Archiv


"Im Verein rückt keiner von ihm ab"

Uli Hoeneß habe einen großen Anteil an der Kontinuität des Vereins, sagt der "Focus"-Herausgeber und Mitglied im Aufsichtsrat der FC Bayern München AG, Helmut Markwort. Im Moment gebe es im Verein niemanden, der ihn wegen der Steueraffäre bitte aufzuhören.

Helmut Markwort im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Für Profis wie Fans des FC Bayern ist der Sieg im Champions-League-Finale gegen Dortmund am Samstag ein Triumph gewesen, der schon im Stadion ordentlich gefeiert wurde. Bevor es am kommenden Samstag um das Triple geht, nämlich in Berlin gegen Stuttgart beim DFB-Pokal, trafen Spieler und Trainerstab des FC Bayern gestern in München ein.

    Vor dieser Sendung habe ich hier die Gelegenheit gehabt, mit Helmut Markwort zu sprechen, dem "Focus"-Herausgeber, außerdem Mitglied im Aufsichtsrat der FC Bayern München AG. Ihn habe ich zunächst beglückwünscht für den Sieg in der Champions League und ihn dann gefragt, was ihm denn durch den Kopf ging, als der Schiedsrichter das Spiel abgepfiffen hat?

    Helmut Markwort: Ja, Gott sei Dank keine Verlängerung! Ich hatte mich schon auf die Verlängerung eingestellt mit dem eins zu eins, obwohl man sehen konnte, dass die Bayern-Mannschaft im Lauf der letzten halben Stunde immer dominanter, immer stärker wurde. Aber es war natürlich sehr wichtig, dass die Bayern das gewonnen haben, für Bayern war es wichtiger als für Dortmund.

    Heckmann: Wieso?

    Markwort: Weil diese ganze schöne Saison mit diesen Superrekorden, das wäre alles schwer beschädigt worden, wenn wir gegen eine deutsche Mannschaft verloren hätten!

    Heckmann: Also wäre schlimmer gewesen, als wenn man gegen eine britische Mannschaft beispielsweise verloren hätte?

    Markwort: Ja, eine britische oder spanische oder was, ja.

    Heckmann: Was hat denn am Ende den Ausschlag gegeben?

    Markwort: Ja, die Dortmunder haben sich zu früh verausgabt. Man könnte fast sagen, es war ein Fehler von Klopp oder … Die sind ja gerannt wie die Verrückten, die erste halbe Stunde war ja Dortmund dominant, hat gepresst, den Bayern hinten reingetrieben, Alaba und Boateng den Ball abgenommen, ein Riesendruck, und sie haben aus dieser Überlegenheitsperiode kein Tor gemacht. Das war, wie wenn ein Marathonläufer mit 42 Kilometer Ziel 10.000 Meter losprescht und dann nachlässt. Wir hatten ja dann noch in der zweiten Halbzeit keine Angriffe mehr, keine Ecken, sie haben sich zu früh verausgabt. Die Bayern konnten dann ihr Spiel spielen.

    Heckmann: Spricht man jetzt Deutsch in Europa, auch was den Fußball angeht, um ein Wort von Volker Kauder aufzugreifen?

    Markwort: Soll ich Ihnen mal was sagen, die englische "Sunday Telegraph", die ich mir gestern gekauft habe, hatte doch tatsächlich die Schlagzeile "Deutschland über alles". Das würde sich ja in Deutschland niemand erlauben, aber die hatten in einer englischen Zeitung die deutsche Schlagzeile "Deutschland über alles".

    Heckmann: War vielleicht auch nicht ganz positiv gemeint?

    Markwort: Ja, die Engländer sind ja immer witzig … Der meisterzählte Witz in England war, dass auf jeden Fall eine deutsche Mannschaft verliert!

    Heckmann: Jetzt haben Sie gerade eben schon die erfolgreiche Saison angesprochen des FC Bayern München. Welchen Anteil daran hat Uli Hoeneß?

    Markwort: Uli Hoeneß hat auf jeden Fall einen großen Anteil an der Kontinuität des Vereins. An dieser Saison haben viele Einfluss, der Sammer auch mit seiner Ernsthaftigkeit und Konzentration und Heynckes und dass man die Mannschaft immer verstärkt hat. Aber dass dieser Verein insgesamt 23 Meistertitel eingesammelt hat, sich immer verstärkt, immer dranbleibt, immer oben ist, das ist wesentlich das Werk von Uli Hoeneß.

