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Radikales Umdenken mit Öko-Frachtsegler "Avontuur"

Mehr als 90 Prozent des weltweiten Frachtaufkommens wird über die Meere transportiert. Meist auf schwerölbetriebenen Containerschiffen, die sehr viel CO2 ausstoßen. Die Crew des Frachtenseglers "Avontuur" dagegen hat gerade den ersten, emissionsfrei transportierten Kaffee in Bremen gelöscht. Doch hinter der Initiative steht mehr als nur der ökologische Warentransport.

Von Almuth Knigge | 27.04.2017
    Der Frachtsegler "Avontuur" fährt am 28.07.2016 auf der Weser in Bremerhaven auf den Container-Terminal in Bremerhaven zu. Der 44 Meter lange Gaffelschoner von 1920 soll zukünftig umweltschonend unter Segeln Frachten transportieren. Er kann 70 Tonnen Ladung aufnehmen.
    Der Frachtsegler "Avontuur" fährt am 28.07.2016 auf der Weser in Bremerhaven auf den Container-Terminal in Bremerhaven zu. (dpa / Jörg Sarbach)
    Über der Nordsee faucht ein wilder Nordwest Wind – 7 Windstärken in Boen acht – bestes Segelwetter für die Avontuur und ihre Crew – auf den letzten Seemeilen ihrer ersten Mission.
    Auf den letzten Seemeilen nach Hause muss der stolze 44 Meter lange weiße Gaffelschoner kreuzen – gegen den Wind – das ist mühsam, aber das passt zur Geschichte des Frachtenseglers und die Crew hat in den letzten Monaten auf hoher See, während der 12.000 Seemeilen schon ganz anderen Winden getrotzt.
    Die Crew – das sind fast alles Freiwillige aus der ganzen Welt. Ein paar haben ihren Job aufgegeben, einige sind nur für ein paar Wochen dabei.
    Mehr als ökologischer Warentransport
    Cornelius Bockermann, der Käptn, ist 58 Jahre alt, drahtig - und gesprächig. Ist erst zur See gefahren, hat dann an Land - In Nigeria, Sierra Leone, viel Geld verdient. Dann ein Umdenken – nicht wirklich eine Läuterung – eher eine Sinnsuche. Und jetzt hat er eine eine Mission - die Avontuur soll nicht nur Waren transportieren, sondern eine Nachricht, eine Ideologie verbreiten: sozial verträgliche Arbeit statt Gewinnmaximierung, weniger Konsum und vor allem - mehr Umweltschutz.
    Kapitän Cornelius Bockermann steht auf dem Frachtsegler "Avontuur" am 27.07.2016 auf der Werft in Elsfleth (Niedersachsen) am Steuerrad. Der 44 Meter lange Gaffelschoner von 1920 nimmt nach rund zweijähriger Umbauzeit Kurs auf Rostock. Dort wird er an der Hanse-Sail teilnehmen. Zukünftig soll er umweltschonend unter Segeln Frachten transportieren. Foto: Jörg Sarbach/dpa |
    Kapitän Cornelius Bockermann steht auf dem Frachtsegler "Avontuur" am 27.07.2016 auf der Werft in Elsfleth (Niedersachsen) am Steuerrad. (dpa / Jörg Sarbach)
    "90 Prozent all unserer Waren, die wir konsumieren, wird per Seeschiff durch die Gegend gefahren. Alles - also 90 Prozent. Nur 10 Prozent fahren nicht mit dem Seeschiff."
    Aber die Schiffe – die sieht man meist nicht – man steht nicht hinter ihnen im Stau, sie machen keinen Lärm in Wohngebieten. Dabei produzieren 16 der größten Containerschiffe der Welt genauso viel CO2 wie alle Autos- ist eine Rechnung, die Kreuzfahrer noch nicht mitgerechnet. Emissionsfreier Transport ist die eine Sache. Bockermann geht mit der Avontuur noch einen Schritt weiter:
    "Also wir transportieren nichts, was nicht nachhaltig produziert wurde. Wir sehen uns ja als eine Möglichkeit, tatsächlich nachhaltig produzierte Waren in Europa auch den Markt zu bringen, ohne dabei die Umwelt zu zerstören. Was bringt es großartig, wenn ich die Heidelbeeren in Argentinien biologisch anbaue mit tollstem sozialen Hintergrund, die fair bezahle, und die dann in ein Flugzeug stecke und nach hier fliege und die dann im Supermarkt verkaufe. Alles, was ich da gut gemacht habe, habe ich dann durch den Flug wieder kaputt gemacht. Das ist eigentlich der Hauptgrund für dieses Schiff."
    Zuwenig Anreize für Reeder, um ökologische Schiffe zu bauen
    Nicht die Konkurrenz zur Containerschifffahrt – Bockermann ist nicht naiv. Das Segelschiff hier ist nicht die Lösung, aber es ist die Richtung – bevor noch besser wäre eine bessere Gesetzgebung.
    "Die technischen Möglichkeiten sind ja da, die werden nur nicht genutzt, solange der Treibstoff so billig ist und es so wenig Anreiz gibt für einen Reeder, ein ökologisches Schiff zu bauen, ein sauberes Schiff, wird das nicht passieren.
    Und natürlich braucht es ein Umdenken. "Eins ist sicher, was wir im Moment machen, das können wir nicht lange so weiter betreiben."
    Noch kein kommerzieller Erfolg
    Das gilt aber nicht nur für die Weltbevölkerung und deren Konsumverhalten – das gilt auch für das Projekt Avontuur. Kurz vor dem Ende der Reise eine Bilanz: "Wir haben leider dieses Jahr nicht den kommerziellen Erfolg gehabt, den wir gehabt hätten, wenn wir genug Ladung gehabt hätten."
    Aber 20 Tonnen Kaffee und 5 Fässer Schnaps, das reicht, um das Schiff für einen Monat zu finanzieren – nicht für ein ganzen Jahr. Außerdem bekommt die Werft in Elsfleth noch Geld. Der Umbau der Avontuur war teurer als geplant.
    "Wie viel hat denn der Umbau gekostet?"
    "1,6 Millionen."
    "Und wo kommt die Kohle her?"
    "Ja, das frage ich mich zur Zeit auch gerade, wo ich die hernehmen soll."
    Freiwillige Helfer
    Ein Sponsor müsste her. Und Ladung – die gibt es aber. Alles eine Frage der Zeit. Dennoch - das Problem ist nicht klein – aber die Zuversicht ist größer:
    "Ich bin begeistert von den Leuten, alle arbeiten hier als wenn sie - ich hätte fast gesagt, als wenn sie dafür was kriegen. Natürlich kriegen sie was dafür, aber nichts, was man in die Hand nehmen kann. Die erarbeiten hier 'ne Zukunft. Die machen was richtig Sinnvolles, die sind alle mit Spaß dabei, da musst du keinen von pushen oder so was, alle haben das gleiche Ziel, wir müssen die Umwelt retten und das Ziel erreichen. Ohne, dass du denen dafür irgendwas geben musst, außer Zuversicht."