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Hans-Peter Friedrich
"Islam ist kein prägendes Element in Deutschland"

"Der Islam gehört zu Deutschland" - den von Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut geäußerten Satz will der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich "immer noch nicht unterschreiben". Deutschland sei christlich, nicht islamisch geprägt, sagte der CSU-Politker im Deutschlandfunk.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Sandra Schulz | 13.01.2015
    Hans-Peter Friedrich von der CSU
    "Mir ist das relativ unbegreiflich, wo die Pegida-Demonstranten eine Islamisierung sehen", sagte Hans-Peter Friedrich, CSU, im Interview mit dem Deutschlandfunk. (imago / Rüdiger Wölk)
    "Natürlich gehören die Muslime zu unserer Gesellschaft", räumte Friedrich ein. Aber dass der Islam zu Deutschland gehört, könne er nicht bestätigen und erklärte: "Es geht um die Frage, was ist konstitutiv, was macht die Identität dieses Landes aus?" In Deutschland sei das eine christliche Identität aufbauend auf christlich-jüdischen Wurzeln. "Ob der Islam in Jahrhunderten einmal ein prägendes Element Europas sein wird, oder Deutschlands, das wird sich über die Geschichte zeigen."
    Er könne deshalb auch nicht die Ängste der islamkritischen Pegida-Demonstranten verstehen. "Ich kann nicht feststellen, dass in Deutschland eine Islamisierung stattfindet." Es gebe keinen Grund, jemandem feindselig gegenüberzustehen.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte wie früher schon Ex-Bundespräsident Christian Wulff gesagt: "Der Islam gehört zu Deutschland."
    Friedrich stellt sich gegen Blasphemie
    Zugleich warb Friedrich für eine schärfere Bestrafung von Blasphemie. "Ich glaube, dass es nie gut ist, wenn man die religiösen Gefühle von Menschen verletzt. Natürlich haben Menschen das Recht, sich in einer freien Gesellschaft lustig zu machen über Religion." Beleidigungen und Herabwürdigungen seien aber immer schlecht. Daher müsse man darüber nachdenken, ob nicht Grenzen erreicht sind, die nicht mehr vertretbar seien.

    Das Interview mit Hans-Peter Friedrich in voller Länge:

    Sandra Schulz: "Je suis Charlie" - millionenfach ist das gesagt und geschrieben worden nach den Anschlägen in Paris in der vergangenen Woche. Die Bilder von der Kundgebung in Paris mit drei Millionen Teilnehmern am Wochenende, die sind um die Welt gegangen, die Bilder auch von den untergehakten Staats- und Regierungschefs.
    Für heute ist die nächste Solidaritätskundgebung in Berlin geplant. Zu einer Kundgebung gegen den islamistischen Terror haben für heute die Verbände der Muslime aufgerufen. Viele deutsche Spitzenpolitiker wollen kommen. "Zusammen stehen, Gesicht zeigen" - das ist das Motto.
    Mitgehört hat einer, den wir gerade im Originalzitat auch schon gehört haben: der stellvertretende Vorsitzende der CSU/CDU-Bundestagsfraktion - das ist er inzwischen -, der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich. Guten Tag!
    Hans-Peter Friedrich: Hallo! Ich grüße Sie.
    Schulz: Wir haben es gerade noch mal gehört. Sie haben gesagt vor vier Jahren, der Satz, den Christian Wulff gesagt hat, den können Sie so nicht unterschreiben. Jetzt hat die Kanzlerin es gestern auch gesagt, der Islam gehört zu Deutschland. Unterschreiben Sie es jetzt?
    "Dass der Islam zu Deutschland gehört, kann ich nirgends erkennen"
    Friedrich: Also ich kann es immer noch nicht unterschreiben. Ich habe damals gesagt, selbstverständlich gehören die Muslime, die in diesem Land leben, zu diesem Land sich bekennen, zu Deutschland, überhaupt keine Frage, zu der deutschen Gesellschaft. Da gibt es nichts zu deuteln und nichts zu relativieren.
    Aber dass der Islam zu Deutschland gehört, das kann ich nirgends erkennen. Der Islam ist kein prägendes, konstitutives Element der Identität unseres Landes, und bei dieser Meinung bleibe ich.
    Schulz: Aber ist das nicht logisch inhaltlich etwas widersprüchlich? Sie sagen, die Menschen gehören dazu. Aber ihre Religion, der Islam, nicht?