    Heckmann: Jetzt haben die Spieler ja Uli Hoeneß den Pokal auch in die Hand gedrückt. War das so ein bisschen ein Zeichen der Solidarität für Uli Hoeneß, der ja schwer angeschlagen ist durch seine Steueraffäre?

    Markwort: Ja, im Verein rückt keiner von ihm ab, das konnte man sehen auch am Abend bei der Siegerehrung. Da rufen die Spieler: Uli Hoeneß, Uli Hoeneß, du bist die größte Schau. War ja ein wunderbarer Feierabend, die ganze Mannschaft ging auf die Bühne, der Schweinsteiger hat ein bisschen mit moderiert und Einzelne von den Spielern, zum Beispiel Rafinha und Dante, mussten singen, war eine Riesengaudi und so. Und da hat auch der Hoeneß bei den Spielern eine Rolle gespielt.

    Heckmann: Also, in der Mannschaft rückt niemand von Uli Hoeneß ab, auch Sie, das gilt auch für Sie?

    Markwort: Ja, ich habe mich ja im Aufsichtsrat dazu geäußert. Ich bin ja gegen Vorverurteilung, das hat mit Hoeneß nichts zu tun, das würde bei jedem anderen auch gelten.

    Heckmann: Aber er hat sich ja selber angezeigt, das heißt, er hat ja diesen Straftatbestand zugegeben.

    Markwort: Ja, aber der wesentliche Charakter der Selbstanzeige ist ja, dass sie geheim bleibt. Also seit 2010 haben 47.000 Deutsche sich selbst angezeigt, die sind alle noch in Amt und Würden in ihren Firmen, in ihren Vereinen, in der Gesellschaft. Niemand weiß davon, weil da das Steuergeheimnis gilt. Die haben ihre Steuern gezahlt, Strafe dazu, Zinsen, und diese Zusicherung ist ja bei Uli Hoeneß gebrochen worden.

    Heckmann: Das ist richtig, jetzt ist es in die Öffentlichkeit gekommen.

    Markwort: Da gehört eigentlich Straffreiheit dazu. Ob es jetzt ein Delikt ist, jetzt ist dann die Frage, jetzt wird ermittelt, ob diese Selbstanzeige wirksam ist. Das heißt, a) war sie rechtzeitig und b) war sie auch ausführlich genug.

    Heckmann: Aber dass er Steuern hinterzogen hat, das bestreitet er selber ja auch nicht. Wie lange kann sich aber der FC Bayern München einen Steuerhinterzieher als Aufsichtsratschef leisten?

    Markwort: Solange der Aufsichtsrat hinter ihm steht und solange der Verein hinter ihm steht. Das ist ja das Besondere an dieser Aktiengesellschaft, was oft verkannt wird: Der größte Aktionär der Aktiengesellschaft mit 82 Prozent ist der Verein. Und ich denke, in einem Verein, da gilt auch Solidarität und Freundschaft und Familie und man steht zu jemand und so. Und wenn jetzt da ein Verfahren eingeleitet wird, wenn er angeklagt wird oder so was, gibt es zwar immer noch die Unschuldsvermutung, aber da wird man neu nachdenken. Aber im Moment ist im Verein niemand, der sagt, er soll aufhören, zurücktreten. Man kann es sich nicht leisten.

    Heckmann: Das heißt, Sie rechnen nicht damit, dass Hoeneß selber auch sagt, ich trete zurück oder lasse mein Amt ruhen?

    Markwort: Nein, glaube ich überhaupt nicht.

    Heckmann: Und Sie würden dann auch jede Entscheidung von ihm akzeptieren, auch wenn er sagt, er bleibt?

    Markwort: Ja, wir haben ja ausdrücklich im Aufsichtsrat mit acht zu null sein Ruheangebot – es gibt ja keine Ruhe, Rücktritt, das heißt, das Amt sollte ruhen, das ist juristisch gar nicht relevant –, haben wir ja abgelehnt, weil wir gesagt haben, es wäre eine Vorverurteilung. Wir warten erst mal, ob es überhaupt zu einer Anklage kommt.

    Heckmann: Gelten denn für Uli Hoeneß andere Gesetze als für andere Menschen? Denn in jedem anderen Unternehmen wäre ja ein Werksleiter beispielsweise entlassen worden, der so was gemacht hätte, allein schon wegen der Compliance-Regeln, der Regeln für gute Unternehmensführung!

