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Irak-Mission
"Rechtlich auf der sicheren Seite"

Er werde der geplanten Entsendung von bis zu hundert deutschen Soldaten in den Nordirak zustimmen, sagte Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, im DLF. Die politische Überzeugung trage mehr als rechtliche Bedenken. Gleichzeitig glaubt er, dass für den Einsatz kein Mandat von UNO, NATO oder EU nötig ist.

Philipp Mißfelder im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Philipp Mißfelder in der ARD-Talksendung "Anne Will"
    Philipp Mißfelder (Karlheinz Schindler, dpa picture-alliance)
    Im Kampf gegen den Islamischen Staat bekommen die kurdischen Streitkräfte internationale Unterstützung. So hat die Bundeswehr bereits Waffen im Wert von 70 Millionen Euro geliefert. Heute nun will der Bundestag über den Einsatz von bis zu 100 Bundeswehrsoldaten im Irak abstimmen.
    Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags von Anfang Januar kommt zu dem Schluss, dass das Mandat unvereinbar mit dem Grundgesetz sein könnte. Grund ist, dass die Mission weder unter dem Dach der Vereinten Nationen noch im Auftrag von EU oder Nato stattfindet.
    Die politische Überzeugung trage mehr als rechtliche Bedenken, sagte Philipp Mißfelder (CDU), außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Deshalb könne er bei der heutigen Abstimmung der Entsendung auch zustimmen. Er sei zu der Überzeugung gekommen, dass man "unterhalb der Mandatsschwelle liege", da es sich nicht um einen Kampfeinsatz handele, sagte Mißfelder im Deutschlandfunk. Damit ist man seiner Meinung nach rechtlich auch auf der sicheren Seite. Gleichzeitig räumte er ein: "Wem das nicht gefällt, kann klagen. Ich bin am Ende gespannt, ob die Kritiker wirklich juristisch dagegen vorgehen".

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: 16.000 Sturmgewehre und 10.000 Handgranaten hat die Bundesregierung schon an die Kurden im Nordirak geliefert, auch Panzerabwehrraketen und gepanzerte Fahrzeuge, um die Peschmerga im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat zu unterstützen. Doch die Regierung will noch mehr tun. Bis zu 100 Militärausbilder der Bundeswehr sollen bald schon auf den Weg nach Erbil geschickt werden, nicht um zu kämpfen, sondern um die kurdischen Streitkräfte auszubilden. Die Abgeordneten im Bundestag werden heute darüber abstimmen. Eine Mehrheit für dieses Mandat gilt als sicher, und doch gibt es ein Problem, denn Politiker der Opposition und auch Rechtswissenschaftler halten das Mandat für unvereinbar mit dem Grundgesetz.
    Am Telefon begrüße ich den außenpolitischen Sprecher der Union im Bundestag. Schönen guten Morgen, Philipp Mißfelder.
    Philipp Mißfelder: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Wir haben jetzt viel erfahren über die Zweifel, die Einwände, die Bedenken und den Einspruch, den Juristen und Oppositionspolitiker erheben und auch Ihr Parteifreund Norbert Röttgen. Können Sie denn, werden Sie heute aus voller Überzeugung im Bundestag zustimmen?
    Mißfelder: Ja. Genauso wie Norbert Röttgen auch zustimmen wird, werde ich heute zustimmen. Das hat er ja angekündigt, weil in der Überlegung natürlich das politische Argument mehr trägt als die juristischen Bedenken, dass man sagt, es ist richtig, dass dieses Mandat gemacht wird, und im Kern gibt es auch keinen Dissens darüber bei uns. Über die rechtliche Ausgestaltung – das haben Sie ja sehr gut beschrieben – haben wir sehr, sehr lange und auch sehr kontrovers diskutiert.
    "Es geht nicht um eine Intervention"
    Barenberg: Und da haben Sie keine Bauchschmerzen?
