch einige Diskussionen führen müssen.

    Engels: Aber die Länder laufen ja jetzt schon dagegen Sturm, dass in Kompetenzen eingegriffen werden soll. Sie wollen eigentlich noch mehr in die Kompetenzen eingreifen. Ist das nicht unrealistisch, bringen Sie die Länder nicht erst recht gegen sich auf?

    Piltz: Ich glaube, am Ende des Tages kommt es eben darauf an, wie man miteinander spricht und ob man vorhandene Strukturen vielleicht auch ergänzen und bewegen kann. Und natürlich ist die Forderung, Verfassungsschutzämter zusammenzulegen, auf den ersten Blick eine weitergehende, das ist sicherlich so. Auf der anderen Seite wäre es natürlich eine Option, wenn ich mir einzelne Stadtstaaten anschaue, die natürlich davon auch in ihrer Arbeit profitieren könnten, wenn sie sich mit einem anderen Land in der Nähe zusammentun. Das könnte ja insgesamt die Einheit stärken. Ich glaube, darüber muss man sprechen, denn am Ende des Tages fragt niemand danach – das haben wir ja bei der NSU auf dramatische Weise erlebt -, warum das nicht funktioniert hat und ob das eine kleine oder größere Behörde war, sondern wir haben nur gesehen, dass im Moment die Zusammenarbeit nicht funktioniert hat, und daran müssen wir arbeiten.

    Engels: Nun ist ja in dem Entwurf von Innenminister Friedrich vorgesehen, dass der Bund vielleicht mehr auf die gewaltbereiten Gruppen und Personen schauen soll, wenn es um Beobachtungen geht, die Länder dagegen auf Organisationen, die noch zugelassen sind. Sind solche Arbeitsteilungen realistisch?

    Piltz: Ich persönlich kann mir noch nicht genau vorstellen, wie das funktionieren soll, denn diese Idee von quasi erster und zweiter Klasse – so hat das ja ein Innenminister genannt – hat mich auch noch nicht überzeugt. Sie müssen sich vorstellen: Sie haben einen Salafisten, der zum Beispiel predigt, der gar nicht gewaltbereit ist. Wie sollen Sie sich denn dann am Ende um die Folgen kümmern und wie wollen Sie dann die Übergabe machen? Das heißt, am Ende des Tages macht es ja Sinn, dass der Verfassungsschutz auf lokaler Ebene in seinem Land unterwegs ist, weil er diese Begebenheiten am besten kennt. Und wenn man jetzt dann von der Zentralstelle, von einer zentralen Behörde dazukommt, dann fehlen einem natürlich wichtige Informationen. Die können Sie vielleicht dann schriftlich austauschen oder per Gespräch, aber diese Trennung im wirklichen Leben sozusagen auszufüllen, dafür fehlt mir im Moment noch die Fantasie, und wenn ich die Innenminister gehört habe, bin ich da nicht die Einzige.

    Engels: So viel zu diesem Bereich. Kompetenzwirrwarr und die Abgrenzung ist das eine und Sie haben es eben schon angesprochen: Die Kontrolle der Geheimdienste und Behörden ist ebenfalls etwas, wo viele Pannen im NSU-Zusammenhang deutlich geworden sind. Welche konkreten Forderungen haben Sie hier noch über Herrn Friedrich hinaus?

    Piltz: Es geht ja darum, die Kontrolle für uns konkret im Deutschen Bundestag zu stärken. Das bisher wichtigste Kontrollorgan ist ja das Parlamentarische Kontrollgremium. Da ist es so, dass die Kollegen über die Erkenntnisse mit niemandem sprechen dürfen, nicht mal mit den Fraktionsvorsitzenden. Da würden wir ansetzen, dass eine solche Kommunikation möglich sein muss.

    Engels: Auch für die Öffentlichkeit dann?

    Piltz: Nicht dann für die Öffentlichkeit. Aber am Ende des Tages muss man ja überlegen, wie handhabbar ist das für einen Einzelnen oder wir haben ja zwei Vertreter dort. Aber wenn sie da für ihre Fraktion alleine sitzen, dann muss es ja auch möglich sein, über politische Konsequenzen aus dem, was sie dort erfahren, reden zu können. Das dürfen sie im Moment nicht. Das halten wir für wenig vertretbar. Es gibt keine Stellvertreter. Das heißt, wenn die Menschen, die wir da hingeschickt haben, krank sind, nicht können, können wir nicht kontrollieren als Fraktion. Auch das halte ich für veraltet. Und wenn man Kontrolle will, muss man den Kollegen auch die Möglichkeit geben, mittels einer personellen Ausstattung diese Behörden zu kontrollieren. Und es geht aber natürlich auch darum, dass auch der Innenausschuss des Deutschen Bundestages, wo wir immer drauf hingewiesen werden, nein, das ist Sache des Parlamentarischen Kontrollgremiums, besser informiert werden muss. Ob man dafür allerdings, wie vorgesehen im Papier, einen neuen Stellvertreter braucht, der sich darum kümmert, das wage ich persönlich erst mal zu bezweifeln, sondern das ist eine Frage, wie ehrlich gehen die Sicherheitsbehörden mit dem Parlament um. Wir haben in der letzten Zeit häufig erfahren, dass die Medien schneller informiert wurden und mehr wussten als wir, und auch das darf in Zukunft nicht mehr so sein.

    Engels: Die FDP verlangt auch eine einheitliche Grundlage und Kontrolle von V-Leuten. Das sind ja diejenigen, die als Teil oder Nahestehende von extremistischen Organisationen heimlich Informationen an die Verfassungsschutzämter geben. Einheitliche Kontrolle – ist das realistisch, oder sollte man die nicht komplett abschaffen?

    Piltz: Ich glaube, dass das komplette Abschaffen sehr schwierig sein dürfte, weil ihnen dann Kenntnisse über die inneren Strukturen eben zum Beispiel von gewaltbereiten Organisationen verloren gehen. Aber ganz klar muss sein, dass sich diese V-Leute eben so wie auch der Verfassungsschutz selber auf den Grundlagen unserer Verfassung bewegen müssen, und da hat es ja in der Vergangenheit bei einigen V-Leuten Zweifel gegeben, und deshalb glauben wir, dass es eine Rechtsgrundlage dafür geben muss. Wir sagen, wir müssen überprüfen, wen darf man anwerben, welche Bezahlung sollen diese Menschen auch bekommen, die da unterwegs sind, und wie werden sie geführt, und auch das ist sozusagen ja noch offen, auch in diesem Papier, und ich glaube, dass das auch zur Kontrolle der V-Leute dazugehört, wenn klar ist, unter welchen Umständen sie diesen Job überhaupt ausüben dürfen.

    Engels: Dann machen wir mal einen Strich drunter. Sie lehnen also als FDP das Papier von Innenminister Friedrich in Bausch und Bogen ab?

    Piltz: In Bausch und Bogen, so kann man das nicht sagen. Es ist so, dass es gut ist, dass Bewegung in diese Diskussion kommt, und es gibt auch einige Ansätze, was Ausbildung angeht, was Kommunikation angeht, dass man jetzt erkennt, dass auch der Datenschutzbeauftragte gestärkt werden muss und so, das sind gute Ansätze. Aber was die Frage angeht, ob man am Trennungsgebot rüttelt, mehrere Dateien, diese Zentralisierung - und das alles gegen die Länder, das wird mit der FDP nicht zu machen sein.

    Engels: Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch.

    Piltz: Ich danke Ihnen, Frau Engels.


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