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Internationale Bewegung
"Solidarische Landwirtschaft" als Alternative zur Agrarindustrie

Auf die Wende in der Agrarpolitik wollen sie nicht länger warten: Die Mitglieder einer internationalen Bewegung, die sich in Deutschland "Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi)" nennt, schließen eigene Pakte mit Bauern. Sie bekommen Obst und Gemüse, das im Supermarkt nie verkauft werden würde - mit Macken, aber frei von Pestiziden. Die Bewegung ist auf Wachstumskurs, wider den Gesetzen der Marktwirtschaft und der Agrarindustrie.

Von Jantje Hannover | 08.11.2015
    Äpfel, Kartoffeln, Kohlrabi, Salatkopf, Kürbis liegen auf einem Stuhl
    Äpfel, Kartoffeln, Kohlrabi, Salatkopf, Kürbis liegen auf einem Stuhl (Imago)
    Ein heller Sonntagmorgen im Oktober. Acht junge Erwachsene und ein Kleinkind stehen kurz nach acht Uhr auf dem Gleis am Bahnhof Berlin Gesundbrunnen. Sie wollen zum Ernteeinsatz in den "Waldgarten". Der kleine Hof liegt in Barrenthin in der Brandenburger Prignitz.
    "Wart ihr jetzt alle schon mal draußen? Dieses Jahr war ich zweimal da."
    Barrenthin liegt eine halbe Stunde Radweg vom nächsten Bahnhof entfernt. Jakob und Sandra, Enrico, Mahe und die anderen halten neben sich ihre Fahrräder am Lenker fest. Die Finger sind klamm, über Nacht ist es kalt geworden
    "Mit den Fahrrädern worein?"
    Ansage: "Ihre nächsten Reisemöglichkeiten, RE 28 ..."
    Mitglieder einer solidarischen Landwirtschaft, einer "Solawi", wie die Aktivisten sagen, fahren öfters mal zum Helfen aufs Land – in den meisten Solawis sind diese Arbeitseinsätze freiwillig, erklärt Kirsten Grover vom Bundesnetzwerk solidarische Landwirtschaft:
    Rechte und Pflichten
    "Die Solidarische Landwirtschaft als Konzept meint im Wesentlichen, dass es eine Gruppe gibt, die einen Hof trägt. Es geht um eine verbindliche Beziehung zwischen Verbrauchern, Verbraucherinnen und den produzierenden Menschen auf dem Hof. Diese Verbindlichkeit ist einerseits auf finanzieller Ebene gemeint, man trägt die Kosten, die anfallen in einem Jahr und die Verbindlichkeit geht in die andere Richtung, dass alles was produziert wird auf diesem Hof, dieser Gemeinschaft, den Mitgliedern, zur Verfügung gestellt wird."
    Die Kosten der Landwirtschaft, das sind zum Beispiel das Saatgut, Pacht, Löhne, Versicherungen, Reparaturen und Investitionen. Diese Summe wird durch die Anzahl der Mitglieder geteilt, daraus ergibt sich der Preis, den ein Ernteanteil kostet. 60 Euro im Monat sind das in der Solawi Waldgarten, zumeist teilen sich mehrere Menschen einen Anteil. Sollte ein schwerer Hagel die Ernte vernichten und die Gemüselieferung deswegen ausfallen, muss trotzdem gezahlt werden.
    Bewegung auf Wachstumskurs
    88 Höfe zählt das bundesweite Netzwerk "Solidarische Landwirtschaft" in Deutschland inzwischen. Die Bewegung ist auf Wachstumskurs, rund 100 Gruppen befinden sich derzeit in der Gründungsphase. Kirsten Grover vom Bundes-Netzwerk berät diese Gruppen:
    "Es gibt viele Anruferinnen und E-Mails, wo Leute eine solidarische Landwirtschaft gründen wollen. Wir haben so ein Starterpaket, Flyer, Postervorlagen, es gibt Vorlagen für eine Presseerklärung, weil am Anfang steht häufig, dass ich noch Mitstreiter finden und öffentlich werden muss."
    Die Mitglieder der Solawi "Waldgarten" sind inzwischen auf "ihrem Hof" in Barrenthin angekommen. Über 20 Leute sind es diesmal, darunter fünf Kinder. Nun haben sie sich unter einem ausladenden Kastanienbaum direkt neben dem Wohnhaus der Bauernfamilie versammelt, auf einem wackeligen Gartentisch stehen Thermoskannen mit Tee und Kaffee, von einem mitgebrachten Kuchen liegen nur noch wenige Stücke in der Backform:
    "Hast du den Kuchen gemacht? Nee, den hat Dörte gemacht, mit Marzipan, Apfelmarzipan, hmm ..."
