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Günther (CDU) zu Merkel-Nachfolge
"Ein Parteivorsitzender muss die CDU weiterhin in der Mitte verorten"

Der oder die nächste CDU-Parteivorsitzende sollte einen Kurs der Mitte verfolgen, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther im Dlf. Nur so könne die CDU weiter Volkspartei bleiben. Alle drei Kandidaten, die sich heute auf der Regionalkonferenz vorstellen, seien gut geeignet.

Daniel Günther im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, kommt zu den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in der SPD-Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus.
    Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther findet, die CDU dürfe sich nicht auf einzelne Flügel konzentrieren (picture-alliance / dpa / Gregor Fischer)
    Stefan Heinlein: 18 Uhr Eröffnung und Begrüßung. Dann 18:10 Uhr eine kurze Vorstellungsrunde und anschließend bis 21 Uhr Fragen an die Kandidaten. Der Ablauf der acht CDU-Regionalkonferenzen ist immer identisch. Eine anstrengende Tournee für die drei Bewerber um die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Parteivorsitzende. Noch gilt das Rennen als weitgehend offen. Die Entscheidung fällt dann auf dem Hamburger Parteitag Anfang Dezember. Heute der Auftakt, die erste CDU-Regionalkonferenz ganz oben im Norden, in Lübeck.
    Darüber möchte ich nun reden mit Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein (CDU). Moin, Herr Günther!
    Daniel Günther: Moin, Herr Heinlein!
    Heinlein: Sind Sie heute ein neutraler Gastgeber in Lübeck, Herr Günther?
    Günther: Doch. Ich finde, die Partei muss sich jetzt auch mal ein Bild von den drei Kandidaten machen, und da steht es uns Landesvorsitzenden auch gut an, wenn man in solche Debatten dann an einem solchen Tag auch in gewisser Weise neutral geht. Natürlich habe ich mich intern schon festgelegt, aber ich habe bewusst entschieden, dass ich nicht sehr frühzeitig damit rausgehe, denn die Partei will einfach jetzt auch mal diskutieren, sich ein eigenes Bild machen und damit natürlich auch Einfluss auf den Bundesparteitag ausüben.
    Heinlein: Intern haben Sie sich festgelegt, Herr Günther. Aber es ist kein Geheimnis: Sie sympathisieren mit Annegret Kramp-Karrenbauer. Warum?
    Günther: Ich habe mich wie gesagt nicht festgelegt nach draußen und werde das auch weiterhin nicht tun. Aber dass ich zu Annegret Kramp-Karrenbauer ein ausgesprochen gutes Verhältnis habe, wir als Ministerpräsidenten hervorragend zusammengearbeitet haben und ich finde, dass sie das Amt als Generalsekretärin ausgesprochen gut ausübt, daraus habe ich nie einen Hehl gemacht und daran wird sich auch nichts ändern.
    "Wir brauchen alle drei in der CDU"
    Heinlein: Frau Kramp-Karrenbauer kandidiert ja ohne Netz und ohne doppelten Boden. Sie ist nicht im Bundestag, sie ist nicht im Kabinett, und als Generalsekretärin kann sie dann wohl kaum mit einem möglichen Vorsitzenden Merz oder Spahn weiterarbeiten. Wie hoch ist ihr Risiko, am Ende mit leeren Händen dazustehen?
    Günther: Das sollten wir einfach auch mal abwarten, wie am Ende dann der Wettstreit ausgeht. Ich sage eines für mich sehr klar: Ich glaube, dass wir es hier mit drei wirklich ausgesprochen guten Kandidaten zu tun haben. Andere Parteien würden sich die Finger danach lecken, solche Kandidaten für den Bundesvorsitz zu haben. Deswegen sage ich sehr klar, unabhängig davon, wer von den dreien am Ende das Rennen gewinnen wird, wir brauchen alle drei in der CDU, und zwar auch an herausgehobenen Funktionen. Sie repräsentieren, finde ich, schon auch die gesamte Breite der Partei, und wenn wir Volkspartei bleiben wollen, brauchen wir genau solche Typen in der Partei, die dafür stehen. Das kann man am Ende nicht einer Person anlasten. Wenn wir uns breit aufstellen wollen, dann müssen die am Ende auch alle mit dabei bleiben.
