Sonntag, 05. Mai 2024

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Is was!?
Der satirische Wochenrückblick

Hamburg geht ins Rennen um die Austragung der Olympischen Spiele 2024, in Frankfurt gehen die Menschen auf die Straße, um gegen das neue Zuhause des Euros zu demonstrieren, und im Netz und in den Medien geht es drunter und drüber wegen eines Stinkefingers, der vielleicht einer war, vielleicht aber auch nicht.

Von Sigrid Fischer | 20.03.2015
    Elbphilharmonie oder Hauptstadtflughafen? Welches Planungs- und Ausführungsdesaster ist eher dazu angetan, in der eventuellen Ausrichtung Olympischer Spiele seine Fortsetzung zu erleben? Das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes meint offenbar: Berlin und empfiehlt deshalb Hamburg, aber mit so knapper Stimmenmehrheit, dass es letztlich aufs gleiche Katastrophenszenario hinauslaufen würde. Werden da vielleicht mal Bestechungsgelder fließen müssen, um den Zuschlag nicht zu kriegen? Oder will das IOC einkalkulieren, dass die Spiele nicht 2024, sondern eventuell – wenn es nicht ganz schlecht läuft – vielleicht 2031 stattfinden werden?
    Mal abwarten, denn gerade wenn man schon fast nicht mehr damit rechnet, klappt es dann am Ende doch, siehe Benjamin Netanjahu. Auf allen Kanälen hat der Likudmann bis zur letzten Sekunde in die Wahlurnen rein gepoltert und richtig Tacheles geredet: nicht nur fuck Obama, sondern auch fuck Palästinenserstaat. Respekt! Da traut sich einer im Wahlkampf zu sagen, was er wirklich denkt. Okay, jetzt sagt er zwar: ätschibätsch, gildet nicht aber, er wird auch wissen: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er jetzt vielleicht die Wahrheit spricht.
    Ein neues Zuhause für den Euro
    Aber noch mal zu Olympia: Warum hat sich eigentlich Frankfurt nicht beworben? Die haben da doch offensichtlich kein Problem mit der Fertigstellung von Prestigebauten. Man müsste höchstens damit rechnen, dass die die Zuschauerränge einsparen und die Stadioneingänge mit Stacheldraht verrammeln, so aus Gewohnheit, das scheue Kapital verschanzt sich doch gerne hinter undurchsichtigen Glasfassaden.
    Manchmal auch zu Recht. Da hat der Euro also ein neues Zuhause der Luxusklasse, einen klotzigen Protztower! Den kann man wohl mittlerweile nur noch als Pfeifen im Walde deuten. Für eine Bankenaufsicht hatte man vor gut zehn Jahren keinen Platz eingeplant, deshalb ist die jetzt ausgelagert. Den Symbolcharakter dessen wollen wir hier besser nicht bewerten.
    Ein zweifelhafter Finger
    Wobei Symbole wichtig sind, da reagieren nicht nur autonome Steineschmeißer drauf. Man dachte ja, die maximale Verschattung hätte uns erst heute erreicht, um 10.30 Uhr mit der Sonnenfinsternis. Aber nein, schon seit Tagen sind wir komplett verblendet, und ergötzen uns an einem ausgestreckten Mittelfinger. Zweifeln an der Glaubwürdigkeit eines europäischen Finanzministers. Wo doch viel Wichtigeres mindestens genauso infrage steht: die Glaubwürdigkeit des beliebtesten deutschen Quizmasters. Weil der auf einmal nicht mehr fair spielt, sondern ganz dreist mogelt am Sonntagabend und unlautere Absichten verfolgt.
    "Das Video aus dem Zusammenhang gerissen und einen griechischen Politiker am Stinkefinger durchs Studio gezogen, damit sich Mutti und Vati nach dem "Tatort" noch richtig schön aufregen können: Der Ausländer, raus aus Europa mit dem! Wir sind hier die Chefs. So!"
    Da sieht man es: Die journalistische Arbeit muss in diesem Land mittlerweile die Satire übernehmen – Jan Böhmermann hat in seinem NEO-Magazin erstens gesagt, wie es ist, wie unseriös das ARD-Flagschiff des Polittalks arbeitet, hat zweitens nachgewiesen, wie kinderleicht ein Stinkefinger ins Video rein- und wieder rausmontiert werden kann, und damit drittens 100 Prozent mehr recherchiert als die Günther-Jauch-Redaktion.
    Naja, ARD, kann passieren, wenn man einen Unterhaltungsonkel als Journalisten verkleidet. Warum eigentlich moderiert nicht längst Thomas Gottschalk die Tagesthemen? Frisurentechnisch würde es kaum auffallen gegenüber Thomas Roth. Also mit einem hat der Varoufakis auf jeden Fall recht: Die Deutschen haben bessere Medien verdient.