    Zehn Hektar für die Solawisten
    Auf zehn Hektar Land baut Frank Wesemann in Barrenthin Gemüse für seine Solawisten und noch ein paar andere Kunden an. Der Bauer ist schlank und drahtig, schulterlanges Haar, grau melierter Bart, eine bunte Strickmütze auf dem Kopf:
    "Wir müssen schon viel für Mittwoch ernten, dann könnte man noch den einen Tunnel frei räumen, um den Feldsalat zu pflanzen. Jetzt müssen wir nur gucken, wie wir uns selbstorganisierend aufteilen, und zwei Leute müssen kochen in zwei Stunden, Kürbissuppe, haben die sich schon festgelegt?"
    Zwei Finger fliegen in die Luft.
    "Okay, dann haben wir das schon erledigt!"
    Acht Leute begleiten Frank Wesemann zum nahe gelegenen Acker, die anderen verschwinden im Gewächshaus oder klettern mit Leitern in die Apfelbäume. Gemüse, Kartoffeln und etwas Obst baut der 43-jährige Bauer an, wöchentlich verfrachtet er derzeit 86 Ernteanteile an verschiedene Abholstellen in Berlin und Potsdam:
    "Für mich sichtbarer und größter Vorteil ist, dass man eine absolute Planungssicherheit hat."
    Frank Wesemann ist vor 15 Jahren mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in die Prignitz gezogen und hat auf damals sechs Hektar Land einen klassischen Bio-Gemüsebetrieb aufgebaut. Er fährt auf Wochenmärkte und beliefert einige Bioläden.
    Vom Bio-Gemüsebetrieb zur "Solawi"
    "Ziel ist irgendwann nur noch Solawi zu machen. Lieber langsam wachsen, als dass ich mich übernehme. Weil die Herausforderung, mit so vielen Menschen umzugehen, das zu organisieren, muss man auch erstmal hinkriegen."
    180 Leute braucht Frank Wesemann, damit er sich ganz auf den Anbau für die solidarische Landwirtschaft konzentrieren kann. Dann kann er sich sicher sein, dass er für jeden Salat, den er anbaut, auch einen Abnehmer findet:
    "Bauern werden über die Preise zerrieben"
    "Ein anderer Vorteil ist, dass man nicht diesen Marktgesetzen so unterworfen ist, was gerade für die kleinen Betriebe immer wichtiger wird. Die meisten bäuerlichen Betriebe, toll sieht man es gerade bei den Milchbauern, werden über die Preise zerrieben. Weil der Preis von den großen Strukturen immer weiter runtergedrückt wird und man kann dann einfach nicht mehr wirtschaftlich arbeiten, da kommt ja auch der Spruch her: wachse oder weiche, aber wer nicht die finanziellen Mittel hat, zumal ich das für einen Irrweg halte, der kann nicht lange mithalten. Da bietet die Solwai eine tolle Alternative, weil man am Anfang des Jahres mit der Gruppe zusammen aushandelt, zu welchen Konditionen man das Gemüse anbauen und sie beliefern kann.
    Ursprung in Japan
    Die Idee der solidarischen Landwirtschaft wurde Mitte der 70er Jahre von einer Gruppe japanischer Mütter ins Leben gerufen. Die sogenannten Teikei nahmen einem Landwirt seine gesamte Ernte unter der Bedingung ab, dass er keine Pestizide spritzt. Auch heute versorgt das Teikei-System mehrere Millionen Japaner mit ökologischem Obst und Gemüse. An zweiter Stelle im internationalen Ranking der solidarischen Landwirtschaft steht überraschenderweise die Fast-Food Nation USA. Nach dem Prinzip der "Community Supported Agriculture" wirtschaften dort rund 6000 Höfe, die mehrere 100.000 Menschen versorgen, schätzt das CSA-Netzwerk.
    Auch in Deutschland versucht das Bundesnetzwerk der Solidarischen Landwirtschaft, sich als ernst zu nehmende Konkurrenz zu Lebensmitteldiscountern und Bio-Supermärkten zu etablieren. Was in Japan geht, so glauben die Solawisten, sollte schließlich auch in Deutschland möglich sein. In einigen Regionen arbeitet das Netzwerk daran, seine Mitglieder künftig auch mit Milchprodukten und Fleisch zu versorgen.
