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Großmacht Russland
"Wir sind ein Siegervolk"

Die Annexion der Krim hat Russlands militaristisches Selbstverständnis belegt. Präsident Putin erntet für seine Großmacht-Strategie den mehrheitlichen Applaus des Volkes. Krieg und Sieg sind salonfähig - und werden öffentlich zelebriert.

Von Boris Schumatsky | 16.06.2014
    Russische Soldaten grüßen Verteidigungsminister Sergej Shoigu während einer Militärparade auf dem Roten Platz zum 68. Jahrestag des Siegs im Zweiten Weltkrieg.
    Eine russische Militäreinheit bei einer Parade. (picture alliance / dpa / Grigoriy Sisoev / RIA Novosti)
    Hundertschaft auf Hundertschaft marschieren die Männer in roten Jacken durch Moskau. Hoch über ihren fest geschlossenen Reihen wehen rote Fahnen, die an sowjetische Militärbanner aus dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Auf den Transparenten steht: "Wir glauben Putin" und "Die Krim ist russische Erde". Die Männer singen ein sowjetisches Kriegslied:
    "Du mein geliebtes Gewehr, du Kugel, so heiß, fliege weit!"
    So feierte Moskau die Annexion der Krim in gewollter Anlehnung an Massenaufmärsche, wie es sie unter Stalin oder Hitler gab.
    Die Besetzung der ukrainischen Halbinsel, die fast ohne einen Schuss vonstattengegangen ist, wurde in Russland zu einem militärischen Sieg stilisiert. Landesweit löste sie patriotische Euphorie aus. Laut einer Meinungsumfrage des unabhängigen Levada-Zentrums haben fast 80 Prozent der Russen den Anschluss der Krim begrüßt, und noch mehr unterstützen seitdem die Eroberungspolitik ihres Präsidenten Putin. Das Staatsfernsehen stellt die Ukrainer als Faschisten dar, und den Krieg gegen sie als Fortsetzung des "Großen Vaterländischen Krieges" gegen Nazideutschland. So nennt man in Russland den Zweiten Weltkrieg. Das Land, das wohl die meisten Opfer in diesem Krieg davongetragen hatte, gibt sich heute der Kriegshysterie hin.
    Die Moskauer Soldatenmütter haben heute Morgen keine Besucher. Die Telefone klingeln nicht. Fünf ältere Frauen, die in einem kleinen Büro Schreibtisch an Schreibtisch arbeiten, setzen sich seit 25 Jahren für die Rechte der Wehrpflichtigen ein. Während des Krieges in Tschetschenien retteten sie Hunderte Menschenleben. Sie fuhren an die Front und befreiten Soldaten aus der Gefangenschaft, sie schützten sie vor prügelnden Vorgesetzen und in der Politik setzten sie humanitäre Reformen der Armee durch. Damals lehnte die russische Bevölkerung den Tschetschenienkrieg mehrheitlich ab, sagt Valentina Melnikova, die Mitbegründerin der Soldatenmütter:
    "Nach der Entsendung von Truppen auf die Krim haben sich nur fünf Menschen an uns gewendet. Nur fünf Familien waren besorgt. Das hat mich sehr überrascht, diese geistige Beschränktheit, eine Form des sozialen Schwachsinns. In Tschetschenien war es ganz anders: Nach der Erstürmung von Grosni rannten uns Tausende die Tür ein. Und heute, nach alldem was auf der Krim war, bleibt alles still. Müssen denn immer Menschen getötet werden, bevor die Leute endlich aufwachen?"
    Vor sechs Jahren wollte Putin die Krim nicht
    Vor nur sechs Jahren versicherte Präsident Putin, keinerlei Ansprüche auf die Krim zu haben. Die Russen machten lieber in der Türkei Urlaub. Heute heißt es, "Die Krim ist unser!" Die Ideologie der Revanche – "Wir holen alles zurück, was zur Sowjetunion gehörte" – bestimmt auf einmal Medien und Schulbücher, und das gesteuerte Staatsfernsehen ebnet den Weg für weitere Eroberungen.
