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Gerichtsreform in Polen
Politischer Druck auf Justiz nimmt Formen an

Durch eine umstrittene Gerichtsreform bekommt die polnische Regierung nach und nach mehr Einfluss auf die Justiz. Sie bestimmt nun mit, wer im Landesjustizrat sitzt und wer in Polen Richter wird. Heute findet in Warschau die erste Sitzung des neu gebildeten Landesjustizrats statt.

Von Florian Kellermann |
    Der Oberste Gerichtshof Polens in Warschau
    Das polnische Parlament hat rund 40 Prozent der Richter am Obersten Gerichtshof in den Ruhestand geschickt (Imago/ Heike Bauer)
    Der Landesjustizrat ist der Dreh- und Angelpunkt in der umstrittenen polnischen Gerichtsreform. Denn, wenn in Polen eine Richterstelle frei wird, dann wählt er den Nachfolger aus. Eine der Neuregelungen der Gerichtsreform war es deshalb, dass 15 Mitglieder des Landesjustizrats nicht mehr von Richtergremien bestimmt werden - sondern vom Parlament.
    Juristen kritisieren die neue Regelung
    Die Parlamentsmehrheit, und damit die Regierungspartei PiS, sollte ihre Favoriten in diese Schlüsselpositionen bringen können. Viele Juristen haben diese Regelung kritisiert, so auch Richter Waldemar Zurek, bis vor kurzem Sprecher des Landesjustizrats:
    "Ich sehe mit bloßem Auge, an welchen Stellen das neue Gesetz unsere Verfassung verletzt. Ich habe deshalb an meine Kolleginnen und Kollegen appelliert, sich sich nicht zur Wahl zu stellen. Die Geschichte wird uns bewerten, danach, wie wir uns in diesem Moment verhalten haben - ob wir Rückgrat haben oder Karriere machen wollen."
    Geändert hat dieser Appell nichts, der neue Landesjustizrat steht. Doch arbeiten konnte er bisher nicht. Denn die erste Sitzung muss die Präsidentin am Obersten Gerichtshof einberufen - Malgorzata Gersdorf. Und diese zögerte, schließlich ist sie ein Opfer der Gerichtsreform. Laut Verfassung stehen ihr sechs Jahre im Amt zu. Doch das Parlament hat sie per Gesetz kurzerhand in den Ruhestand versetzt, den sie im Juli antreten wird. Erst nach wochenlangem Druck hat Malgorzata Gersdorf nachgegeben - heute findet die erste Sitzung statt:
    "Es ist nun mal die Pflicht des Präsidenten am Obersten Gerichtshof, den Landesjustizrat einzuberufen. Sie hängt nicht davon ab, wie viele Sitze im Rat rechtmäßig besetzt wurden. Meiner Ansicht nach lässt meine Position keine Gesten des zivilen Ungehorsams zu.
    40 Prozent der Richter in Ruhestand geschickt
    Heute wird der neue Landesjustizrat sich also einen Vorsitzenden wählen - er oder sie wird in Zukunft die Sitzungen einberufen. Und schon bald wird einige Arbeit auf das Gremium zukommen. Denn das Parlament hat rund 40 Prozent der Richter am Obersten Gerichtshof in den Ruhestand geschickt. Sie liegen über der neuen Altersgrenze von 65 Jahren. Außerdem entstehen neue Kammern am Obersten Gerichtshof, darunter eine Disziplinarkammer. Sie soll über Vergehen von Richtern urteilen. Erheblichen Einfluss auf diese Verfahren bekommen der Staatspräsident und der Justizminister.
    Der von Politikern gewählte Landesjustizrat, von diesem ausgewählte Richter und eine Disziplinarkammer - damit nimmt der politische Druck auf die Justiz Formen an. Und Justizminister Zbigniew Ziobro will davon Gebrauch machen. Vor wenigen Tagen sagte er:
    "Wir müssen an die polnischen Richter höhere Maßstäbe anlegen. Wir haben gerade wieder erlebt, wie wichtig es ist, dass wir eine Disziplinarkammer schaffen. Gegen diese Maßnahme sind nur solche Richter, die sich einer außerordentlichen Kaste zugehörig fühlen."
    Der Fall, auf den sich Ziobro bezog: Ein Richter hatte in einem Baumarkt etwas gestohlen. Kritiker der Regierung fürchten aber, dass der Minister künftig seinen Einfluss auch in politisch relevanten Fällen ausspielen wird.