    Markwort: Na, das sehe ich völlig anders. Der andere Werksleiter, von dem Sie reden, das hätte gar niemand gemerkt. Wenn dieser Werksleiter oder ein Vorstand oder einer Geschäftsführer sich wie Uli Hoeneß, so wie 47.000 Deutsche es gemacht haben, selbst angezeigt hätte, hätte er seine Schulden gezahlt, zu Zinsen und Strafe, hätte das ja in der Firma niemand erfahren. Wenn man ethisch redet, muss man erst mal sagen, bei ihm ist das Steuergeheimnis verletzt worden. Für die Selbstanzeige gilt das Steuergeheimnis. Alle anderen anderen arbeiten unbehelligt weiter.

    Heckmann: Macht das die Sache besser, dass es öffentlich geworden ist?

    Markwort: Was heißt, macht das die Sache besser? Es macht es schlechter, weil er natürlich am Pranger steht!

    Heckmann: Die Steuerhinterziehung?

    Markwort: Nein, überhaupt nicht. Aber in unserem deutschen Rechtsstaat gibt es dieses Instrument der Selbstanzeige unter allen Koalitionen, und dazu gehört Diskretion und Steuergeheimnis! Er ist natürlich, natürlich kann man sagen, er hat sich selbst oft positioniert in Debatten, aber er steht am Pranger, er ist angegriffen worden in jeder Talkshow, Sie fangen jetzt auch wieder davon an, jeder, jeder, jeder redet über ihn, weil das Steuergeheimnis verletzt worden ist. Natürlich, kurioserweise durch Journalisten wie zum Beispiel durch den "Focus", wo ich Herausgeber bin, ja.

    Heckmann: Ja, so funktionieren die Medien natürlich auch, das wissen Sie auch!

    Markwort: Ja, ja, genau.

    Heckmann: Der Chef von Volkswagen, Martin Winterkorn, der hat in der "Bild am Sonntag" gesagt, vor den wichtigen Endspielen in der Champions League und dem DFB-Pokal wäre es falsch gewesen, noch mehr Unruhe in den Verein zu tragen. Kann man also davon ausgehen, dass nach dem DFB-Pokalfinale am Ende der Woche der Rückzug von Hoeneß angezeigt ist?

    Markwort: Ich habe jetzt dieses Zitat nicht gelesen. Müsste mal genau wörtlich gucken, was er gesagt hat, ich habe gestern …

    Heckmann: Ich habe es Ihnen gerade wörtlich vorgelesen.

    Markwort: Ja. Ich habe gestern mit Winterkorn lange gesprochen und der ist genau wie ich der Meinung, wir müssen jetzt abwarten, was sich da juristisch tut. Und die nächste Aufsichtsratssitzung ist, glaube ich, im September oder wann, weiß ich nicht, da wird man sehen, ob es da einen neuen Sachstand gibt. Aber auch der Winterkorn hat nicht verlangt, dass Hoeneß zurücktritt. Und wir rechnen auch nicht damit bis zu dem Zeitpunkt, wo es vielleicht eine Anklage gibt!

    Heckmann: Sportliche Frage zum Schluss, Herr Markwort, wie wahrscheinlich ist es, dass der FC Bayern München das Triple holt?

    Markwort: Wenn die nicht zu viel getrunken haben, ist es ganz schön wahrscheinlich! Gestern waren ja die Spieler sehr erleichtert und sehr ausgelassen und fröhlich und da haben sie mal nicht, wie nach dem Gewinn der Meisterschaft, Wasser getrunken, sondern schon Weißbier und was da halt so geboten wurde. Der Rummenigge hat in seiner Festrede von angepeilten 1,8 Promille gesprochen, Frage: Wie schnell kriegt man das aus dem Körper raus? Aber eigentlich müssten sie Stuttgart schlagen, ohne Angst hingehen. Weil das große Psychospiel war das gegen Dortmund, die Champions League. Dreimal hintereinander das Finale verlieren, das war ein Rekord, den wollten die Spieler nicht aufstellen!

    Heckmann: Helmut Markwort war das, "Focus"-Herausgeber und Mitglied im Aufsichtsrat der FC Bayern München AG. Herr Markwort, danke Ihnen für das Gespräch!

    Markwort: Bitte sehr, ja!

    Heckmann: Schönen Tag noch!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.