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Irak-Konflikt
Zurückhaltung aus Italien

Die italienische Außenministerin Federica Mogherini schließt eine Unterstützung der Kurden im Irak, auch mit militärischen Mitteln, nicht aus. Trotzdem bleibt die italienische Regierung auch aufgrund der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft zur Frage eines militärischen Eingreifens im Irak eher zurückhaltend und nicht eindeutig.

Von Nikolaus Nützel | 14.08.2014
    Wenn es um heikle politische Fragen geht, äußert sich die italienische Regierung derzeit meist vorsichtig. Schließlich hat das Land noch bis Ende des Jahres die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union; da will Italien tunlichst keinen EU-Staat vor den Kopf stoßen. So lassen auch aktuelle Stellungnahmen der italienischen Außenministerin Federica Mogherini zur Frage eines militärischen Eingreifens im Irak einen gewissen Interpretationsspielraum. Im italienischen Radio sagte sie, es gehe vor allem darum, die Bevölkerung im Irak zu unterstützen, die unter der Gewalt leide:
    "Man muss Korridore für die humanitäre Hilfe sichern. Und unter diesem Aspekt prüfen wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, oder zumindest mit den wichtigsten Partnern, welches wirkungsvolle und technisch umsetzbare Formen einer Unterstützung sein könnten; dabei geht es nicht um militärisches Eingreifen, sondern um eine Unterstützung der kurdischen Regierung, auch mit militärischen Mitteln."
    Wie diese militärischen Mittel im Einzelnen aussehen könnten, lässt Italiens Regierung bislang offen. Sie äußert sich jedenfalls nicht so eindeutig wie der Vorsitzende des Außenausschusses im italienischen Senat, Pier Ferdinando Casini, der Waffenlieferungen an die Kurden im Irak fordert. Casini gehört allerdings nicht zur Regierung. Die Außenministerin Mogherini nimmt gleichzeitig für ihr Land in Anspruch, dass es sich mehr als andere Staaten für die arabischen Krisenregionen interessiere.
    "Wir waren eines der wenigen Länder, die schon seit Monaten darauf hingewiesen haben, dass man im Blick behalten muss, was im Irak geschieht. Auch in dem Moment, als die Aufmerksamkeit in Europa mehr Richtung Osten, in Richtung Ukraine ging, gehörten wir zu den wenigen, die die öffentliche Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was im Nahen Osten, im Irak, in Syrien geschieht."
    Wechselvolle Geschichte
    Das Interesse Italiens für den arabischen Raum und auch Ostafrika hat allerdings eine wechselvolle Geschichte. Italien hatte zwar nie Kolonien im gleichen Ausmaß wie Großbritannien oder Frankreich. Doch in Ländern wie Somalia, Eritrea oder Libyen hat auch Spuren als Kolonialmacht hinterlassen. Mit diesen Ländern hat es seitdem eine besonders enge Verbindung.
    Im vergangenen Jahrzehnt hat Italien sich weit stärker mit der Politik der USA etwa im Irak solidarisiert als andere europäische Staaten. Im Irak-Krieg ab dem Jahr 2003 schloss sich die damalige Regierung von Silvio Berlusconi der sogenannten Koalition der Willigen an, während Deutschland unter Gerhard Schröder das militärische Eingreifen ablehnte. Allerdings gab es auch in Italien viele Gegner dieses Irak-Kriegs, ihre bunten Fahnen mit der Aufschrift "Pace", also Frieden, wurden international bekannt.
    Bei der Frage, wie man mit Konflikten im arabischen Raum und in Afrika umgehen soll, geht es in der Diskussion in Italien aber immer auch sofort um die Flüchtlinge aus diesen Ländern, denn ein großer Teil von ihnen flieht übers Mittelmeer. Ihre Zahl steigt immer weiter an, erklärt Carlotta Sami vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR.
    "Der Trend, wenn wir analysieren, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln, ist eindeutig: Die Zahlen gehen seit Jahren immer weiter nach oben. Es gibt manchmal kurzfristig einen Rückgang, aber wenn wir den Trend insgesamt betrachten, steigt die Zahl immer weiter an."
    Direkte Auswirkungen auf Italien
    Krisen und Konflikte, die Flüchtlingsströme auslösen, haben also direkte Auswirkungen auf Italien. Die italienische Außenministerin Federica Mogherini plädiert deswegen für langfristige Strategien:
    "Wir neigen dazu, die Krisen jeweils für sich zu betrachten. Dabei gibt es doch ganz offensichtlich einen Zusammenhang zwischen dem, was in Syrien geschieht, im Irak, aber auch mit dem, was im Libanon, in Jordanien, oder auch in Libyen geschehen könnte. Es gibt einen Zusammenhang zwischen den Entwicklungen in der gesamten arabischen Welt. Und ich glaube, es ist eine internationale Initiative nötig, die dafür sorgt, dass die gesamte Region wieder regierbar und stabil wird."
    Die Instabilität vieler Länder in Afrika und im arabischen Raum sorgt dafür, dass die italienische Marine inzwischen pro Woche im Schnitt 1.000 bis 2.000 Boots-Flüchtlinge aufgreift. Fürs Gesamtjahr werden rund 100.000 erwartet, darunter auch viele Syrer, Libyer und Iraker. Und nicht alle kann die Marine vor dem Ertrinken bewahren. Nach Schätzungen sind seit Jahresbeginn mehr als 800 Menschen gestorben beim Versuch, übers Meer nach Italien zu gelangen.