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John Cryan
Wer ist der neue Mann bei der Deutschen Bank?

Der Wechsel an der Spitze der Deutschen Bank war gut geplant und organisiert. Künftig soll der Brite John Cryan die Geschäfte leiten. Er gilt als scharfer Analytiker und als erfahrener Banker, der nicht davor zurückschreckt, seine Meinung zu vertreten. Und anders als sein Vorgänger Anshu Jain bringt Cryan keine alten Seilschaften mit.

Von Michael Braun | 08.06.2015
    John Cryan, ab dem 1. Juli Co-Vorsitzender der Deutschen Bank, auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2011.
    John Cryan, ab dem 1. Juli Co-Vorsitzender der Deutschen Bank, auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2011. (AFP / Sebastian Derungs)
    Jetzt sitzt er schon zwei Jahre im Aufsichtsrat der Bank, war auch nah dran an zentralen Vorstandsaufgaben: die Bilanzen zu prüfen und die Risikolage der Bank abzuschätzen. Das vor allem war seine Aufgabe als Aufsichtsrat. Und dennoch hat der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner das Gefühl, er müsse John Cryan in der Bank noch bekanntmachen.
    Der Brief, den der Aufsichtsratschef heute an die Mitarbeiter schrieb, liest sich so, als ob John Cryan das mitbringe, was Anshu Jain hatte vermissen lassen: Cryans Name sei nicht mit Altlasten verbunden, und er spreche gut Deutsch, betonte Achleitner. Cryan sei natürlich ein erfahrener Banker. Er kenne die Deutsche Bank, bringe aber gleichwohl eine externe Sichtweise mit ein.
    Dafür lassen sich Belege finden. Im Oktober 2010, noch Finanzvorstand der Schweizer UBS, redete Cryan vor Analysten über ein neues Marktsegment, das ihm groß und gleichwohl undurchsichtig erschien. Allein die UBS bringe dort zwölf Milliarden, sagte er. Und wenn man betrachte, wie viele Banken es gebe, dann habe man einen enorm tiefen Markt vor sich eines weithin obskuren Instruments, das bisher nicht ausprobiert und getestet wurde.
    Wie er sein Unbehagen damals gelöst hat, ist einstweilen nicht bekannt. Er ist jedenfalls im Dissens von der UBS geschieden, die erst später das Investmentbanking deutlich beschnitten hat.
    Scharfer Analytiker ohne Seilschaften
    Leute, die ihn kennengelernt, mit ihm und seinem Umfeld gearbeitet haben, beschreiben Cryan als meinungsstark, als scharfen Analytiker, der auch aus seiner Zeit bei der UBS unbelastet hervorging und seinen Berufsweg fortgesetzt habe als Europarepräsentant beim Staatsfonds von Singapur.
    Wieslaw Jurczenko, ehemals Leiter des Controlling bei der UBS, sieht zwar, dass Cryan – anders als sein Vorgänger Anshu Jain, der seine berühmte Gefolgschaft, "Anshu's Army", mit in die Bank gebracht hatte -, dass also Cryan keine Seilschaften mitbringe. Das wertet der Ex-Banker aber nicht als Nachteil. Das verschaffe Cryan in der Belegschaft womöglich eine höhere Glaubwürdigkeit:
    "Er kann letzten Endes auch nichts an dem Umstand ändern, dass das Privatkundengeschäft nun mal margenschwach ist, die Möglichkeiten, die Marge dort zu erhöhen, sehr begrenzt sind im Umfeld, das wir nun mal vorfinden derzeit. Das personell stärkere Geschäft befindet sich ja wohl eher nicht auf der Investmentbankseite. Und es wird wichtig sein, auch die Belegschaft hinter sich zu bringen. Und ich denke, da hat er dann eher eine Kredibilität oder setzt sich nicht dem Verdacht aus, dass er bestimmte Gruppen im Haus fördern wird. Er wird natürlich von der Geschäftsseite sich ganz sicher auch auf das Investmentbanking konzentrieren müssen, was aber nicht bedeutet, dass er das Privatkundengeschäft komplett hinten anstellt."
    Förderliche Auslandserfahrung
    Cryans Vorteil sei: Er komme zwar auch aus dem Investmentbanking, hauptsächlich aus der Fusionsberatung. Er habe aber in der Schweiz das Universalbanksystem kennengelernt. Und er wisse, dass dort im Zweifel zu viel, zu teures Personal beschäftigt werde.