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"Hier ist kriminelle Energie die Ursache dieses Debakels"

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte Bioeier aus Mecklenburg-Vorpommern essen", sagt Till Backhaus (SPD), Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, und fordert unverzüglich eine Agrarminister- und Verbraucherschutzminister-Konferenz zu machen, um den Dioxin-Skandal aufzuklären und gegebenenfalls Gesetzesanpassungen vorzunehmen.

Till Backhaus im Gespräch mit Friedbert Meurer | 06.01.2011
    Friedbert Meurer: Und am Telefon begrüße ich Till Backhaus, er ist Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, SPD. Guten Tag, Herr Backhaus!

    Till Backhaus: Guten Tag, Herr Meurer!

    Meurer: Da das vielleicht die Verbraucher am meisten interessiert: Würden Sie im Moment davon abraten, Eier zu kaufen, die nicht bioproduziert sind?

    Backhaus: Also ich kann die Verbraucherinnen und Verbraucher nur auffordern, Eier aus Mecklenburg-Vorpommern, Geflügel aus Mecklenburg-Vorpommern zu kaufen, weil nach heutigem Kenntnisstand Mecklenburg-Vorpommern kein dioxinhaltiges Futtermittel bekommen hat. Und man kann das auch sehr schnell erkennen: Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat die Kennzahl auf den Eiern 13, und damit geht man wirklich davon aus, dass man hervorragende Produkte zu sich nehmen kann. Und zum anderen kann ich auch nur raten, weil auch eindeutig festgelegt ist, dass bei Biofutter kein Fett, pflanzliches Fett beigemischt werden darf, dass Bioeier zurzeit erste Wahl sind.

    Meurer: Also Sie raten zu Bioeiern, wer ganz auf Nummer sicher gehen will?

    Backhaus: Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte Bioeier aus Mecklenburg-Vorpommern essen.

    Meurer: Was sagen Sie denn zu diesem ganzen Schlamassel, der da angerichtet worden ist, steckt da kriminelle Energie dahinter?

    Backhaus: Also wenn man so wie ich für Landwirtschaft, Umwelt, Verbraucherschutz zuständig ist und das zwölf Jahre macht, dann kann man sich vorstellen, dass ich auch BSE überstanden habe. Und wir haben ja das Lebensmittel- und das Futtermittelgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland unter Rot-Grün angepasst, gegen den Willen damals der CDU/CSU und FDP. Und wir haben eindeutig festgelegt, dass erstens der Unternehmer die volle Verantwortung für das Lebensmittel- und Futtermittelrecht hat und dass damit der Unternehmer auch die Gewähr zu tragen hat, dass Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden, die wirklich in Ordnung sind. Und deswegen sage ich, jawohl, hier ist kriminelle Energie die Ursache dieses Debakels.

    Meurer: Gab's zu wenige Kontrollen, dass das passieren konnte?

    Backhaus: Ich erwarte von Schleswig-Holstein und auch von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, dass diese Fälle wirklich eindeutig aufgeklärt werden. Wir haben eine systematische Kontrolle über Jahre hinweg in der Futtermittelindustrie durchgeführt, allein im letzten Jahr 67 Dioxin-, ausschließlich auf Dioxin Überprüfungen vorgenommen in unseren zwölf Mischfutterwerken, die wir in Mecklenburg-Vorpommern haben, und in keinem Fall hatten wir überhöhte Werte.

    Meurer: Also wenn ich jetzt richtig rechne, sind Sie alle drei Monate dann in einem Mischfutterwerk und nehmen Proben?

    Backhaus: Also unsere Mischfutterwerke sind im Übrigen HACCP-zertifiziert, das ist im europäischen Maßstab üblich, und damit ist erstens der Unternehmer verantwortlich, einwandfreies Futtermittel, die im Übrigen Lebensmittelqualität haben müssen, verantwortlich, und wir machen die Kontrolle der Kontrolle. Und dieses Prinzip hat sich in Mecklenburg-Vorpommern bewährt.

    Meurer: Da offenbar einige Unternehmer alle Warnungen, alle Aufforderungen in den Wind schlagen, sollte man höhere Strafen aussprechen können?