    Die Regierung in Kiew wird zu Nachfolgern von Nationalsozialisten stilisiert, gegen die schon die Großväter einen "heiligen" Krieg geführt hätten. Flüchtlinge und Kriegstote auf Aufnahmen aus Syrien oder Gaza werden für Russen ausgegeben, die angeblich in der Ukraine zu Tode kamen. Die Gehirnwäsche wirkt. Obwohl die Ukrainer immer als Brudervolk galten, ist inzwischen fast die Hälfte der Russen negativ gegenüber der Ukraine eingestellt. Die Zivilgesellschaft, zu der auch die Soldatenmütter gehören, fühlt sich von der Kriegspropaganda überrumpelt.
    Putin: "Wir sind ein Siegervolk, das haben wir in den Genen"
    Seit Wochen beobachtet Melnikova, wie die Kriegseuphorie in die entferntesten Winkel des Alltags dringt. Ein Sushi-Restaurant bietet ein Menü namens "Danke Putin für die Krim" an. Ein Süßigkeiten-Hersteller verkauft Schokoladentafeln mit einer Landkarte Russlands. Das russische Territorium ist rot gefärbt, ebenfalls die Ukraine und alle Länder, die nach dem Zerfall der UdSSR unabhängig geworden sind. Dazu noch Finnland und Alaska.
    Als Erster hatte Stalin die Russen als Siegervolk bezeichnet. Präsident Putin sprach in einer Rede vor seiner Wiederwahl dem Sowjetführer nach:
    "Wir sind ein Siegervolk, das haben wir in den Genen. Ich frage Euch, werden wir siegen?"
    Und jedes Siegervolk braucht Feinde.
    Wadim steht an der Kreuzung von zwei großen Moskauer Straßen. In der Hand hält der junge Mann einen Bund schwarz-orangener Bändchen, die er an Passanten verteilt. Eigentlich sollen diese sogenannten "St.-Georgs-Bändchen" an den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg erinnern, doch sie werden nun als Zeichen kämpferischer Regimetreue getragen. Schon 2008 wurden sie für die propagandistische Begleitung des Krieges gegen Georgien eingesetzt, und heute binden die prorussischen Kämpfer in der Ukraine solche Bändchen um die Gewehrläufe ihrer Kalaschnikows. Wadim reicht einem vorbeigehenden Mann eines der Bändchen.
    Auch für Wadim stehen die St.-Georgs-Bändchen für Krieg, aber nicht primär für den gegen die Ukraine. Als Feind wäre die Ukraine schlicht und einfach zu klein. Doch der Nachbar ist ja bloß eine Marionette in der Hand des wahren Feindes. Dieser mächtige Feind, sagt Wadim, hat Russland bereits angegriffen.
    "Wir sind die nationale Befreiungsbewegung gegen die Okkupation durch die USA und ihre Verbündeten. Was uns an der Situation hierzulande nicht passt, ist die Tatsache, dass unsere Verfassung 1993 von den Amerikanern diktiert worden ist. Sie macht aus unserem souveränen Land eine Kolonie, ein Anhängsel des Westens. Unsere Gegner sind die Amerikaner und alle ihre Mitmacher, also auch das deutsche Radio. Denn Deutschland ist auch ein Vasall Amerikas. Das ausländische Kapital hat uns alles abgekauft, es zahlt uns Zinsen, aber was sind diese Zinsen? Sie geben uns Papier, das aus unserem Holz hergestellt ist, sie bedrucken dieses Papier mit Farben, die aus unserem Erdöl hergestellt wurden, und dafür nehmen sie uns alle unsere Rohstoffe weg! Glauben Sie, dass das fair ist? Ich glaube nicht."
    "Lasst uns zur Verfassung zurückkehren, die Stalin 1936 erlassen hat!"
    Wadim hält einen Rubel-Schein hoch und sagt, das sei ein übermalter Dollar. Er selbst könnte eigentlich etwas mehr davon gebrauchen. Doch der Befreiungskrieg lässt Wadim keine Zeit für Arbeit, nachts fährt er schwarz Taxi. Seine Montana-Stiefel und Ray-Ban-Brille stammen offensichtlich von einem der vielen Moskauer Straßenmärkte. Die dort preiswert angebotenen Markenartikel, da kann sich Wadim sicher sein, wurden bestimmt nicht vom Feind hergestellt.