    Friedrich: Die Frage ist doch, was bedeutet, der Islam gehört zu. Die Frage, gehört zu, ist doch das Entscheidende. Gehört zu heißt doch nicht, dass es irgendwie da ist. Es ist vieles da in Deutschland. Es gibt Buddhisten, es gibt Hindus, es gibt alle möglichen Menschen und alle möglichen Erscheinungsformen, die es auch in Deutschland gibt, überhaupt keine Frage.
    "Islamisierung in Deutschland kann ich nicht feststellen"
    Es geht doch hier um die Frage, was ist konstitutiv, was macht die Identität dieses Landes aus, und die Identität dieses Landes, gewachsen über Jahrhunderte, ist eben nicht islamisch, sondern ist eine christliche Kultur, aufbauend auf christlichen, jüdischen Wurzeln. Das hat der Christian Wulff ja damals völlig richtig gesagt, und das ist so. Und ich kann auch nicht feststellen, wo eine solche Islamisierung Deutschlands in den letzten Jahren stattgefunden hat, und ich kann auch nicht erkennen, dass eine solche Islamisierung stattfindet.
    Deswegen ist mir das auch relativ unbegreiflich, wo die Pegida-Demonstranten eine Islamisierung sehen. Ich sehe friedliche Menschen hier, die ihren Glauben leben, und es ist konstitutiv für das Christentum, dass wir selbstverständlich auch die Religionsfreiheit den anderen zubilligen, auch wichtig für unser Land.
    Schulz: Warum müssen die Menschen dann immer wieder gesagt bekommen, dass sie nicht dazugehören?
    Friedrich: Aber Entschuldigung! Sie haben mir nicht zugehört. Die Menschen gehören zu dieser Gesellschaft, zu diesem Land.
    Schulz: Aber ihre Religion nicht?
    Friedrich: Schauen Sie, ich habe muslimische Freunde. Es sind gute Freunde von mir. Es sind Freunde, die zu mir gehören. Aber deswegen würde ich doch nie sagen, der Islam gehört zu mir.
    "Die freie deutsche Gesellschaft prägt die Muslime"
    Schulz: Was sagen die denn dazu, dass Sie der Meinung sind, ihre Religion gehöre nicht zu Deutschland?
    Friedrich: Der Islam ist kein prägendes Element der Identität dieses Landes. Das kann jeder erkennen, der durch Deutschland geht. Der sieht Kirchen, der sieht Gemälde, der hört Musik, die aus vielen Jahrhunderten aus kirchlichen Wurzeln entstammt, der sieht Bilder, der sieht Kunst, der sieht Architektur, die vom Christentum geprägt sind.
    Ob der Islam in Jahrhunderten einmal ein prägendes Element Europas sein wird, oder Deutschlands, das wird sich über die Geschichte zeigen. Ich kann momentan feststellen, dass nicht der Islam Deutschland prägt, sondern umgekehrt die freie deutsche Gesellschaft sehr stark die Muslime prägt, und das ist eine gute Entwicklung.
    Schulz: Und warum schüren Sie dann die Sorgen vor einer weiteren Islamisierung?
    Friedrich: Sie haben mir wieder nicht zugehört. Ich habe gesagt, ich kann eine solche Islamisierung nicht erkennen. Deswegen kann ich auch nicht verstehen, woher Pegida diese Islamisierung erkennen will.
    Schulz: Ja, das habe ich schon gehört, dass Sie das gerade gesagt haben. Aber ich verstehe es inhaltlich nicht, wenn Sie von einer christlich-jüdisch-abendländischen Leitkultur sprechen. Was ist dann der Unterschied dazwischen und der Sorge vor einer Islamisierung des Abendlandes?
    "Ich habe vor nichts und niemanden Angst"
    Friedrich: Ich spreche davon, dass dieses Land hier über Jahrhunderte von Christentum, von Aufklärung, von Humanismus geprägt ist. Das ist unsere Identität.
    Schulz: Und das ist jetzt bedroht?
    Friedrich: Überhaupt nicht. Mit dieser Identität, mit diesem Selbstbewusstsein kann ich meinen muslimischen Freunden, den Buddhisten, den Hindus begegnen, ihnen die Hand reichen und sagen, schön, dass ihr euren Glauben habt, ich habe meinen Glauben. Aber ich stehe fest auf meiner Kultur, auf meiner Tradition, auf meiner deutschen Identität.