    Mißfelder: Ich selber kann dem jetzt zustimmen, nachdem ich durch den Verfassungsminister, Herrn de Maizière, am Dienstag auch noch mal informiert worden bin, wie die Bundesregierung diese Position sieht. Frank-Walter Steinmeier als Bundesaußenminister hat im Auswärtigen Ausschuss dazu gestern vorgetragen. Es gibt noch eine Ergänzung zu dem Fachgespräch, was gerade Ihr Kollege mit Ihnen geführt hat: Wir haben natürlich auch über die Erklärung des VN-Sicherheitsrates hinaus noch eine Erklärung des damaligen Vorsitzenden des VN-Sicherheitsrates. Und dieses gepaart mit der Einladung der Gastgebernation Irak, also Bagdad, plus Erbil (Nordirak), haben wir, glaube ich, eine Situation, wo wir uns aus meiner Sicht schon unterhalb der Mandatsschwelle überhaupt befinden, weil es hier nicht um eine Intervention geht in dem Sinne und auch nicht um einen Kampfeinsatz. Es gab aber auch bei unserem Koalitionspartner den dringenden Wunsch, ein Mandat zu machen. Dann hat das Auswärtige Amt die Argumentation so vorgelegt, betreffend Artikel 24, und darüber gibt es eine juristische Diskussion. Und wem das natürlich nicht gefällt, der hat ja auch die Möglichkeit, dagegen juristisch vorzugehen. Dann würde es zu einer Klärung kommen.
    "Bin gespannt, ob die Kritiker juristisch dagegen vorgehen werden"
    Barenberg: Dagegen vorzugehen, hieße eine Organklage oder eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht?
    Mißfelder: Richtig. Das ist natürlich bei manchem Mandat in der Vergangenheit schon gewesen. Ich halte das für relativ unwahrscheinlich, dass diese Klage jetzt kommt, auch wenn ich damit niemanden provozieren will. Aber ich sage Ihnen, dass es natürlich auch Bedenken gibt bei radikalpazifistischen Vertretern im Bundestag, die dann befürchten, dass es zu einer weiteren Klärung vor dem Bundesverfassungsgericht kommt zu Lasten des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, so wie es heute ist, und diese Diskussion haben wir natürlich intern geführt. Ich bin am e"nde gespannt, ob wirklich die Kritiker juristisch dagegen vorgehen werden.
    Barenberg: Zentraler Dreh- und Angelpunkt bei dieser Frage ist ja, ob man das lose Bündnis, das entstanden ist im Kampf gegen den Islamischen Staat, ob man das so ohne weiteres gleichsetzen kann mit einer Institution wie den Vereinten Nationen. Sehen Sie das auf Augenhöhe?
    Mißfelder: Nein, das sehe ich nicht auf Augenhöhe. Aber die Frage stellt sich aus meiner Sicht auch so nicht. Deshalb ist das vom Wissenschaftlichen Dienst, was dort geschrieben worden ist, auch nicht ganz falsch. Wenn es dabei um einen Kampfeinsatz gehen würde, oder um eine Intervention nach der responsibility to protect beispielsweise, müsste es dort einen VN-Sicherheitsratsbeschluss geben, der sagt, an dieser Stelle wollen wir die und die Maßnahmen ergreifen, oder beispielsweise NATO, und - Sie haben es ja auch dargestellt - es könnte ja auch ein Teil der gemeinsamen EU-Außenpolitik sein. Aber darum geht es ja an dieser Stelle nicht, sondern ...
    Barenberg: Das verstehe ich nicht, Herr Mißfelder, weil das Grundgesetz an dem Punkt doch ganz klar ist. Bundeswehrsoldaten dürfen im Ausland nur unter zwei Voraussetzungen eingesetzt werden: Der Verteidigungsfall ist der eine und im Rahmen von Regeln und Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit. Dann müssten Sie uns schon erklären, warum dieses lose Bündnis aus Staaten und die Erklärung des Generalsekretärs der UNO das ersetzen kann.