    Das Feindbild USA teilen sich die Linkspopulisten mit den großrussischen Patrioten, die seit der Invasion der Ukraine ebenfalls erstarken. Beide militaristische Strömungen haben ein ähnliches Vorbild. Es stammt aus Hitlers Deutschland und der Sowjetunion Stalins.
    Josef Stalin, eigentlich Iossif Wissarionowitsch Dschugaschwili (geb. 21.12. 1879 in Gori,Georgien - gest. 5.3.1953 in Moskau). Sowjetischer Politiker und Diktator. Stalin war 30 Jahre lang Erster Sekretär der KPDSU und damit faktisch Staatschef der Sowjetunion.
    Josef Stalin (picture-alliance / dpa inp)
    "Lasst uns zur Verfassung zurückkehren, die Stalin 1936 erlassen hat! Da ist alles richtig. Millionen seien damals angeblich gestorben, aber ich sage Ihnen, es waren nur 600.000, und sie sind nicht gestorben, sie wurden zur Verantwortung gezogen. Tatsächlich exekutiert wurden davon lediglich 200.000. Doch Amerika und der Westen haben unseren Stalin dämonisiert, obwohl er nie jemanden umgebracht hat! Unter Stalin konntest du leicht einen Spion fangen. Angenommen, irgendein Franzose kommt auf mich zu und sagt zu mir etwas gegen meinen Staat. Was sollte man da tun? Den Inlandsgeheimdienst NKWD anrufen, damit ein Wagen ihn abholen kommt. Und wenn ich das nicht tue, wer bin ich dann? Ich bin ein Volksfeind, richtig? Die werden uns beide natürlich festnehmen, und dann schicken sie mich nach Sibirien, eine Eisenbahn bauen, und ihn werden sie exekutieren, richtig?"
    Radikale Ansichten, noch vor einigen Jahren marginal, sind im Zentrum der Gesellschaft angekommen. Selbst der russische Staat spricht von Nationalverrätern, Spionen und Agenten. Gemeint sind Opposition und Zivilgesellschaft. Die Soldatenmütter in St. Petersburg haben auf ihrer Internetseite einen Artikel gegen die Angliederung der Krim veröffentlicht, und jetzt werden sie von der Staatsanwaltschaft als ausländische Agenten verfolgt.
    Den Passanten, die Interesse für Wadims St. Georgs-Bändchen zeigen, drückt er gleich auch eine DVD in die Hand.
    "Mach Deine Augen auf. Der Krieg hat bereits begonnen! In den Augen der USA und ihrer Komplizen ist unser Land ein Leckerbissen. Nach einer Reihe fingierter Revolutionen schaffen unsere Feinde nach und nach die strategischen Partner Russlands weg. Bald werden wir ganz allein den Feinden gegenüberstehen. Wenn wir unser Land nicht beschützen, wird es in Stücke gerissen! Wach auf, Russland, die Zeit ist reif!"
    Auf dem DVD-Cover ist der US-amerikanische Adler dargestellt, der vor dem russischen Bären zurückweicht. Die Disk stammt aus dem Umkreis des Abgeordneten der Staatsduma Jewgenij Fjodorow. Er ist einer von Vielen, die eigene politische Gruppen und private Splitterbewegungen unterhalten.
    "Wir sind einfache Menschen und niemand bezahlt uns. Ich bin hier nicht für Geld! Das ist auch kein Hobby für mich. Ich kenne vielleicht noch nicht alle Details, aber ich bin aufgewacht."
    Die Mitglieder militanter Bewegungen sind natürlich radikaler als der russische Durchschnitt. Doch ihre Anzahl wächst, weil sie massiv angeworben werden. Durch Propaganda und mit Geld. Denn Wadims Kameraden werden vom Staat bezahlt, wenn sie an derlei politischen Werbeaktionen, an Überfällen auf die Opposition oder an Massenaufmärschen teilnehmen.
