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Islamisten-Prozess
Ein ganz unauffälliger Fußballer

Makkabi Frankfurt ist ein jüdischer Fußballclub - und dort spielte Kreshnik B. mit. Er ist der erste Deutsche, dem wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in der Terrormiliz "Islamischer Staat" der Prozess gemacht wird. Beim Fußballclub sind seine Mitspieler schockiert.

Von Wolfgang Hettfleisch | 15.09.2014
    Der Terrorverdächtige Kreshnik B. am 15.09.2014 im OLG Frankfurt.
    Spielte bei Makkabi Frankfurt, einem jüdischen Verein: der Terrorverdächtige Kreshnik B. (picture-alliance / dpa / Boris Roessler)
    Bei Makkabi Frankfurt sorgte die Nachricht vom weiteren Werdegang des einstigen Spielers für Bestürzung, berichtet der Vorsitzende Alon Meyer:
    „Wir waren natürlich geschockt. Wir wussten ja gar nicht, ist er noch bei uns Mitglied, passives Mitglied, wie auch immer. Wir waren eben in einem Schockzustand, ob überhaupt unsere Arbeit, unsere Tätigkeit, die wir gerade verrichten, ob das die richtige Arbeit ist, ob die Integrationsarbeit, die wir tagtäglich leisten, die richtige Form ist, oder ob wir uns damit nicht selber in Gefahr, in eine sehr große Gefahr bringen."
    Grundsätze ins Wanken gebracht
    Die religiöse Orientierung der Spieler war beim TuS Makkabi bislang kein Thema. Gemeinsam üben Juden, Muslime und Christen dort den gepflegten Doppelpass. Doch Meyer räumt ein, der Fall Kreshnik B. habe die liberalen Grundsätze des Frankfurter Klubs vorübergehend ins Wanken gebracht:
    „Die ersten Ideen waren: Wir müssen die Schotten dicht machen, wir müssen die Türen dicht machen. Diese radikalen Schritte in der ersten überhitzten Phase, in diesem Schockzustand, in dem man alles in Frage stellt."
    Doch die Makkabi-Verantwortlichen entschieden sich, sowohl an ihrem Verein als auch an dessen tolerantem Selbstverständnis festzuhalten. Die geleistete Arbeit sei einfach zu wichtig, sagt der Vorsitzende:
    „Diese wertvolle Arbeit für Frankfurt, die wissen wir doch zu schätzen. Und wir wollen uns das nicht kaputtmachen lassen von einigen wenigen."
    "Man kann nichts Negatives sagen"
    Wie Kreshnik B. in so kurzer Zeit ins Lager der radikalen Islamisten abdriften konnte, gibt seinen früheren Mitspielern, die nicht vors Mikrofon möchten, Rätsel auf. Ein jüdischer Teamkollege von damals sagt, B. sei ihm als liebenswürdiger, auch anderen Religionen gegenüber aufgeschlossener Mensch in Erinnerung. Alon Meyer, in dessen Verein der religiöse Hintergrund der Spieler bislang kaum eine Rolle spielte, geht es nicht anders:
    „Für uns viel wichtiger ist das sozialpolitische Verhalten eines jeden Menschen. Das war auch beim Kreshnik sehr gut. Man kann nichts Negatives bei ihm sagen. Es gibt andere Spieler, die hier und da vielleicht mal auffallen. Aber beim Kreshnik überhaupt nicht. Ein total unauffälliger, total integrierter Spieler."
    Umso drängender stellt sich die Frage, wie aus dem Jugendfußballer, der ein Trikot mit dem Davidstern im Vereinsemblem trug, in kurzer Zeit ein Novize der von Judenhass durchdrungenen Gotteskrieger werden konnte. Zumal B.s Anwalt Mutlu Günal seinen Mandanten nicht für ein mordlüsternes Monster hält:
    „Ich kann mich letztendlich auch nur auf Akteninhalte stützen und auf die Gespräche, die ich mit ihm geführt habe. Aber ich glaube, ich kann Sie alle beruhigen: Das ist kein gefährlicher Mensch."
    Radikalisierung in kurzer Zeit
    Der Prozess wird den Makkabi-Verantwortlichen kaum dabei helfen, besser zu verstehen, wie aus ihrem einstigen Spieler ein Extremist werden konnte. Dabei ist es aus Alon Meyers Sicht genau diese Verwandlung, die Anlass zu größter Sorge gibt:
    „Das sollte allen Demokraten, allen, die die Freiheit lieben, Angst machen, dass es hier, auch in Frankfurt, in solch einer weltoffenen Stadt, anscheinend Kräfte gibt, die so stark sind, einen solchen Jugendlichen binnen kürzester Zeit so zu radikalisieren, zu einem brutalen, gewaltbereiten Menschen umzuswitchen."