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Hochschule Bremen und die Bundeswehr
Kooperation zum friedlichen Zweck?

Ab dem kommenden Wintersemester wird die Hochschule Bremen erstmals Studentinnen für die Bundeswehr ausbilden - so wurde es in einem Kooperationsvertrag vereinbart. Seit kurzem ist der Vertrag öffentlich und sorgt für Kritik.

Von Almuth Knigge | 23.08.2016
    Eine Studentin der Schulpädagogik schreibt am 17.10.2012 während einer Vorlesung in einem vollen Hörsaal in der Universität in Tübingen (Baden-Württemberg) mit.
    Ab dem Wintersemester sollen Studentinnen an der Hochschule Bremen den internationalen dualen Frauenstudiengang Informatik studieren können. (picture alliance / dpa - Jan-Philipp Strobel)
    Die Diskussion um die Zivilklausel in Bremen ist überflüssig – zumindest, wenn es nach dem Justizressort geht. Die juristischen Experten in Bremen kommen zu dem Ergebnis, dass eine Kooperation des internationalen dualen Frauenstudiengangs Informatik mit der Bundeswehr zu einem friedlichen Zweck geschehe. Ihr Fazit – kurz zusammengefasst: unfriedlich sei laut Artikel 24 und 26 des Grundgesetzes nicht gleichbedeutend mit militärisch und deshalb sei eine Kooperation der Hochschule mit der Bundeswehr unproblematisch. Eine Einschätzung, die der hochschul- und wissenschaftspolitischen Sprecherin der "Linken" in der Bremer Bürgerschaft, Miriam Strunge, den Puls nach oben schnellen lässt.
    "Weil, wenn die Bundeswehr friedlich ist, dann ist so ein bisschen die Frage, wer ist dann eigentlich nicht friedlich, und wofür gibt es diese Zivilklausel eigentlich."
    Beziehungsweise – wie muss man sie interpretieren. Darüber streitet Bremen nun schon seit Monaten. Man müsse, sagt Professor Axel Viereck, Konrektor für Studium und Lehre, die Klausel nur richtig lesen. Studium, Forschung und Lehre, so steht es im ersten Satz, dienen ausschließlich friedlichen Zwecken. Eine Beteiligung an Projekten mit militärischer Nutzung solle dagegen abgelehnt werden, heißt es weiter.
    "Das ist der eigentliche Sinn in meinen Augen dieser Zivilklausel, jedem Einzelnen das Recht zu geben, in der Hochschule zu entscheiden, ob er an bestimmten Projekten mitmacht oder nicht."
    Appell an das eigene Gewissen
    Ein Appell an das eigene Gewissen – so liest Viereck die Zivilklausel. Viele, so wie Miriam Strunge, interpretieren die Zivilklausel grundsätzlicher – und wollen sie auch so verstanden wissen. Der Bremer Weg sei deshalb ein fatales Signal, so die Linken-Politikerin Strunge:
    "Gerade wird sie ausgehöhlt und es ist die Frage, ob sich das so durchsetzen kann, dass quasi nach dem jahrzehntelangem Kampf für die Zivilklausel, die jetzt endlich da ist, sich zeigt, ich sag mal so, wir haben euch alle verarscht, weil wir machen ja sowieso, was wir wollen, oder ob sich jetzt auch Widerstand organisiert und man sagt, nein, wir wollen die Zivilklausel, so, wie sie im Gesetz steht, aber wir wollen sie auch in der praktischen Umsetzung."
    Für sie heißt das grundsätzlich, "dass es keine Kooperation mit der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie gibt."
    Der Vertrag ist seit kurzem öffentlich – wie man ihn interpretiert, das ist sehr unterschiedlich. In Paragraf 2 heißt es: "Die zeitliche und thematische Aufteilung der Ausbildung wird in einer gesonderten Vereinbarung (Studienverlaufsplan) zwischen Hochschule und dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr festgelegt. Bei der Festlegung haben die jeweiligen Belange der Vertragspartner Berücksichtigung zu finden.
    Ist das Einflussnahme? Die Rektorin der Hochschule, Karin Luckey, bestreitet das:
    "Ich wehre mich dagegen, dass hier unterstellt wird, der Partner nimmt Einfluss auf das Curriculum, auf andere inhaltliche Positionierungen, die wir aber eindeutig hier seit 16 Jahren verfolgen und der Partner hat einen Respekt vor unserer Zivilklausel und vor den strukturellen und konzeptionellen Rahmenbedingungen, die kennt er und darauf hat er sich eingelassen."
    Einflussnahme vorprogrammiert?
    Miriam Strunge ist anderer Auffassung:
    "Wenn man sich anschaut, auf der Homepage, wie die Bundeswehr dafür wirbt für ihre verschiedenen Studiengänge, wo unter anderem als einer eben auch der internationale Frauenstudiengang Erwähnung findet, dann stehen da so Sätze wie: 'Sie werden in internationalen Einsätzen der Rüstungskooperation eingesetzt und arbeiten oft mit Partnerstaaten und der ausländischen Industrie zusammen.'"
    Dann sei damit eine Einflussnahme programmiert. Die Positionen stehen sich unvereinbar gegenüber. Nicht nur in Bremen – auch anderswo geben sich immer mehr Hochschulen eine Zivilklausel. Alleine im vergangenen Jahr haben 36 Hochschulen diese Form der Selbstverpflichtung in ihren Grundordnungen festgeschrieben. Ein Dilemma können viele von ihnen nicht lösen: dass innovative Technik oft sowohl zum Wohl als auch zum Wehe der Menschheit benutzt werden kann. Dual Use, heißt das. Verbieten? Oder reicht es vielleicht schon, wenn die Existenz dieser Zivilklausel immer wieder zu einer kritischen Debatte über friedliche Forschung und Lehre führt? Das wird in Bremen gerade heftig diskutiert.