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Golfstrom-Zirkulation
Die Klimaanlage für Europa

Er gilt als die Wärmepumpe Europas: Der Golfstrom ist eine der größten und schnellsten Meeresströmungen der Erde - und er ist besonders warm. Ohne ihn wäre es bei uns im Schnitt fünf bis zehn Grad kälter. Das könnte sich ändern, sagen Wissenschaftler des Deutschen Klima-Konsortiums.

Von Dieter Nürnberger | 20.07.2017
    Spektoradiometer-Aufnahme der NASA des Golfstroms - die Oberflächentemperatur wird farblich dargestelle: schwarz und blau (kalt) und rot (warm).
    Die Golfstrom-Zirkulation trägt elementar dazu bei, dass im Norden Europas ein moderates Klima herrscht, weil warmes Wasser aus den Subtropen bis in die Arktis transportiert wird. (dpa/Nasa)
    Spekulationen über die Golfstromzirkulation gibt es zuhauf. Das Thema spielte schon in diversen Untergangsszenarien - etwa aus Hollywood - eine Rolle. Das Deutsche Klima-Konsortium wollte heute deshalb einen Überblick geben, was denn nun als wissenschaftlich fundiert gelten kann, hinsichtlich dieser wichtigen Strömung im Atlantik.
    Die Golfstromzirkulation wirkt wie eine Klimaanlage für Europa, sie ist in der Lage, Temperaturspitzen auf den Kontinenten nach unten und auch nach oben zu mildern. Sie trägt somit elementar dazu bei, dass im Norden Europas ein moderates Klima herrscht, weil warmes Wasser aus den Subtropen bis in die Arktis transportiert wird.
    Wenn man sich die unterschiedlichen Klima- und Strömungsszenarien anschaut, dann lässt sich sagen, dass ein plötzliches Ausbleiben der Zirkulation nicht zu erwarten ist. Das gilt nach derzeitigem Stand der Forschung als äußerst unwahrscheinlich. Aber: Es wird durchaus mit einer Abschwächung dieser Strömung gerechnet.
    Das Klima war lange nicht so stabil wie heute
    Monika Rhein vom Institut für Umweltphysik an der Universität in Bremen, sagt, dass es - zumindest auf den ersten Blick - in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder Schwankungen gegeben hat: "Wir wissen, dass vor 70.000 bis etwa vor 10.000 Jahren das Klima nicht so stabil war, wie wir das heute kennen. Kalte und warme Zeiten. Und das ist eng verbunden mit Änderungen der Golfstrom-Zirkulation. Also: Immer wenn es bei uns kalt wird, dann ist die Zirkulation eher schwach. Wenn wir es klimatisch wärmer haben, dann wird die Wärme aus den Tropen zu uns transportiert. Man sieht aber auch, dass das Klima in den vergangenen 8.000 Jahren - im Vergleich zu den Zeiten davor - relativ stabil war."
    Allerdings muss auch festgestellt werden, dass erst dank moderner Messmethoden ein genauerer Blick in dieses komplexe System der Zirkulation ermöglicht wird. Das betrifft die vergangenen 20 Jahre. Und mehr und mehr werde deutlich, dass die Erderwärmung durch vom Menschen verursachte Treibhausgase eine Rolle spielen wird. Stichwort: Das konstante Abschmelzen des Eises an den Polen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Zirkulation abschwächen wird, sie können aber noch nicht belegen, wie hoch diese Veränderung sein wird.
    Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel sieht hier auf jeden Fall Zusammenhänge: "Weil es so eine Situation, wie wir sie im Moment erleben, in der Vergangenheit nicht gegeben hat. Zwar waren die Treibhausgase generell in der Erdgeschichte auch schon mal ähnlich hoch, zum Teil sogar höher - aber diese Geschwindigkeit des Anstiegs der Emissionen in der Atmosphäre ist einmalig in der Geschichte der Menschheit. Diese Geschwindigkeit ist etwas, was für die Golfstromzirkulation von besonderer Bedeutung ist."
    Menschheit ist aufgefordert, Klimawandel zu begrenzen
    Deutlich wird zudem, dass es auch gar kein Worst-Case-Szenario geben muss, um Auswirkungen auf die Umwelt zu konstatieren. Auch schon signifikante Abschwächungen jenseits der bisher gewohnten Schwankungen der Zirkulation würden natürlich Folgen haben. Könnten sich die Fischströme beispielsweise ohne große Probleme daran anpassen oder nicht? Wie wären die Auswirkungen auf den Nährstofftransport in den Meeren? Bei einer Abschwächung könnte es sogar auf der Nordhalbkugel etwas kühler werden, gegen den globalen Trend der Erderwärmung.
    Solche Fragen werden in der Zukunft auch im Mittelpunkt der Forschungsarbeit stehen. Aber ganz klar: Die Menschheit sei deshalb aufgefordert, den Klimawandel zu begrenzen, sagt die Wissenschaftlerin Monika Rhein. "Momentan sind die Treibhausgas-Emissionen bei etwa 40 Gigatonnen CO2 pro Jahr. Wenn man diese Rate beibehält, dann haben wir nur noch 30 Jahre Zeit, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten. Danach wäre das Kontingent ausgeschöpft. Es ist jetzt wirklich an der Zeit, etwas zu tun. Ich glaube, das ist auch allen klar. Die Frage ist halt nur, wie man dies umsetzt."
    Weshalb die Politik Anstrengungen zum Klimaschutz auf jeden Fall weiter verstärken müsse, so die Wissenschaftlerin vom Institut für Umweltphysik in Bremen.