    Mißfelder: Genau das zum zweiten. Aber zum ersten noch einmal: Es gab auch schon deutsche Soldaten im Ausland ohne Mandate, wenn es sich nicht um einen Kampfeinsatz beispielsweise gehandelt hat. Und die Frage der bewaffneten Streitkräfte im Ausland ist dort schon mehrmals umstritten gewesen, wenn es sich um Ausbildungsmissionen gehandelt hat. In der Vergangenheit hat man leider dazu tendiert, der Regierung die Kompetenzen an dieser Stelle zu beschneiden und zu sagen, im Zweifelsfalle macht man dann eher ein Mandat, um ein reines Gewissen zu haben, als dass man es unterhalb der Mandatsschwelle durchlaufen lässt, was juristisch auch möglich gewesen wäre und auch mehrfach schon empfohlen worden ist.
    Der zweite Punkt ist: Wir sehen diesen Interventionscharakter dieses Mandats nicht und die lose Koalition ist auch nicht die Begründung, und damit haben Sie auch Recht. Die lose Koalition wäre auch keine Begründung. Die Begründung ist: Einladung der Gastgebernation und VN-Sicherheitsratsresolution mit der Markierung "IS als Terrororganisation" plus der Äußerung des VN-Sicherheitsratsvorsitzenden zu der damaligen Zeit, Maßnahmen zu ergreifen. Darauf berufen wir uns.
    "Bundeswehrsoldaten erwartet eine politisch richtige Aufgabe"
    Einweisung der kurdischen Peschmerga in die Handhabung des Maschinengewehres (MG3) durch Soldaten der Bundeswehr auf einer Schießanlage des Peschmerga-Ausbildungszentrums nahe der nordirakischen Stadt Erbil, am 14.10.2014.
    Einweisung der kurdischen Peschmerga in die Handhabung des Maschinengewehres (MG3) durch Soldaten der Bundeswehr (picture-alliance / dpa / Bundeswehr, Florian Räbel)
    Barenberg: Was natürlich keine Gewalt autorisiert. Das würde nur eine förmliche Resolution machen können. – Ich würde Sie gern noch fragen: Was sagen Sie eigentlich Bundeswehrsoldaten, die in diesen Einsatz geschickt werden, mit Blick darauf, dass die rechtlichen Grundlagen doch jedenfalls zweifelhaft sind und nicht eindeutig?
    Mißfelder: Ich sage den Bundeswehrsoldaten, dass wir uns das gut überlegt haben, ja auch wirklich intensiv diskutiert haben, und es ist ja nicht so, ich habe es ja vorhin angesprochen: Der Minister des Auswärtigen hat ja den ersten Vorschlag dort gemacht im Dezember. Schon in der allerersten Besprechung – so viel kann ich Ihnen aus unserem internen Betrieb verraten – haben damals Herr Röttgen und ich darauf hingewiesen, dass wir dort eine Handreichung und eine juristische Empfehlung brauchen. Diese Empfehlung hat dann ziemlich lange auf sich warten lassen, das muss man auch da zugestehen. Es ist dann nicht unkoordiniert stattgefunden, sondern es hat sich das Justizministerium auch intern dazu geäußert und der Verfassungsminister de Maizière als Innenminister, und insofern glaube ich, dass man die juristischen Bedenken nicht bei Seite schieben kann – man diskutiert ja auch offen darüber -, aber dass man auch mit dem Risiko einer juristischen Klärung nachher es eingehen kann und verantworten kann, dieses Mandat auf den Weg zu bringen. Und mein entscheidendes Argument gegenüber den Bundeswehrsoldaten ist: Sie haben dort eine Aufgabe, die verantwortbar ist, die politisch richtig ist und die auch politisch gewollt ist. Das ist das, was ich den Soldaten gerne zurufen will. Wenn es dann eine juristische Auseinandersetzung oder eine weitere Kontroverse geben sollte, dann wird sie geklärt werden, wie wir das in der Vergangenheit übrigens auch schon bei anderen Mandaten hatten – denken Sie zurück an die Tornado-Einsätze.
    Barenberg: ..., sagt der außenpolitische Sprecher der Union im Bundestag heute hier live im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Philipp Mißfelder.
    Mißfelder: Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.