    Backhaus: Aus meiner Sicht ist das jetzt wirklich sachlich zu prüfen. Wir haben ja das Strafmaß schon erhöht, es geht nämlich bis zu sechs Jahren Haft, oder auch, dass man die Erlösauskehr, den Mehrgewinn, den man ja durch dieses Einmischen erzielt hat, dass man das abschöpfen kann, wenn dann noch was zu holen ist. Und auf der anderen Seite sage ich auch sehr klar, dass wir das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch anpassen müssen in der Frage technische Fette. Für mich ist eindeutig klar, dass diese technischen Fette hätten überhaupt nicht im Futter eingemischt werden dürfen, und es ist für mich vollkommen klar, dass es hier getrennte, strikt getrennte Produktionswege geben muss, damit in der Zukunft so was nicht noch einmal passieren kann.

    Meurer: Legen Sie dafür die Hand ins Feuer, Herr Backhaus, dass bei Ihnen in Mecklenburg-Vorpommern technische Fette und tierische Fette nicht miteinander vermischt werden?

    Backhaus: Wissen Sie, mit dem Problem der Lebensmittelskandale der letzten Jahre muss man ja auch feststellen, die Landwirtschaft ist wirklich völlig unschuldig, und es ist immer wieder der Zwischenhandel oder Schlampereien, die hier entstanden sind. Und deswegen kann ich nur sagen, nach bestem Wissen und Gewissen sage ich und appelliere ich an unsere Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern, die hohe Qualität der Lebensmittel in den Vordergrund zu stellen und alles dafür zu tun, dass solche Schlampereien in unserem Bundesland nicht passieren.

    Meurer: Die Landwirtschaft ist völlig unschuldig, sagen Sie, das glaubt Ihnen im Moment kein Verbraucher, Herr Backhaus!

    Backhaus: Wissen Sie, was kann denn ein Landwirtschaftsbetrieb dafür, dass er Futter von einem Mischfutterwerk bekommt und im Treu und Glauben dieses Futtermittel einsetzt? Denn ein Landwirt, der denkt über Generationen und hat ein Interesse daran, nämlich hochwertige Lebensmittel in Deutschland zur Verfügung zu stellen – und deutsche Lebensmittel haben zum Glück weltweit nach wie vor und in Deutschland einen sehr, sehr guten Ruf, und den lasse ich mir auch nicht versauen.

    Meurer: Vielleicht war es der Fehler, dass er zu billiges Futter eingekauft hat und die teurere Variante wäre vielleicht die bessere gewesen?

    Backhaus: Die Futtermittel sind, wenn Sie sich das anschauen, in diesem Jahr sehr stark angestiegen, nachdem es eine doch starke Nachfrage beziehungsweise auch Exportverbote aus Russland gegeben hat, sodass die Futtermittel um 25, 30 Prozent in den letzten Monaten angestiegen sind und der Landwirt selber wirklich dafür nicht die Verantwortung trägt. Ich betone noch mal, der eigentlich Landwirt ist nicht der Verursacher dieses Problems, sondern der eine Unternehmer, der aus Schleswig-Holstein heraus dieses technische Fett im Wissen, dass er hätte dieses nicht einsetzen dürfen, eingesetzt hat, und das ist kriminelle Energie. Und ich erwarte von Schleswig-Holstein und auch von der Bundesregierung, dass wir unverzüglich eine Agrarminister- und Verbraucherschutzminister-Konferenz machen, um diese Sache aufzuklären und gegebenenfalls auch Gesetzesanpassungen vorzunehmen.

    Meurer: Wenn der Unternehmer nicht zahlen kann, nicht den Schaden zahlen kann, soll es der Staat tun?

    Backhaus: Dann gehört er ins Gefängnis.

    Meurer: Davon haben die Bauern dann kein Geld aber.

    Backhaus: Ja, das müssen wir sehen. Ich denke mal, dass die Mischfutterindustrie als solches sich ihrer Verantwortung bewusst sein muss, und ich erwarte hier auch von den Mischfutterherstellern, die dies mitzuverantworten haben, dass sie die Landwirte wirklich schadlos halten. Denn die können nichts dafür.

    Meurer: Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz in Mecklenburg-Vorpommern. Herr Backhaus, besten Dank für das Gespräch im Deutschlandfunk, Wiederhören!

    Backhaus: Danke auch, Wiederhören!