    Der Aufwand in einer Solawi sei allerdings ein bisschen größer, als einen Einkaufswagen durch die Regalreihen zu schieben, sagt die 25-jährige Software-Entwicklerin Hannah Prinz. Gerade reißt sie im Gewächshaus im Waldgarten die letzten Tomatenstauden aus. Es gehört ein Gemeinschaftsprozess dazu, der auch mal schwierig sein kann:
    "Manche versuchen immer, jedes einzelne Mitglied zu gleichen Teilen einzubinden, dass alle gleich viel machen, dass jeder rausfährt. Es gibt Leute, die das versuchen und dann sehr unglücklich sind, weil das nicht funktioniert. Da bin ich nicht jemand, der anruft und sagt: hey ich hab gesehen, du musst noch zwei Tage arbeiten. Ich bin da eher jemand, der sagt, das sollte freiwillig sein."
    Im Handel unverkäuflich
    Für viele ist die Arbeit auf dem Feld eben keine Arbeit, sondern vielmehr Freizeit:
    "Ah, guck mal da, (lacht) die ist ja so groß wie ein Kindskopf."
    Gerade hat Nadja eine riesige rote Beete aus der Erde gezogen. Im Handel wäre sie unverkäuflich, aber bei der solidarischen Landwirtschaft landet kein krummes Gemüse in der Tonne. Den Solawisten geht es nicht um die Optik, sondern sie wollen wissen, woher ihr Essen kommt.
    "Auf jeden Fall, ich find's sehr sinnvoll, es ist auch total sympathisch, den Bauern zu kennen, der das Gemüse liefert."
    "Ich bin dabei, weil mir gesunde Ernährung superwichtig ist, dass das auch solidarisch ist, jeder seinen Teil beigibt, dass das regional vom Biohof geerntet wird, ich find die Initiative einfach supergut."
    "Was wir bekommen, das ist wahnsinnig frisch, auch immer total viel und total lecker. Ich bin noch nicht so lange in Potsdam gewesen davor und hab dadurch auch total viele Leute kennen gelernt, die das Interesse dafür teilen."
    "Da kann man gut entgegenwirken, diesem ganzen Wachstum, große Agrarkonzerne nehmen sich das Land, beackern es dann im großen Stil, betreiben Monokultur."
    "Man muss, finde ich, was tun, wenn man nicht zugucken will, dass die ganze Welt zum Spekulationsobjekt wird."
    Wende in der Agrarpolitik
    Die meisten Solawisten sind Akademiker, zwischen 20 und 40 Jahre alt, leben in einer Wohngemeinschaft oder als junge Familie mit Kindern. Die Fluktuation ist hoch, ständig treten neue Mitglieder ein, andere merken, dass es ihnen doch zu aufwendig ist. Viele sind politisch engagiert. Sie wünschen sich eine Wende in der Agrarpolitik, erklärt der Bauer Frank Wesemann:
    "Weil wir eine wahnsinnige Konzentration von Land in wenigen Händen haben. Das heißt, wir kriegen immer größere Betriebe, die immer industrieller produzieren, und die bäuerliche Struktur stirbt eigentlich aus, das bäuerliche Wissen stirbt aus, es gibt in Brandenburg kaum mehr Gärtner-Absolventen, es gibt immer weniger bäuerliche Betriebe."
    Ist der klassische Bauernhof, der auf kleiner Fläche vielfältige Lebensmittel produziert, ein Auslaufmodell? Weil seine Produkte einfach zu teuer sind? Sind die Solawisten im Grunde Ewig-Gestrige?
    Ziel der Agrarpolitik: der Weltmarkt
    In Europa werden kleine Betriebe kaum noch gefördert. Die Agrarsubventionen richten sich nach der Fläche, wer viel Land hat, bekommt auch viel Geld. Ziel dieser Agrarpolitik ist der Weltmarkt. Im Jahr 2050 wird es neun Milliarden Menschen auf der Welt geben, für die die Nahrungssicherheit gewährleistet werden muss, so das Argument der Politik. Dabei haben bereits im Jahr 2008 400 internationale Wissenschaftler im Auftrag von Weltbank und Vereinten Nationen in ihrem Weltagrarbericht festgestellt: Genug Nahrung für neun Milliarden Menschen wird längst produziert, die Hungernden sind bloß zu arm, um sie zu kaufen. Wer den Hunger bekämpfen will, sollte also gezielt Kleinbauern fördern. Hier liege das größte Potential für eine Steigerung der Produktion. Das Landwirtschaftskonzept der Industrienationen mit seinen wachsenden Flächen und dem steigenden Einsatz von Maschinen und Chemie bezeichnete der Weltagrarbericht als "Tretmühle", bei der immer mehr Bauern ihren Job verlören.
