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Griechenland
Bei den Bürgern wachsen Wut und Verzweiflung

Der Frust bei vielen Griechen wächst, weil bei den ständigen Verhandlungen um Reformen und neue Kredite nichts herauskommt. Vier Monate nach dem grandiosen Wahlsieg von Syriza steckt Griechenland tiefer in der Krise als zuvor. Während Ministerpräsident Tsipras zu Kompromissen bereit scheint, ist der linke Flügel der Syriza-Partei nach wie vor gegen weitere Sparmaßnahmen.

Von Thomas Bormann | 25.05.2015
    Mitarbeiter im Gesundheitswesen protestieren am 20. Mai 2015 in Athen gegen Kürzungen im Gesundheitssystem.
    Mitarbeiter im Gesundheitswesen protestieren am 20. Mai 2015 in Athen gegen Kürzungen im Gesundheitssystem. (dpa / picture alliance / Yannis Kolesidis)
    Mal sagt die griechische Regierung: die Renten werden nicht angetastet; dann heißt es auf einmal: es könnte doch Kürzungen geben. Mal soll die Mehrwertsteuer erhöht werden; dann heißt es wieder: die Steuern bleiben wie sie sind. Immer mehr Griechen sind von ihrer Regierung genervt: "Die lassen uns permanent im Unklaren. Wir wissen nicht, was morgen kommt. Ich hoffe sehr, dass das noch gut geht."
    Über den künftigen Kurs des Landes hat die Regierungspartei Syriza am Wochenende heftig gestritten; am Schluss der Tagung des Zentralkomitees der Linkspartei Syriza setzte sich Ministerpräsident Tsipras gestern Abend knapp mit seiner Linie durch, und die heißt: weiterverhandeln mit den Kreditgebern. Dabei versprach er den Delegierten seiner Partei: " Wir werden den absurden Forderungen nicht nachgeben, die Mehrwertsteuer zu erhöhen oder Renten zu senken."
    Das klingt kämpferisch, lässt aber Raum für Verhandlungen. Nämlich: absurde Forderungen zur Rentensenkung will Tsipras ablehnen; er lässt dabei ganz bewusst offen, ob es neben „absurden" auch vernünftige Forderungen gibt, Renten zu senken, zum Beispiel: nur bestimmte Zusatzrenten zu senken. Mit seiner Rhetorik lässt Tsipras also Spielraum für Verhandlungen. Der linke Flügel von Syriza hatte einen radikalen Schnitt gefordert, nämlich: Griechenland solle in der kommenden Woche die dann fällige Kreditrate an den Internationalen Währungsfonds nicht zurückzahlen und alle Banken verstaatlichen. 75 Delegierte stimmten für diesen Antrag des linken Flügels, 95 dagegen.
    Knappe Mehrheit also für den Kurs von Ministerpräsident Tsipras, weiter zu verhandeln. Tsipras versicherte noch einmal. Seine Regierung werde kein neues Sparprogramm unterschreiben. Er beschwor die Delegierten seiner Partei: "Kameradinnen und Kameraden; wir haben noch viel Arbeit vor uns. In diesen kritischen Momenten müssen wir verantwortungsvoll, entschieden und solidarisch handeln - und wir müssen in unsere eigene Kraft vertrauen." Tsipras hofft, in den nächsten Tagen eine Einigung mit den Kreditgebern zu finden: Die EU, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds sollen Hilfskredite in Milliardenhöhe freigeben. Im Gegenzug ist Tsipras bereit, Spar-Auflagen zu akzeptieren. Welche das sein werden, darüber verhandelt Tsipras seit Monaten mit den Kreditgebern.
    Die Griechen beobachten das mit wachsender Sorge. Immerhin, Frida Tasi, eine Rentnerin aus Athen, findet noch gute Worte für die Regierung: "Ich hoffe, dass die Dinge noch zu einem guten Ende kommen werden. Es ist gut, dass die Regierung so hart verhandelt, damit die Renten nicht noch weiter gekürzt werden, denn wir haben doch schon so viel Geld verloren. Ich bin froh, dass die für uns kämpfen, dass wir uns nicht gleich ergeben. Ich hoffe, es wird gut enden."
    Die meisten Griechen aber haben die Hoffnung verloren, die sie in die Linkspartei Syriza gesetzt hatten: "Wenn Du kein Geld hast und einen Kredit brauchst, dann bist Du in einer ganz schlechten Verhandlungsposition. Dann bist Du auf Gedeih und Verderb von denen abhängig, die die Macht haben. Du musst Dich denen unterwerfen, um zu überleben." "Unsere Regierung macht nicht das, was sie versprochen hatte und auch nicht das, was sie tun sollte. Jeden Tag hören wir etwas anderes. Morgens so, mittags so und abends so. Wir wissen überhaupt nicht, wo es langgehen soll."
    Der Frust bei vielen Griechen wächst; vier Monate nach dem grandiosen Wahlsieg von Syriza steckt Griechenland tiefer in der Krise als zuvor.