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Vor 100 Jahren
Ermordung des bayerischen Ministerpräsidenten Eisner

Der Pazifist Kurt Eisner war einer der wichtigsten Vertreter der USPD und schrieb als Anführer der Novemberrevolution in München Geschichte. Er war es, der als Ministerpräsident den "Freistaat" Bayern ausrief. Vor 100 Jahren fiel er einem heimtückischen Attentat zum Opfer.

Von Michael Langer | 21.02.2019
    Der bayerische Ministerpräsident in einer undatierten Aufnahme. Der Pazifist Kurt Eisner schloß sich im Ersten Weltkrieg der USPD an. Am 7. / 8. November 1918 proklamierte er den republikanischen "Freistaat Bayern". Seine Ermordung durch den nationalistischen Studenten Anton Graf von Arco am 21. Februar 1919 in München wurde zum Signal für die Ausrufung der zweiten Münchner Revolution.
    Kurt Eisner proklamierte am 8. November 1918 in München den "Freistaat" Bayern (picture-alliance / dpa)
    "Am 21. Februar 1919 wurde ich als 17-Jähriger aus unmittelbarer Nähe Zeuge der Ermordung von Kurt Eisner, dem ersten sozialistischen Ministerpräsident des Freistaates Bayern." Das war die Stimme des Schriftstellers - und Zeitzeugen - Alfons Rosenberg.
    "Vor meinen Augen erschoss der junge Offizier Graf Arco den ehrwürdigen Greis, den wir Jungen wie ein Idol verehrten, von dessen Wirken wir eine menschenwürdige Zukunft erhofften. Fassungslos sah ich, wie das Blut an seinen Kleidern herabrann und wie der tödlich Verwundete auf dem Pflaster zusammensank. Ein ungeheueres Totengeläute von allen Glocken Münchens rauschte über den Häusern."
    Zwischen Hoffnungsträger und Volksverräter
    Für die einen war er der Hoffnungsträger, für die anderen nicht radikal genug. Und für die dritten wiederum ein Volksverräter und übles Gespenst der Revolution. Seit Kurt Eisner in der Nacht vom 7. auf den 8. November 1918 den Freistaat Bayern ausgerufen hatte, wurde grundstürzend Politik gemacht: Das Wahlrecht für Frauen wurde umgehend eingeführt und für Arbeiter der Acht-Stunden-Tag.
    Die geistliche Schulaufsicht wurde unterbunden und man sorgte für die fällige Trennung von Kirche und Staat. Justiz und Verwaltung aber blieben im Amt. Entscheidungen über große Systemfragen wie die Verstaatlichung der Banken oder die Sozialisierung der Industriebetriebe wurden vertagt. Man einigte sich auf baldige Neuwahlen.
    Was Eisners Popularität allerdings Abbruch tat, war seine Haltung in der Frage der deutschen Kriegsschuld. Der spätere sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Josef Felder erinnerte sich:
    "Meine Sympathien galten damals Kurt Eisner, nur mit einer Unterscheidung, weil der Versuch Kurt Eisners damals, ich glaub´ im Januar war es, 1919, der ging nach Bern zu einer internationalen Konferenz und hat dort geglaubt, von Bayern aus Politik machen zu können, das heißt unsere Sieger, unsere Gegner milder zu stimmen für einen kommenden Friedensvertrag, indem er dort in Bern die volle Kriegsschuld für Deutschland übernehme und dort bekenne, dann würde es eine entsprechende Wirkung haben, eine mildernde Wirkung. Das war Illusion, das war bei Eisner Illusion, und das schockierte, wir lasen ja das dann alles, diese Dinge, schockierte mich auch, weil ich mir sagte, das muss doch historisch einmal erst untersucht werden; sicher sind wir mit beteiligt an dem Kriegsausbruch von 1914, ich dachte daran, wie wir erzogen wurden, aber ob wir allein Schuld haben, das war mir nicht klar, nicht wahr, und da war ich, war ich also skeptisch geworden."
    Kein unsinnigerer Zeitpunkt für diese Mordtat
    Kurt Eisner und seine USPD, die Unabhängigen Sozialdemokraten, verloren die Wahlen überaus deutlich. Lediglich 2,5 Prozent der Stimmen konnten sie erringen. Als Kurt Eisner hinterrücks erschossen wurde, war er auf dem Weg zum Landtag, um seinen Rücktritt zu erklären.
    Als Motiv für seinen heimtückischen Mord nannte der völkische Student Anton Graf von Arco auf Valley, der zum Umfeld der antisemitischen Thule-Gesellschaft zählte, Eisner sei Jude, Bolschewist und Vaterlandsverräter.
    Dazu der Historiker und Eisner-Biograph Dr. Bernhard Grau: "Das sind natürlich die Positionen, die die nationale Rechte konsequent die ganzen Wochen vorher schon vertreten hatte. Trotzdem muss man betonen, dass es eigentlich keinen unsinnigeren Zeitpunkt für diese Mordtat gegeben hat als den 21. Februar. Man hätte ja im Grunde genommen genau an diesem Tag erfahren, ob Eisner wirklich zurücktreten würde. Es war im Grunde genommen ein Zeitpunkt, an dem die politische Entwicklung ohnehin in ein anderes Fahrwasser gekommen wäre. Also, im Gegenteil dieser Mord hat letzten Endes dazu beigetragen, dass diese Entwicklung, die ja doch immer deutlicher in Richtung einer Parlamentarischen Demokratie gewiesen hat, noch einmal auf den Kopf gestellt worden ist."
    Alfons Rosenberg: "Am Nachmittag fuhren Lastautos von Arbeitern und Soldaten an der Stätte des Attentats vorbei. Die Insassen schrien: ‚Rache für Eisner!‘. Wenige Wochen danach kam der Tag der Rache: Die Münchener Räterepublik wurde ausgerufen!"