    Georg Jansen ist Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft:
    "Es ist jetzt der Kampf, ob sich die Agrarindustrie durchsetzt oder ob sich bäuerliche Strukturen durchsetzen. Bis jetzt gibt es sie noch, deswegen verteidigen wir sie. Wir sind nicht der Auffassung, dass wir zurück müssen zum Melkschemel und zum Dreschpflegel, auch kleine und mittlere Betriebe wirtschaften mittlerweile mit guter und moderner Technik, wir brauchen sie als Grundpfeiler für die ländliche Räume. Wir sehen ja gerade, wenn es in Richtung agrarindustrielle Strukturen geht, dann verschwinden die Arbeitsplätze auf den Höfen, dann gibt es keine Bäuerinnen und Bauern mehr, dann gibt es keine Landmaschinenhändler mehr, dann gibt es keine Saatgutaufbereitung mehr, dann gibt es auch den Tierarzt in den ländlichen Räumen nicht mehr."
    Kampf gegen Agrarindustrie
    Immer mehr Menschen in Deutschland wehren sich gegen diesen Trend. Zum Beispiel, indem sie Ackerland kaufen. Getrieben von der Sorge, dass immer mehr fruchtbarer Boden in die Hände gewinnorientierter Investoren gerät, dass die Politik sich nicht um Bodenerosion, Artensterben und nitratverseuchtes Grundwasser kümmert.
    In Brandenburg wirbt die junge Genossenschaft "Ökonauten eG" um Mitglieder. Bereits mit 500 Euro kann man einsteigen, erklärt der Unternehmensberater Frank Viohl:
    "Wir haben drei Ziele, erstens Land sichern, und es langfristig für den Ökoanbau zur Verfügung stellen, wir verpachten das an Jungbauern weiter. Wir wollen zweitens Existenzgründungen im ländlichen Bereich fördern, weil, Stichwort demografischer Wandel, die Dörfer sterben aus. Im Jahr 2014 gab es 100 landwirtschaftliche Betriebe weniger in Brandenburg als 2013. Das ist ein großes Thema, und als Drittes wollen wir natürlich gutes, regionales und biologisches Gemüse produzieren und das mit kurzen Wertschöpfungsketten an die Verbraucher weitergeben. Zuerst an unsere Mitglieder, aber dann darüber hinaus auch an andere Leute.
    In ganz Deutschland stehen Höfe und Äcker zum Verkauf, weil ihre Besitzer keine Nachfolger finden. Diese Leute sprechen die Ökonauten gezielt an. Das erste Stückchen Land konnte so bereits erworben werden. Es wurde an die Jungbäuerin Vivian Böllersen verpachtet, die an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde Ökolandwirtschaft studiert hat:
    Walnüsse aus Brandenburg
    "Ich hab meine Master Thesis darüber geschrieben, wie man Walnüsse in Deutschland, besonders in Brandenburg, kultivieren könnte und bin da rausgegangen mit dem Gefühl: okay, das muss ja jemand anfangen, das funktioniert. Dann bin ich auf die Suche nach Land gegangen, und bin da erstmal nicht weit gekommen, weil ich keine landwirtschaftliche Familie im Hintergrund habe. Ich hatte keinen Einstieg, wo fängt man denn da an?"
    Vivian Böllersen hat bei der zuständigen Behörde versucht, landeseigenes Ackerland zu ersteigern, wurde aber immer wieder überboten. Erst durch den Zusammenschluss mit den Ökonauten, bei denen sie jetzt im Vorstand sitzt, kam sie zum Ziel. Ihr Vorstandkollege Frank Viohl hat viele Jahre lang die solidarische Landwirtschaft in Berlin-Brandenburg mit aufgebaut. Ursprünglich stammt er aus Witzenhausen bei Kassel:
    "Als wir aus privaten Gründen nach Berlin gezogen sind, habe ich mal recherchiert, was gibt es denn schon? Da gab es so zwei bis drei Initiativen, die waren aber eher im studentischen Milieu angesiedelt. Ich war überzeugt, das Konzept ist so gut, das muss in die viel gepriesene Mitte der Gesellschaft hinein. Ein Kumpel aus dem Netzwerk, der hat gesagt: Komm, ich arbeite bei einer Beratungsfirma, die hat gute Regionalentwicklungsprogramme für Brandenburg aufgelegt, da passt das Thema CSA rein. So kam es, dass ich dann relativ rasch als Berater tätig werden konnte und über EU- und Landesmittel Bauern beraten konnte, das hat die nichts gekostet."
