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Indianer-Proteste gegen Pipeline
Die Zeit wird knapp

Es ist das größte Protestcamp der indianischen Bevölkerung in den letzten hundert Jahren: Um eine Pipeline in North-Dakota zu verhindern, harren die Standing Rock Sioux und andere Stämme seit Monaten aus. Sie fürchten, dass ein Leck der Pipeline ihre Lebensgrundlage zerstören könnte. Doch es geht um mehr als Öl.

Von Thilo Kößler | 30.11.2016
    Protest gegen den Bau einer Erdölpipeline in North Dakota: Aktivisten und Bewohner des Sioux-Reservats beten gemeinsam im Bemühen um Deeskalation im Streit mit den Behörden
    Protest gegen den Bau einer Erdölpipeline in North Dakota: Aktivisten und Bewohner des Sioux-Reservats fürchten um ihr Trinkwasser (Imago)
    Plötzlich eskalierte der Protest: Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und scharfem Wind setzten die Sicherheitskräfte Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Demonstranten auseinander zu treiben.
    Am Ende zählte man 150 Verletzte - 17 von ihnen mussten in Krankenhäusern versorgt werden. Doch die Demonstranten wichen nicht. Sie harren seit Monaten an der Mündung des Cannonball Rivers in den Missouri aus. Ihr Camp ist mittlerweile zur größten Versammlungsstätte der indianischen Bevölkerung in den letzten hundert Jahren angewachsen – zu den Standing Rock Sioux haben sich Indianer vom Stamm der Arikara, der Mandan und der Cheyenne gesellt und viele Aktivisten aus dem ganzen Land. Sie kämpfen hier gegen den letzten Abschnitt der 1.885 Kilometer langen Dakota Access Pipeline, die künftig Rohöl aus North Dakota nach Illinois pumpen soll.
    Diese Pipeline verläuft zwar nur am Rand des Indianer-Reservats der Standing Rock Sioux und sie soll unter dem Fluss und unter dem angrenzenden See durchgeführt werden. Doch die Indianer fürchten um ihre Wasserreservoirs, von denen sie in der Prärie abhängig seien. Ein Leck an der Pipeline, ein Unfall, ein Anschlag könnte ihr Trinkwasser vergiften und ihre Lebensgrundlage zerstören. Die Betreiberfirma hält dagegen: Die Pipeline sei viel sicherer als die vielen Tanklastzüge, die jetzt unterwegs seien. Dennoch sagt Jeff Chavis vom Stamm der Pee Dee: "Wir bleiben, bis sie die Pipeline stoppen." Und sie sollen ihre Maschinen und ihre Leute gleich mitnehmen. Hier gibt es nichts zu verhandeln.
    Die letzte Ruhestätte der Verstorbenen darf nicht gestört werden
    Es geht jedoch um mehr als um Öl und um Geld und billige Transportwege. Es geht den Indianern um ihr Land, das ihnen heilig ist und das sie nicht wirtschaftlichen Interessen opfern wollen. Unweit des Flusses richteten die Soldaten unter General Alfred Sully am 2. September 1863 ein Blutbad an, das als "Whitehall-Massaker" in die amerikanische Geschichte einging und unter den Indianern Hunderte von Todesopfern forderte. Viele von ihnen fanden hier ihre letzte Ruhestätte, die nach indianischem Ritus nicht gestört werden darf. Deshalb sagt James Smith von den Cheyenne: "Das ist für uns Ureinwohner einfach nur schmerzlich."
    Die Proteste werden von dem Versuch begleitet, das letzte Teilstück dieser Ölpipeline noch auf juristischem Wege zu verhindern. Immerhin gelang es, das Pipeline-Unternehmen Energy Transfer Partners darauf zu verpflichten, vor Erteilung der Baugenehmigung noch weitere Gutachten einzuholen. Firmenchef Kelly Warren will sich aber unter keinen Umständen darauf einlassen, die Pipeline zu verlegen und dem Streit damit ein Ende zu machen, wie Präsident Obama das vorgeschlagen hatte.
    Unterdessen stehen die Zeichen eher auf Eskalation: Anfang der Woche setzte das US-Army Corps of Engineers, das das Land offiziell verwaltet, den Indianern und Demonstranten eine Frist bis zum 5. Dezember: Bis dahin müssen sie das Areal geräumt haben. Auch der Gouverneur von North Dakota kündigte die Evakuierung des Camps an. Die Begründung: Es seien in den nächsten Tagen schwere Schneestürme zu erwarten, denen sich niemand ungeschützt aussetzen könne. Für Dave Archambault macht das die Lage nur noch dramatischer. Er ist der Stammesführer der Standing Rock Sioux.
    Archambault setzt unterdessen auf Präsident Obama, der sich in einem Interview dafür ausgesprochen hatte, die Rechte der indigenen Bevölkerung auf ihr geheiligtes Land zu achten.
    Viel Zeit bleibt nicht mehr. Am 20. Januar tritt Donald Trump die Nachfolge von Barack Obama an. Trump ist an dem Pipeline-Unternehmen Energy Transfer Partners finanziell beteiligt.