Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Illegale Autorennen
Rasern von Berlin drohen harte Strafen

Illegale Autorennen sind in vielen Städten Deutschlands ein Problem. Im September hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, um die Beteiligten härter zu bestrafen. In Berlin könnte in diesem Zusammenhang jetzt Rechtsgeschichte geschrieben werden: Zwei mutmaßliche Auto-Raser sollen wegen Mordes verurteilt werden - fordert die Staatsanwaltschaft.

Von Daniela Siebert | 27.02.2017
    Sie sehen einen Gerichtssaal mit den beien Angeklagten und ihren Verteidigern. Die Gesichter der Angeklagten sind unscharf.
    Hamdi H. und Marvin N. hatten sich mitten in Berlin ein Autorennen geliefert. Ein Mann wurde dabei getötet. (picture-alliance / dpa / Paul Zinken)
    Es geschah am 1. Februar 2016 gegen ein Uhr nachts. Die Ampel ist grün, ein Arzt im Ruhestand fährt aus einer Seitenstraße auf Berlins bekannte Einkaufsmeile Tauentzien, ganz in der Nähe vom Kaufhaus des Westens. Wenige Minuten später ist er tot.
    Der Angeklagte Hamdi H. war mit seinem Audi in den Jeep des 69-jährigen gerast. Hamdi hatte sich mit dem zweiten Angeklagten Marvin N., Fahrer eines Mercedes, ein Rennen geliefert - so die Sicht der Staatsanwaltschaft.
    Mit Start auf dem Kudamm, über rund zwei Kilometer, mitten in der West-Berliner Innenstadt. Unter Missachtung mehrerer roter Ampeln und mit Geschwindigkeiten bis zu 160 Stundenkilometern. Das Ergebnis: ein Toter, die Beifahrerin von Marvin verletzt, drei Pkw zerstört und die Straßenrabatten beschädigt.
    Die Staatsanwaltschaft klagte Hamdi H. und Marvin N. - inzwischen 28 und 25 Jahre alt - wegen Mordes an. Gerichtssprecherin Lisa Jani zum Prozessauftakt im September 2016:
    "Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die beiden Angeklagten ein illegales Autorennen veranstaltet haben und dabei auch in Kauf genommen haben, dass unbeteiligte Dritte sterben könnten."
    "Hier wussten die Leute, was sie getan haben"
    Die Staatsanwälte sahen zwei Mordmerkmale gegeben: "niedrige Beweggründe" und den "Einsatz von gemeingefährlichen Mitteln", gemeint sind die Fahrzeuge. Damit gehen sie weit über die üblichen strafrechtlichen Sanktionen solcher Fälle hinaus: Illegale Auto-Rennen mit Opfern werden in Deutschland sonst als Körperverletzung oder fahrlässige Tötung eingestuft. Rechtsanwältin Gesine Reisert, Verkehrsrechtsexpertin im Deutschen Anwaltverein:
    "Die Staatsanwaltschaft, aber auch das Gericht, haben jedenfalls vorläufig die Sache so bewertet, dass sie sagen: das ist über das, was wir sonst von Autorennen kennen hinausgehend, das heißt, wir sind nicht mehr im Bereich von 'fahrlässiger Tötung', sondern hier ist sozusagen ein Merkmal mehr drin, hier wussten die Leute, was sie getan haben."
    Auch in Bremen hatten Staatsanwälte kürzlich einen Motorrad-Raser wegen Mordes angeklagt: Er hatte einen 75-jährigen Fußgänger umgefahren, der daraufhin gestorben war. Im Verfahren zog die Staatsanwaltschaft den Mord-Vorwurf allerdings zurück, der 24-jährige Motorrad-Fahrer wurde wegen fahrlässiger Tötung zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt.
    In Berlin hat die Staatsanwaltschaft auch in ihren Schlussplädoyers letzte Woche lebenslange Haft für Hamdi und Marvin wegen "gemeinschaftlichen Mordes" gefordert.
    Maßlose Überschätzung der eigenen Fahrkünste
    Die Verteidiger der beiden jungen Männer plädierten dagegen für bedeutend geringere Strafen: Zwei Jahre auf Bewährung wegen "Gefährdung des Straßenverkehrs" für Marvin N. Und maximal fünf Jahre für Hamdi H. wegen "fahrlässiger Tötung".
    Eine Verkehrspsychologin hatte dem 28-Jährigen im Laufe des Verfahrens attestiert, er überschätze maßlos sein Fahrkünste und suche die Schuld immer bei anderen Menschen. Auch bei seinen zahlreichen Verkehrsdelikten: In der Vergangenheit hatte Hamdi H. bereits zweimal seinen Führerschein abgeben müssen, auch weil er beim Überholen Fahrradfahrer verletzt hatte. Mit seinen Einstellungen sei Hamdi H. als Fahrzeugführer ungeeignet, befand die Gutachterin. Therapiebedürftig.
    Das Urteil des Berliner Landgerichts zum tödlichen Raser-Unfall auf dem Tauentzien soll heute Um 9 Uhr 30 verkündet werden.