    Heinlein: Herr Günther, im Vorfeld dieser Regionalkonferenzen haben Sie Ihre Partei gewarnt vor einem Bruch mit dem Kurs der Mitte. Welcher der drei Kandidaten wäre denn die beste Wahl, um die CDU auf diesem Kurs der Mitte zu halten?
    Günther: Na ja. Wir haben schon unterschiedliche Äußerungen von allen dazu gehört. Ich will einfach immer den Spieß gerne umdrehen, weil ich schon auch finde, man guckt sich jetzt erst mal an, was erwartet man von einem zukünftigen Parteivorsitzenden, und dann gucke ich mir sehr sorgsam an, wer orientiert sich an dem gleichen. Für mich ist klar, ein Parteivorsitzender muss die CDU weiterhin in der Mitte verorten.
    Wer glaubt, wenn man sich jetzt auf einen Flügel konzentriert, nur das Konservative betont, nur die Wirtschaftsnähe betont, könne man Volkspartei bleiben, daran glaube ich schlicht und ergreifend nicht. Uns hat geholfen in den letzten Jahren, dass Angela Merkel uns in der Mitte verortet hat. Deswegen haben wir ja auch viele starke Wahlergebnisse geholt, 2013 über 40 Prozent. Das ist mit dem Kurs möglich und deswegen werbe ich sehr dafür, dass jeder Parteivorsitzende sich auch genau daran orientieren sollte.
    "Wir brauchen zukünftig einen stärkeren inhaltlichen Diskurs"
    Heinlein: Übersetzt heißt das, Herr Günther, kein Bruch mit dem Kurs der Mitte. Das heißt, weiter so mit dem Merkel-Kurs, keine inhaltliche Neuaufstellung der CDU.
    Günther: Nein, das will ich damit ausdrücklich nicht sagen. Ich glaube, dass eine Partei immer sich weiter modernisieren muss, auch Positionen neu überdenken muss. Wenn wir heute noch die CDU von vor 20 Jahren wären, dann würden wir überhaupt keine Chance haben, Volkspartei zu sein. Ich glaube auch, dass durchaus das Thema Wirtschaft, wie erhalten wir unseren Wohlstand, mit welchen Rezepten wollen wir da herangehen, müssen wir nicht auch in einzelnen Bereichen mehr Freiheiten wieder wagen, schon ein Thema für die Union ist.
    Aber was, glaube ich, viele Menschen vermisst haben, ist, dass wir in der Vergangenheit uns sehr, sehr viel mit Fragen der Flüchtlingspolitik auseinandergesetzt haben, wo es auch Dinge gibt, die den Menschen auf den Nägeln brennen, aber wir haben weit wichtigere Themen in den Augen der Menschen: Pflegeversicherung, Fachkräftemangel. Da muss die CDU neue Antworten geben und deswegen brauchen wir eher einen stärkeren inhaltlichen Diskurs zukünftig, und da habe ich das Gefühl, dass auch alle drei Kandidaten das genauso sehen.
    Heinlein: In diesem Zusammenhang hat Ihr Amtskollege Michael Kretschmer aus Sachsen gefordert, die CDU müsse in Zukunft wieder ihren Markenkern stärker herausschälen. Können Sie damit etwas anfangen, Herr Günther?
    Günther: Es geht so, weil ich glaube, wenn man meint, dass eine Partei sich auf den Markenkern reduzieren muss, dann spricht man die gesamte Breite nicht an. Versuchen Sie mal hinzubekommen, den CDA-Vorsitzenden Karl-Josef Laumann, was der als Markenkern der Union definiert, bis hin zu Carsten Linnemann, der die Wirtschaftsvereinigung der Union führt. Die haben ein unterschiedliches Verständnis davon. Und zu glauben, dass man nur noch den Markenkern treffen muss und dann ist man am Ende wieder Volkspartei, ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Wenn man den Markenkern nur für einen Flügel definiert, dann reduziert man sich eher. Wir müssen die gesamte Breite ansprechen. Das hat uns als Volkspartei immer stark gemacht und dafür werbe ich auch entsprechend.
