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Grenzkontrollen am Brenner
Ein Rückschlag für die Europaregion

Der Brenner ist der wichtigste Alpenpass, der wichtigste Handelsweg zwischen Nord- und Südeuropa. Der Brenner steht für freien Warenaustausch, aber auch für regelmäßige Staus. Die könnten in Zukunft bald noch länger werden, denn die österreichische Regierung will direkt am Brenner einen Grenzzaun gegen Flüchtlinge errichten.

Von Susanne Lettenbauer | 17.02.2016
    Die ehemalige Grenzstation der österreichischen Zollwache am Bundesstraßengrenzübergang, Fahrtrichtung Tirol, in Gries am Brenner.
    Die ehemalige Grenzstation der österreichischen Zollwache am Brenner. (imago/Eibner)
    Viel ist gerade nicht los am Brenner Grenzbahnhof. Die Züge fahren planmäßig. Gegenüber auf der Autobahn fahren LKW an LKW vorbei. Polnische, slowenische, italienische Kennzeichen. Einzelne Container wurden aufgestellt. Unten an der Straße steht ein weißer Marmorstein an die Grenze. Im alten Grenzwärterhäuschen ist heute ein Trachtenoutlet.
    "Da gerade rauf, das ist der Grenzstein und dann geht es da praktisch zum Teil durch den Kreisverkehr durch, in der Mitte der Straße rauf. Und wenn Sie das Gebäude da drüben sehen, hinter dem Parksilo rechts hinein, da sieht man dann wieder den Grenzstein da drüben bei der Eisenbahn. Da kann man keinen Zaun ziehen, da würde man den Verkehr total lahmlegen." Franz Kompatscher als Bürgermeister der Gemeinde Brenner klingt resigniert. Überall in Europa werden Zäune gezogen, in Spielfeld, in Ungarn in Slowenien. Warum also nicht auch am Brenner. Er als Südtiroler könne Österreich verstehen, aber der Brenner sei die wichtigste Handelsroute zwischen Italien und Nordeuropa. Der Bürgermeister deutet die Zaundiskussion vor allem symbolisch. "Ja es werden Grenzkontrollen sein, ich glaube, den Zaun brauchen wir nicht, Sie müssen sich ja nur mal umschauen. Das hier ist eine Talfurche und man hat von einem Zaun gesprochen, aber den wird man nicht brauchen, aber die Kontrollen werden sich sicher negativ auswirken."
    Ein Rückschlag für die Zusammenarbeit
    Im vergangenen Jahr hat seine Gemeinde 27.000 Flüchtlinge betreut. Die meisten zogen weiter nach Deutschland. Seit Deutschland aber Asylsuchende abweist und Österreich eine Obergrenze festgelegt hat, muss auch Italiens Norden handeln: "Natürlich - die Beseitigung dieser Grenze hat die Menschen sehr gefreut und man hat auch große Hoffnungen gesetzt in die Europaregion Tirol, wo eben das alte historische Tirol wieder zusammenarbeitet. Und wenn man dann da wieder Kontrollen einführt, dann ist das ein Rückschlag für diese Zusammenarbeit."
    Innerhalb von acht bis zehn Wochen könne man die Pläne für einen umfangreichen Brennerschutz umsetzen, heißt es von Tirols Landespolizeidirektor Helmut Tomac. Geplant sind sogenannte Kontrollstraßen, Container für die Registrierung der Flüchtlinge und Absperrungen mit Zäunen, um ein Umgehen der Kontrollen zu verhindern. Man warte nur noch auf die Anordnung aus Wien, so Tomac. Der Endausbau sei nur eine Sache von einigen Wochen. Tirols Landeshauptmann Günter Platter konstatiert nüchtern: "Wir müssen leider feststellen, dass die europäische Solidarität nicht funktioniert."
    Solange die Außengrenzen Europas nicht geschützt werden, müsse man andere Maßnahmen ergreifen, so Platter. "Es kann nicht sein, dass Tirol oder Südtirol diese Herausforderung allein meistern müssen."
    Schulterschluss der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino
    Mit einem demonstrativen Schulterschluss haben er und seine italienischen Landeshauptleute von Südtirol, Arno Kompatscher, und vom Trentino, Ugo Rossi, jetzt eine Resolution verfasst. Das Schengen-Abkommen müsse wieder greifen, der Dublin-Vertrag reformiert und die EU-Außengrenzen sicher geschützt werden. Gemeinsam vertreten die drei Landeschefs die symbolträchtige "Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino". Arno Kompatscher, Südtirol: "Die Europaregion ist durch diese Situation nicht infrage gestellt, sondern diese Situation ist gerade eine Gelegenheit, dass die Europaregion jetzt gemeinsam diese Herausforderung bewältigt, wir drei Länder in der Europaregion, dass wir das gemeinsam tun und daran wird die Europaregion nicht scheitern, sondern sie wird wachsen an dieser Herausforderung."
    In Tirol nutze man derzeit Traglufthallen, sagt Tirols Landeschef Platter. 2015 seien 53.100 Transitflüchtlinge gezählt worden, 2016 bereits 25.700. Es bestehe die Gefahr, dass Tirol zur Wartehalle Europas werde. Dagegen müsse man vorgehen. Der Präsident der Handelskammer Bozen, Michl Ebner, warnt hingegen vor unabsehbaren Folgen für die Wirtschaft. Immerhin: Den Brennerpass passieren jährlich etwa 40 Millionen Tonnen Waren und zehn Millionen Autos. Bei den Durchreisenden am Brenner verspürt man allerdings eher wenig Widerspruch:
    "Ist in Ordnung, hab ich kein Problem mit. Da kann man gewissen dann doch schon Einhalt gebieten im Vorfeld."
    "Nein, da gibt es doch keinen Zaun, das ist eine Grenzkontrolle und fertig und das ist okay."
    "Also, ich bin der Meinung, irgendwie muss der Zaun her, tut mir leid. So wie es jetzt ist, kann es ja nicht weitergehen."