    Wadim trägt eine Umhängetasche mit dem Logo des ukrainischen Ablegers seiner Nationalen Befreiungsbewegung. Er kommt gerade von dort, sagt Wadim, und hat die Tasche noch nicht gewechselt. Seine Gleichgesinnten kämpfen in der Ukraine mit Waffen in der Hand. Der Kreml glaubt, das schnell wachsende militante Milieu kontrollieren zu können. Doch manche Warlords widersetzen sich jetzt schon den Befehlen Putins.
    Der 90-jährige Leonid Polischuk und seine Frau schauen sich eine Videoaufnahme vom Aufmarsch anlässlich des Krim-Anschlusses an. Wenn Leonid die marschierenden Männer in ihren roten Jacken sieht, muss er an Aufmärsche denken, die er als Kind in Deutschland erlebt hat. Sein Vater war sowjetischer Diplomat in Berlin und seine Familie wohnte bei einem kommunistischen Ehepaar. Leonid nannte sie Onkel und Tante. Mit der Tante hatte Leonid ein Erlebnis, das sein Leben für immer prägte. Sie besuchten den Badeort Ahlbeck.
    "Dort stand ein riesiges Amphitheater im Grünen, und darin waren Zehntausende junger Männer, die reichlich Bier getrunken hatten. Die Tante und ich waren eigentlich spazieren gegangen und nur zufällig dorthin geraten. Es kamen immer mehr Leute, sodass wir auf einmal inmitten dieser Menge standen. Alle waren wie elektrisiert, alle schauten in eine Richtung, und dann: Sieg Heil! Sieg Heil!
    Alle riefen Sieg Heil! Sieg Heil! wie aus einem Munde, und plötzlich schnellte auch meine Hand hoch. Aber die Tante, das muss man sich vorstellen, legte ihre Hand auf meinen Arm und drückte ihn ruckartig herunter. Man hätte diese Fratzen sehen sollen, die sich sofort zu uns drehten! Wenn sie nicht derart euphorisch gewesen wären, hätten sie uns in Stücke gerissen."

    Russische Soldaten sitzen im Schützengraben während des 1. Weltkriegs.
    Russische Soldaten sitzen im Schützengraben während des 1. Weltkriegs. (picture alliance / dpa / Foto: Itar-Tass)
    "Wie kann man ihnen überhaupt erzählen, was Krieg war?"
    Zehn Jahre später kämpfte Leonid als Sowjetsoldat gegen diese Männer. Heute ist er einer der wenigen noch lebenden Veteranen des letzten Weltkriegs. Dieses Wort, Kriegsveteran, mag Leonid nicht, denn damit wird seit Jahrzehnten ein verlogener Kult betrieben. Offiziell beglaubigte Kriegsveteranen hatten in der Sowjetunion vor Schulklassen für das Siegervolk und seine ruhmreiche Regierung agitiert. Im Geschichtsunterricht studierten Schüler die Kriegsmemoiren von Generalsekretär Breschnew. An allen runden Jahrestagen des Kriegsendes fanden riesige Militärparaden statt.
    "Ich war einmal mit einer Gruppe von Veteranen in eine Schule eingeladen worden, und danach habe ich mir geschworen, das nie wieder zu tun. Unsere Aufgabe war es, die, wie es hieß, die heranwachsenden Generationen zur Treue zur Partei und zur Regierung zu erziehen. Da kommen also wir Helden, wir tragen saubere Hemden und unsere Medaillen, es ist eine Feier, da sitzen junge Schulmädchen, so rein, und wie kann man ihnen überhaupt erzählen, was Krieg war?"
    Krieg ist gleich Tod und Vergewaltigungen. Leonid war Zeuge von beidem.
    "Wie kann man das den Kindern erzählen? Und im Krieg ist das die Norm!"
