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Iran
Journalisten entschuldigen sich für Berichte

Nach dem Abschuss einer Passagiermaschine über Teheran haben Journalistinnen und Journalisten im Iran um Verzeihung geben. Sie kritisieren ihren eigenen Umgang mit dem Unglück - und ihr grundsätzliches Berufsverständnis in der Vergangenheit.

Von Karin Senz | 22.01.2020
Journalisten - iranische und ausländische - bei einer Pressekonferenz in Teheran
Journalisten - iranische und ausländische - bei einer Pressekonferenz in Teheran (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
Zwei Tage nachdem der Iran eingestanden hat, die ukrainische Passagiermaschine über Teheran abgeschossen zu haben, schreibt eine Moderatorin des iranischen Staatsfernsehen auf Twitter, dass sie 13 Jahre lang Lügen verbreitet habe. Sie entschuldigt sich - und kündigt.
Auch manch ein Zeitungsredakteur ist entsetzt über die eigene Berichterstattung und richtet sich direkt an seine Leser: "Schande" steht in blutroter Schrift auf schwarzem Grund auf der Titelseite einer der moderateren Zeitungen. Darunter entschuldigt sich der Autor dafür, dass man die Öffentlichkeit in die Irre geführt habe.
Viel mehr wollen die Journalisten allerdings nicht in der Öffentlichkeit dazu sagen. Es hat innerhalb der Redaktionen Diskussionen über ihr Verhalten gegeben, man hat Angst, dass die ganze Zeitung in Misskredit fällt.
Geheimdienste entscheiden über Berichterstattung
Fahrshid ist ein junger Teheraner Journalist. Er kam nicht in die Verlegenheit, sich entschuldigen zu müssen, hat selbst nicht über den Flugzeugabsturz berichtet. Den 37-Jährigen haben die unkritischen Meldungen an den ersten Tage nicht verwundert, dass die Maschine wegen eines technischen Defekts abgestürzt sei.
"Ehrlich gesagt, wenn wir Journalisten uns ein Thema anschauen, dann denken wir erst daran, wie der Geheimdienst darauf reagieren könnte. Wie die Leute darüber denken, überlegen wir uns erst im nächsten Schritt."
Farshid war einige Jahre als Korrespondent auch für die Berichterstattung vom Parlament in Teheran zuständig. Er erklärt, wie die Kontrolle der Medien nach seiner Erfahrung funktioniert.
"Im Iran sind die Geheimdienste ausschlaggebend, nicht die Medien. Das Sekretariat des Nationalen Sicherheitsrates hat verschiedene Richtlinien. Die entscheiden, ob etwas zu einem bestimmten Thema veröffentlicht werden kann oder nicht. Und auch, wie man mit den Themen umgeht. Da wir in den letzten beiden Jahrzehnten mehr und mehr Spannungen erlebt haben, haben sich auch die Geheimdienste immer mehr eingemischt."
Immer weniger journalistische Arbeit
"Vergebt uns", steht über einem Artikel, in einer Zeitung, die mehr der Yellow Press zuzuordnen ist. Darunter schreibt der Autor: "Wir haben hier keine gute Arbeit geleistet und die Wahrheit nicht herausgefunden. Wir haben es versucht, es aber nicht hinbekommen. Das war unser größter Fehler. Vergebt uns, dass wir den offiziellen Aussagen und Rechtfertigungen der Zuständigen vertraut haben."
Farshid hat keine gute Meinung von seiner eigenen Zunft. Er findet, dass die iranischen Medien in den letzten Jahren aufgehört haben, journalistisch zu arbeiten. Sie würden jetzt nur noch offizielle Aussagen wiedergeben:
"Die ordinäre Pflicht eines Journalisten ist es, in drei verschiedenen Quellen zu überprüfen, ob eine Nachricht stimmt und dann dazu zu recherchieren. Aber die Antwort der Medien hier macht alles noch schlimmer. Sie haben gesagt: 'Wir haben alle Informationen weitergegeben, die wir von den offiziellen Stellen bekommen haben.' Sind sie Regierungssprecher oder die Pressestelle der zivilen Luftfahrtbehörde?"
Journalistenverband: "Begräbnis des Vertrauens"
Die offene Kritik im Iran hat durch die Berichterstattung über den Flugzeugabschuss zugenommen. Der iranische Journalisten-Verband spricht in einem Statement von einem "Begräbnis des Vertrauens". Der eh schon schlechte Ruf der iranischen Medien werde weiter erschüttert.
Farshid arbeitet seit zwölf Jahren als Journalist. Er hat voller Eifer angefangen, hat darauf gesetzt, was bewegen zu können. Die Wahrheit über den Flugzeugabsturz und wie lang sie vertuscht wurde, trifft viele Iraner, auch ihn:
"Weder akzeptieren uns die Leute als Medien, die für sie da sind, noch glauben wir selbst wirklich an uns."