    Leuchtturmprojekt in Freiburg
    Etwa fünfzehn Solidar-Höfe gibt es inzwischen rund um Berlin, die einige tausend Leute mit Gemüse versorgen, schätzt Viohl. Zum Bundesnetzwerk Solidarische Landwirtschaft gehören insgesamt acht Regionalgruppen, neben Berlin- Brandenburg zum Beispiel die Gruppen Nord, Mittendrin und Sachsen-Thüringen. Freiburg gehört zur Regionalgruppe Südwest, hier ist ein Leuchtturmprojekt der Bewegung angesiedelt, auf das die Netzwerkerin Kirsten Grover besonders stolz ist: die Gartencoop Freiburg. Rund 300 Leute haben sich zusammengeschlossen, auf eigene Faust Land gepachtet und einige Gärtner eingestellt:
    "Einmal war das das erste Projekt, was gestartet wurde von Städtern und Städterinnen, was nicht vom Hof ausging. Sie haben sehr viele innovative Ideen, mit denen sie experimentieren und die sie in die Welt bringen. Zum Beispiel vor dem Hintergrund einer klimaschonenden Landwirtschaft machen sie den Transport der Lebensmittel in Freiburg mit Lastenfahrrädern."
    In der deutschen Ökohauptstadt Freiburg gibt es ein weiteres Leuchtturmprojekt, das sich der Solidarität mit den Bauern verschrieben hat, wenn auch mit einem anderen Schwerpunkt: die Regionalwert AG von Christian Hiss:
    3 Millionen Euro durch Bürgeraktien
    "Ich konnte beobachten die letzten Jahrzehnte, wie der ländliche Raum zunehmend ausblutet, ökonomisch ausblutet, und Dörfer mehr und mehr nur noch zu Schlafstätten macht in der Region. Unser Bestreben ist es, die Region zu stärken, daraus lokale Wirtschaftsräume zu erstellen,indem wir versuchen, dass die Erträge wieder in die Region hineinfließen und nicht überregional abfließen.
    Dieses Ziel erreicht die Regionalwert AG mit sogenannten Bürgeraktien. Drei Millionen Euro hat die Aktiengesellschaft in den letzten fünf Jahren eingesammelt und damit siebzehn Öko-Betriebe im Raum Freiburg und Schwarzwald gegründet und finanziert. Dabei sind rund hundert Arbeitsplätze entstanden, unter anderem in einer Gärtnerei, auf mehreren Biohöfen, zwei Obstplantagen, zwei Cateringbetrieben und in einer Trockfenrüchte-Manufaktur. Es gäbe genug Existenzgründer mit guten Ideen, denen schlicht das Eigenkapital fehle, beklagt Hiss:
    "Besonders in der Landwirtschaft ist diese Situation dramatisch. Einen Arbeitsplatz zu schaffen in der Landwirtschaft kostet etwa 400.000 Euro Kapital und die Refinanzierungsstärke ist sehr schwach. Mit diesem Arbeitsplatz kann man im Bundesdurchschnitt nur 80.000 Euro Umsatz machen."
    Hier springt die Regionalwert AG Freiburg in die Bresche, sie fördert eine kleinteilige und vielfältige Landwirtschaft, die regional ausliefert, die Bodenfruchtbarkeit erhöht und die Artenvielfalt auf dem Acker erhält. Zusätzlich baut sie Betriebe in der Nähe auf, die Obst, Gemüse oder Milchprodukte der eigenen Höfe weiterverarbeiten und vermarkten. Die Nachahmerinitiativen Hamburg, Isar-Inn und Rheinland befolgen das gleiche Konzept.
    "Klappernde Kisten... Das ist jetzt alles leer, leer, leer."
    Gemüselieferung in Berlin Kreuzberg. Frank Wesemann, Bauer vom "Waldgarten", steht auf der Ladefläche seines Lieferwagens und durchstöbert einen Stapel Gemüsekisten. Auch seine Existenz, die eines Mitarbeiters und drei Auszubildender wurde mit Bürgerhilfe gesichert: durch die Solidarische Landwirtschaft. Gerade muss er gut aufpassen, dass er an den drei Berliner Abholstellen jeweils die richtigen Kisten auslädt.
    "Was ist mit den Möhren hier?
    Das ist für euch, die Möhren und der Mais auch noch.
    Und was ist das?
    Zwiebeln und schwarzer Rettich, dann haben wir noch Zuckermais und einmal Möhren
    Zwiebeln und Möhren vom Bauern des Vertrauens. Wem eine umweltfreundliche und regional ausgerichtete Landwirtschaft am Herzen liegt, hat viele Möglichkeiten, sich zu engagieren."