    Leonid berichtet, wie seine Kriegskameraden zwölf Gefangene erschossen. Wie alle Frontheimkehrer durfte er seine Erfahrungen im Krieg nur zu Hause am Küchentisch erzählen. In der Sowjetunion wurde sogar die Zahl der Kriegstoten absichtlich als geringer beziffert. Sie ist bis heute nicht genau bekannt, aber eines steht fest: Die meisten in diesem Krieg Gefallenen waren Sowjetsoldaten. Wegen der immensen Verluste brauchte der offizielle Kult des Großen Vaterländischen Kriegs Generationen, um die schreckliche Wahrheit über den Krieg auszulöschen. Der Kult hat sich erst durchgesetzt, als die meisten Überlebenden tot waren.
    Leben von einem Krieg zum anderen
    Russland hat die gesunde Angst vor dem Krieg verloren. Auch die Toten des Tschetschenienkriegs scheinen vergessen. Kein einziger Soldat, keine besorgten Eltern haben während des ganzen heutigen Tages die Soldatenmütter aufgesucht. Die Frauen beobachten seit Jahren, wie die Akzeptanz von Krieg steigt, und zugleich steigt die Unterstützung für Präsident Putin. Der Krieg in Tschetschenien machte einst aus einem unbekannten Geheimdienstler den beliebtesten Politiker Russlands. Als Putins Popularität dann sank, brach der Krieg gegen Georgien aus, und wieder unterstützten 87 Prozent der Russen ihren nationalen Anführer. Doch diese Zahl sank wieder, und wie es schien, unaufhaltsam, bis Russland die Ukraine angriff.
    Valentina Melnikova: "Wir leben von einem Krieg zum anderen. Wer hätte damals gedacht, dass es einen Krieg mit Georgien gibt? Wir sind mit unseren Kräften am Ende. Denn jeder Krieg verläuft so: Eine leichtfertige Entscheidung der Landesführung, und dann all dieses Blut, die Suche nach Verschollenen, Hilfsaktionen und die Tränen, die wir hier im Komitee der Soldatenmütter tagtäglich sehen. Aber wenn unsere Hilfe wieder gebraucht wird, werden wir den Menschen natürlich helfen."
    Die Kriegshysterie lässt nicht nach. Die schwarz-orangen Kriegsbändchen werden von Millionen Menschen getragen. Bei der pompösen Militärparade zum Tag des Sieges am 9. Mai, die in der Sowjetunion nur alle fünf Jahre veranstaltet wurde, lässt Präsident Putin jedes Jahr schwere Panzer und sogar interkontinentale Atomraketen über den Roten Platz rollen.
    Der russische Chefpropagandist Dmitri Kisseljow sagte kurz nach dem Krim-Anschluss im Ersten Russischen Fernsehen, Russland könnte die USA in radioaktive Asche verwandeln. Hinter ihm wurde ein Atompilz eingeblendet, dann eine Landkarte mit Laufbahnen von Interkontinentalraketen. Die aktuelle russische Militärdoktrin, die den Einsatz von Atomwaffen regelt, entspricht weitgehend ihrem US-amerikanischen Pendant. Allerdings räumte sich Russland 2010 das Recht ein, auch Länder anzugreifen, die selbst keine Atomwaffen besitzen.
    Erst Georgien, dann die Ukraine – die Soldatenmütter schließen einen nächsten Krieg nicht aus. Aber wäre Russland tatsächlich zu einem nuklearen Erstschlag bereit? Valentina Melnikova überlegt:
    "Wahrscheinlich ja. Wir haben neun Verteidigungsminister und drei Präsidenten erlebt, ich kenne die Psychologie dieser Leute, und ich muss sagen, für die gibt es keine moralischen Grenzen. Also, definitiv: ja. Die Entscheidungsträger der neuen Generation haben keinerlei Bremsen. Andere Menschen spielen für sie überhaupt keine Rolle."
    Eine Zivilgesellschaft allein ist machtlos gegen ein Regime, das sich sein Fortbestehen über Kriegshetze sichert.
    "Ich weiß nicht, wie man sie aufhalten kann. Wir können es nicht, nein. Wenn wir nicht einmal ihre Krim-Operation verhindern konnten, bleiben wir auch beim nächsten Mal machtlos. Eigentlich wäre das die Aufgabe der internationalen Politik. Leider ist die internationale Politik jetzt genauso schwach, wie auch wir gegenüber Putin schwach sind."