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IHK Frankfurt: Folgen des Nachtflugverbots sind nicht abschätzbar

Das Nachtflugverbot für den Frankfurter Rhein-Main-Flughafen ist grundsätzlich ein positives Signal, sagt Andreas Freundt, zuständig für Standortpolitik bei der Industrie- und Handelskammer in der Mainmetropole. Wichtig sei es, dass die Wettbewerbsfähigkeit in den Nachtrandzeiten nicht eingeschränkt werde.

Das Gespräch führte Rainer Brandes | 05.04.2012
    Jürgen Liminski: Die Nachtruhe ist gerettet, die Wirtschaftlichkeit, sprich der Profit eines Unternehmens, darf nicht auf Kosten der Gesundheit der Menschen gehen, nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gestern herrscht Erleichterung bei den Anwohnern und Frust bei dem betroffenen Unternehmen. Mein Kollege Rainer Brandes sprach über das Urteil mit Andreas Freundt, dem für Standortpolitik zuständigen Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Frankfurt. Seine erste Frage lautete: Bricht der Wirtschaftsstandort Frankfurt jetzt zusammen?

    Andreas Freundt: Nein, das ist sicherlich nicht der Fall. Zunächst begrüßt die Industrie- und Handelskammer in Frankfurt das Urteil in dem Sinne, weil natürlich klar ist, dass der Ausbau des Flughafens rechtens war und damit definitiv es keine Stilllegung der neu integrierten Landebahn geben wird. Es wird das Nachtflugverbot von 23 bis fünf jetzt postuliert, das wird befolgt werden müssen und es wird sicherlich noch die spannende Frage jetzt aufgeworfen, was in den Nachtrandzeiten passiert von 22 bis 23 Uhr und von fünf bis sechs Uhr. Grundsätzlich sehen wir es als sehr positives Signal, dass der Flughafen in den Nachtrandstunden funktionsfähig bleibt, aber wir stehen natürlich vor neuen Herausforderungen, deren Folgen sind jetzt aber, denke ich, noch nicht abschätzbar.

    Rainer Brandes: Fraport, die Betreiberin des Flughafens, hat das Urteil auch begrüßt. Ist denn dann der Nachtflug vielleicht gar nicht so wichtig für die Wirtschaft, wenn selbst der Betreiber des Flughafens sagt, damit können wir leben?

    Freundt: Zunächst mal: Bei einer völligen Freigabe des Nachtfluges ist natürlich immer gut, wenn die Wirtschaft die Möglichkeit hätte, das, was möglich ist, auch auszunutzen. Es gibt ja Standorte in Deutschland und Europa, wo wir keine Nachtflugregelung haben. Jetzt sind wir hier im städtischen Kontext, in einer Metropolregion in Frankfurt Rhein-Main, und da gibt es natürlich gewisse Grenzen, die halt eingehalten werden sollten, und die Wirtschaft hat natürlich jetzt die Herausforderung, an den Nachtrandzeiten, also insbesondere jetzt 22 bis 23 Uhr und 5 bis 6, die Komplexität dieses Luftfrachtsystems, Logistiksystems, hier noch instand zu halten. Es ist ja so, dass 50 bis 70 Prozent der Frachttransporte als Beiladefracht in den Passagierflugzeugen transportiert werden, und dadurch, dass wir eine hohe Anzahl hier an Passagierflugzeugen haben, gleichzeitig die Fracht auch Nummer eins in Europa ist, ist diese Knotenfunktion natürlich ganz wichtig. Logistik funktioniert natürlich nicht an allen Standorten, sondern muss gebündelt werden an ausgewählten Standorten. Man kann Flughäfen natürlich auch nicht einfach auf die grüne Wiese verlegen.

    Brandes: Das heißt, verstehe ich Sie da richtig, dass auch Sie als Vertreter der Wirtschaft sagen, das Nachtflugverbot in so einer Metropole wie Frankfurt ist in Ordnung, ist richtig, sollte so sein?

    Freundt: Ja! Grundsätzlich ist es positiv. Wir waren ja als Industrie- und Handelskammer vor zwölf Jahren bereits beteiligt am sogenannten Mediationsverfahren und Teil des Mediationspaketes war immer auch der Part des Nachtflugverbots von 23 bis fünf Uhr. Die Herausforderung, die jetzt die Wirtschaft sich dann stellen muss, ist die Frage der Nachtrandzeiten, und da ist es halt wichtig, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes insbesondere nicht eingeschränkt wird und Unternehmen ihre Investitionen dann demzufolge auch nicht verlagern, also dass wir eigentlich hier als Region Frankfurt Rhein-Main auch zukünftig attraktiv bleiben und das Ganze aus Standortsicht dann keine Nachteile aufwirft.
    Es geht immer natürlich auch um eine Abwägung. Es ist, denke ich, ganz wichtig, dass wir hier im städtischen Kontext zum einen die Belange der Wirtschaft, aber natürlich auch die ganze Diskussion um das hoch emotionale Thema Fluglärm hier ausgleichen müssen und abwägen müssen.

    Brandes: Rein rechtlich gilt dieses Urteil ja jetzt erst mal nur für Frankfurt am Main. Trotzdem ist bundesweit die Diskussion wieder entflammt über Nachtflugverbote und Fluglärm. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, welche Auswirkungen befürchten Sie bundesweit für die Wirtschaft?

    Freundt: Ja, es kann sicherlich vermutet werden, dass die Diskussionen zum Thema Nachtflugverbot auch an anderen Standorten – ob das Berlin oder München sein könnten – auch eine Rolle spielen. Es gibt Stimmen, die sagen, dass möglicherweise in den kommenden fünf bis zehn Jahren durchaus andere europäische Standorte – sei es Amsterdam, sei es Paris – sicherlich weiteren Zuwachs erhalten könnten, aber das sind alles Dinge, die natürlich auch vor dem Hintergrund der Frage zu beachten sind, welche Rolle Infrastruktur-Großprojekte insgesamt heute in der Gesellschaft spielen. Wir haben ja neben der Tatsache, dass es sich hier um ein Flughafen-Großprojekt handelt, auch andere Projekte im Verkehrsbereich, im Energiebereich, wo wir einen Paradigmenwechsel feststellen, und hier ist es ganz wichtig, dass wir als Wirtschaft auch transparente Prozesse voranstellen, unter diesem Abwägungsprozess im Planungsfall zwischen den Belangen der Wirtschaft und halt auch den gesellschaftlichen Anforderungen ausgleichen, und dann ist sicherlich der Standort Deutschland und der Standort Europa wieder auf einem guten Weg.

    Liminski: Andreas Freundt, Geschäftsführer der Internationalen Handelskammer Frankfurt und dort zuständig für Standortpolitik, im Gespräch mit meinem Kollegen Rainer Brandes.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.