    Ich habe vor nichts und niemandem Angst und ich glaube, solange wir diese Kultur und Identität auch mit Festigkeit bewahren, wird es auch keinen Grund geben, irgendjemandem gegenüber ablehnend oder gar feindselig gegenüberzustehen.
    Schulz: Warum haben Sie dem "Spiegel" denn dann gesagt, dass viele Menschen, die zu den Pegida-Demonstrationen gehen, dass die legitime Ängste haben?
    Friedrich: Also Sie müssten das „Spiegel"-Interview noch mal lesen.
    Schulz: Habe ich heute Vormittag gemacht.
    Friedrich: Ich habe gesagt, dass es natürlich viele gibt, die Angst haben, die Angst um die Identität dieses Landes haben. Ich habe von Islam überhaupt nicht gesprochen, sondern ich habe gesagt, wir müssen dazu kommen, wieder stärker auch unsere Identität, unsere Kultur zu betonen, und ich halte jede Relativierung für nicht angezeigt.
    "Wir müssen unsere Identität stärker betonen"
    Schulz: Und das heißt, die Interpretation, die um den Jahreswechsel die Runde machte, dass Sie damit indirekt auch sagen wollten, dass die Kanzlerin "schuld" sei an dem Erstarken von AfD und Pegida, das waren alles Missverständnisse?
    Friedrich: Ja lesen Sie halt mal das Interview. Bei diesem Interview ging es um die Frage der Positionierung meiner Partei, der Christlich-Sozialen Union, in einem Parteienspektrum, in dem momentan eine AfD, eine Rechtspartei aufscheint, und die Frage ist, wie kann es zu einer solchen Erscheinungsform kommen.
    Und ich rufe dazu auf, die Menschen, die in diese Richtung tendieren, in ihren Sorgen und Nöten ernst zu nehmen, sich mit denen auseinanderzusetzen. Das ist mein Petitum, dazu rufe ich auf. Und das verlange ich auch, dass wir in einem demokratischen Land eine solche Diskussion führen können.
    Schulz: Ja klar, machen wir jetzt auch gerade. Das Interview liegt gerade noch mal neben mir, deswegen kann ich es direkt zitieren, was Sie gesagt haben. Sie haben gesagt: "Ein nicht unbedeutender Teil der Gesellschaft habe das Gefühl, im bundespolitischen Parteienspektrum nicht mehr vertreten zu sein, oder zumindest keine relevante Stimme mehr zu haben", dass die CDU das nicht erkenne und dass die CSU da weiter helfen müsse. Wie anders ist denn das zu verstehen, als dass Merkel die Union in die Mitte gerückt habe?
    Friedrich: Ich habe damit gemeint, sowohl viele Wirtschaftsliberale wie Liberal-Konservative, die tatsächlich in vielem, was diese Regierung macht, sich nicht mehr repräsentiert fühlen, auch was der Bundestag sagt nicht mehr repräsentiert fühlen, und deswegen sage ich, lasst uns das Spektrum der Diskussion, auch der Stimmen erweitern. Das ist eine urdemokratische Forderung. Nicht mehr und nicht weniger steht in dem, was Sie gerade vorgelesen haben.
    Schulz: Eins möchte ich noch ansprechen aus der Diskussion rund um die Attentate oder nach den Attentaten in Paris. Da gibt es jetzt eine Forderung aus der CSU, die Strafe für Blasphemie zu erhöhen. Welche Religion soll da geschützt werden, der Islam, um den es jetzt die ganze Zeit geht, oder das Christentum?
    "Beleidigung und Herabwürdigung von Religion ist immer schlecht"
    Friedrich: Lassen Sie uns da mal eine grundsätzliche Antwort diskutieren. Ich glaube, dass es nie gut ist, wenn man die religiösen Gefühle von Menschen angreift oder verletzt. Natürlich passiert das, ist überhaupt keine Frage. Natürlich haben Menschen auch das Recht, sich in einer freien Gesellschaft lustig zu machen über Religion.
    Ich finde das nicht gut, ich würde das für mich nie in Anspruch nehmen. Aber Beleidigung und Herabwürdigung von Religion ist immer schlecht, dient nicht dem Frieden in einem Land, und deswegen gibt es auch den Blasphemie-Paragraphen und deswegen, denke ich, muss man auch darüber nachdenken, ob da nicht irgendwie Grenzen erreicht sind, die nicht mehr in Ordnung sind.
    Schulz: Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich, hier heute bei uns im Deutschlandfunk-Interview. Danke Ihnen.
    Friedrich: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.