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Griechische Journalisten gründen Zeitung

Anfang November erschien in Athen die "Zeitung der Redakteure" als genossenschaftliches Projekt, getragen und finanziert von ihren Journalisten. Das Blatt versteht sich als Produkt der Krise, die mittlerweile auch die Medien in Mitleidenschaft zieht.

Von Jannis Papadimitriou |
    Mitten in der Krise will die "Zeitung der Redakteure" ein Zeichen setzen. Als Mitherausgeber agieren über hundert Journalisten der einst führenden linksliberalen Zeitung "Eleftherotypia" - zu Deutsch: "Pressefreiheit". Sie hatte sich in den 70er- und 80er-Jahren mit kritischem Journalismus einen Namen gemacht. Nach Ausbruch der Schuldenkrise kam das Blatt aus den roten Zahlen nicht mehr heraus. Vor einem Jahr ging der Verlag in Konkurs. Viele Mitarbeiter des einstigen Vorzeigeblatts haben seitdem keinen Job gefunden und wollen nun gemeinsam den Neustart wagen, sagt Nikolas Voulelis, Direktor der "Zeitung der Redakteure":

    "Jeder Mitarbeiter zahlte 1000 Euro in die Genossenschaft ein und verzichtet für zwei Monate auf sein Gehalt. Dadurch kam unser Startkapital zustande. Mit dem Geld haben wir Büroräume gemietet, Computer gekauft und die ersten Druckaufträge bezahlt. Jetzt hoffen wir auf eine stabile Auflage von, sagen wir mal, 30.000 Exemplaren, die uns Werbeeinnahmen bringen soll."

    Die ersten Zahlen machen Mut: Die "Zeitung der Redakteure" stabilisiert sich in der Tat auf knapp 30.000 Exemplare. Nikolas Voulelis ist sich sicher: Gerade jetzt, mitten in der Krise, gäbe es genug Arbeit für die "Zeitung der Redakteure".

    "Die etablierten Medien sind nicht wirklich frei und unabhängig, sondern in der Regel politischen oder wirtschaftlichen Interessen verpflichtet. Das wollen wir bei uns anders machen: Wir wollen nämlich selbst entscheiden, was in die Zeitung kommt. Unsere Leser werden die Vielfalt der Meinungen zu schätzen wissen, denn das ist es, was die Menschen heute vermissen. Und deshalb kehren sie auch etablierten Medien den Rücken."

    Noch drastischer formuliert es der Ökonom und Wirtschaftsredakteur Athanassios Papandropoulos, Vorsitzender der griechischen Landesgruppe der Europäischen-Journalistenvereinigung (AEJ): Viele Medien haben sich ihren Absturz selbst zuzuschreiben, meint Papandropoulos, denn sie steckten mit Politik und Wirtschaft unter einer Decke.

    "Das Grundübel des griechischen Journalismus ist dessen Abhängigkeit vom Staat, der über 50 Prozent des Anzeigenmarktes kontrolliert. Dazu kommt die Werbung sämtlicher Banken, die durch den Staat gelenkt werden. Außerdem hat der Staat in der Vergangenheit die Rentenkassen der Journalisten subventioniert und Rahmenbedingungen gesetzt, damit Medienunternehmen günstige Kredite bekommen."

    Nur wenige Journalisten hatten dagegen protestiert, so manche freuen sich sogar über staatliche Fürsorge, glaubt Papandropoulos. Weil ihr eigentliches Einkommen nicht zum Leben ausreiche, arbeiteten zudem viele Pressevertreter nebenher für den Staat. Dass es dadurch zu Interessenkollisionen kommt, liege auf der Hand, erläutert der renommierte Journalist.

    "In Griechenland gibt es ein Presseministerium, das mittlerweile anders heißt aber immer noch 200 Journalisten beschäftigt. Zudem sind viele Journalisten in Staatsunternehmen und Regierungsstellen tätig. Ich kenne eine staatliche Bank, die 65 Journalisten auf ihrer Gehaltsliste hat. Dadurch entstehen Abhängigkeiten und Konfliktsituationen."

    Insofern könnte die Krise auch ein Stück Marktbereinigung mit sich bringen. Medienexperten sind sich jedoch einig: Es wird noch schlimmer kommen, bevor es irgendwann besser wird.