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Innenministerium zum Islamverband DITIB
"Instrumentalisierung durch die Türkei nicht hinnehmbar"

Die Zweifel an der Unabhängigkeit des größten islamischen Dachverbands DITIB wachsen - wegen dessen Nähe zum türkischen Religionspräsidium. Das Bundesinnenministerium setzt sich für eine kritische Prüfung ein. Und die Linken-Politikerin Dagdelen befürchtet eine Indoktrination durch DITIB-Gelehrte in deutschen Klassenzimmern.

Von Kemal Hür | 11.01.2017
    Blick in die Merkez-Moschee, Zentralmoschee von Ditib in Duisburg - zu sehen sind eine Kuppel und ein Kronleuchter.
    Die Merkez-Moschee, Zentralmoschee von Ditib in Duisburg (dpa / Revierfoto)
    Das langersehnte Ziel der DITIB, als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden, rückt weiter weg. Der größte islamische Dachverband ist laut der eigenen Satzung ein Ableger des türkischen Religionspräsidiums, das seinerseits direkt dem Ministerpräsidenten angebunden ist. Diese Verbindung der DITIB an den türkischen Staat ist dem Bundesinnenministerium bekannt. Dort heißt es nun, der politische Einfluss des türkischen Staates auf die DITIB nehme derzeit stark zu. Es stelle sich daher die Frage, ob die DITIB religiös selbstbestimmt sei, sagt Harald Neymanns, Sprecher des Bundesinnenministeriums, BMI.
    "Eine Gemeinschaft, die durch einen anderen Staat so beeinflusst wird, dass ihre Grundsätze nicht Ausdruck ihrer religiösen Selbstbestimmung sind, erfüllt nicht die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft. Insofern begrüßt das BMI die kritische Prüfung in den Ländern, ob die DITIB-Landesverbände unter den gegebenen Umständen die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft erfüllen."
    Der Bundesverband der DITIB beteuert seine Unabhängigkeit
    Der Bundesverband der DITIB beteuert, von der Türkei unabhängig zu sein. Die Verbindung zum türkischen Religionspräsidium ist aber in ihrer Satzung festgeschrieben. Diese ist nicht auf ihrer Internetseite einzusehen. Das Deutschlandradio ließ sich deswegen die Satzung vom Amtsgericht Köln, wo der Dachverband als gemeinnütziger Verein eingetragen ist, zukommen und legte sie Stefan Muckel vor. Er ist Professor für Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Universität zu Köln und hat mehrere Gutachten über islamische Organisationen verfasst, auch über die DITIB. Die Abhängigkeit vom türkischen Religionspräsidium Diyanet sei eindeutig, sagt Muckel. "DITIB hat organisatorische und institutionelle Verbindungen zum Diyanet. Das lässt sich der Satzung entnehmen, da gibt es bestimmte Rechte für hohe Bedienstete des türkischen Amtes für religiöse Angelegenheiten."
    So schreibt die Satzung fest, dass der Chef des Diyanet dem mächtigen Beirat der DITIB vorsitzt. Dieses Gremium allein bestimmt, wer in den Vorstand gewählt werden darf. Auch andere Paragraphen stellen eine direkte Verbindung zum türkischen Religionsamt her. Solche strukturellen Abhängigkeiten seien weder auf Bundes- noch auf Landesebene zu akzeptieren, sagt Sevim Dağdelen, Beauftragte für Migration und Integration der Links-Fraktion im Bundestag. Die Bundesländer dürften im Rahmen des islamischen Religionsunterrichts nicht mehr mit der DITIB zusammenarbeiten, sagt Dağdelen.
    "Wir müssen hier auf jeden Fall die Zusammenarbeit mit der DITIB aufkündigen. Wer die DITIB nach wie vor trotz dieser Erkenntnislage in die deutschen Klassenzimmer lässt, der lässt den türkischen Staatspräsidenten in die Klassenzimmer. Es wird ihm die Möglichkeit eröffnet, auf unsere Kinder und Jugendlichen in unseren Schulen Einfluss auszuüben und sie zu indoktrinieren."
    "Wenn DITIB am Tisch sitzt, weiß man, dass Ankara mit am Tisch sitzt"
    Die DITIB ist auch in anderen religiösen Belangen Ansprechpartnerin der deutschen Regierung. So ist sie festes Mitglied der Deutschen Islamkonferenz. Das findet der religionspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, richtig. Aber die Regierung müsse sich bewusst machen, mit wem sie zusammenarbeite, warnt Beck.
    "Wenn DITIB am Tisch sitzt, weiß man, dass Ankara mit am Tisch sitzt. Die DITIB wird geleitet von einem Botschaftsrat der Türkischen Republik. In den DITIB-Verbänden gibt es auch immer wieder Funktionäre aus den Konsulaten der Türkischen Republik. Das ist nicht der Charakter einer Religionsgemeinschaft, die allein nach religiösen Kriterien ihre Religionspflege betreibt, sondern das wird nach der Politik in Ankara ausgerichtet."
    Unter einer türkisch-islamischen Ausrichtung könne die DITIB nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt werden. Die Muslime in Deutschland müssen sich religiös unabhängig von ihren Herkunftsländern organisieren, sagt Beck.
    Das Bundesinnenministerium will in der Islamkonferenz am Dialog mit der DITIB festhalten, spricht aber eine klare Mahnung aus. Sprecher Harald Heymanns:
    "Integrationspolitisches Ziel ist, dass sich Muslime in Deutschland, die zu einem großen Teil Migranten sind oder Migrationshintergrund haben, mehr und mehr als Teil der deutschen Gesellschaft verstehen. In den Gesprächen mit DITIB wird daher sehr deutlich gemacht, dass insbesondere eine politische Einflussnahme oder Instrumentalisierung DITIBs durch die Türkei nicht hinnehmbar ist."
    Die DITIB-Zentrale stand für ein Interview nicht zur Verfügung.