    Heinlein: Steht denn Friedrich Merz für den Markenkern der CDU, zumindest wie ihn Ihr Amtskollege Michael Kretschmer versteht?
    Günther: Ich habe Friedrich Merz bisher so verstanden, dass er extrem viel Wert darauf legt, auch die Union weiterhin in der Mitte zu verorten. Ich glaube, er würde der Union schon ein stärkeres wirtschaftspolitisches Profil geben. Deswegen habe ich vorhin auch bewusst formuliert, unabhängig davon, wer am Ende die Wahl um den Parteivorsitzenden gewinnt, wir brauchen alle. Friedrich Merz hat uns eigentlich in den letzten Jahren eher gefehlt mit seiner Wirtschaftskompetenz. Da hätten wir ihn gut gebrauchen können.
    Deswegen, glaube ich, ist es schon auch wichtig, dass wir genau diesen Flügel auch besser ansprechen. Aber ich habe ihn nicht so verstanden, dass er auch den gesellschaftlich modernen Kurs der Union jetzt verändern will, sondern nein, in der Mitte verorten, stärkeres wirtschaftspolitisches Profil. So habe ich zumindest Friedrich Merz verstanden.
    Heinlein: Hat es Sie gefreut, dass Friedrich Merz eine Koalition mit den Grünen nicht grundsätzlich auch im Bund ausschließt? Sie arbeiten in Schleswig-Holstein ja sehr erfolgreich mit den Grünen zusammen.
    Günther: Ich kenne eigentlich nur noch wenige Politiker in der Union, die Koalitionen mit den Grünen ausschließen, und das ist ja auch gut und richtig. Eine Partei wie die CDU muss anschlussfähig sein an Parteien und aus Wahlergebnissen dann auch immer in Regierungsverantwortung kommen. Von daher begrüße ich das natürlich außerordentlich, dass Friedrich Merz auch zu denjenigen gehört, die auch mit den Grünen sich Koalitionen vorstellen können.
    "Eine Partei wie die CDU muss anschlussfähig sein"
    Heinlein: Wo sehen Sie denn, wenn Sie die Kandidaten vergleichen, die beiden Favoriten, die Unterschiede, die Stärken und Schwächen von Friedrich Merz im Unterschied zu Annegret Kramp-Karrenbauer?
    Günther: Jetzt beziehen Sie es ja schon auf zwei. Ich finde, wir haben im Moment noch drei Kandidaten, die auch gute Chancen haben, und die bilden schon ihr Profil im Moment sehr eigenständig heraus. Jens Spahn sagt ja sehr deutlich für sich, ich bin eher der Generationswechsel, auch vom Lebensalter jemand, der das auf Dauer machen kann. Annegret Kramp-Karrenbauer hat ja deutlich betont, Kurs der Mitte auf jeden Fall fortsetzen, aber auch stark im Dialog sein, und das, glaube ich, hat sie auch schon als Generalsekretärin unter Beweis gestellt, dass sie es geschafft hat, auch während einer Regierungszeit der Partei wieder ein stärkeres Gewicht zu geben und auch durchaus zuzulassen, dass endlich wieder Diskussionen in der Partei durchgeführt werden. So habe ich das sehr bei ihr wahrgenommen.
    Friedrich Merz habe ich eben ja schon beschrieben, so wie ich ihn wahrnehme. Die Wirtschaftskompetenz wird er sicherlich hervorstreichen. Das kann er auch, da ist er auch richtig gut in den Bereichen, und das, glaube ich, wird dann auch das Unterscheidungskriterium zu den anderen Bewerbern sein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.