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Kampf gegen Plastik
Strohhalme aus Roggenstroh

Jährlich werden europaweit rund 36 Milliarden Trinkhalme aus Plastik produziert. Eine Unternehmerin aus Lübeck setzt seit einigen Jahren ein Zeichen gegen die zunehmende Umweltverschmutzung - und gibt Strohhalmen ihre ursprüngliche Beschaffenheit zurück.

Von Astrid Wulf | 28.05.2018
    Halme aus Roggenstroh
    Halme aus Roggenstroh (Deutschlandradio/ Astrid Wulf)
    Kurz vor Konzertbeginn bestellen sich die Gäste am langgezogenen Tresen der Lübecker Musik- und Kongresshalle Getränke. Plastikstrohhalme für Mineralwasser oder Longdrinks gibt es hier nicht. Stattdessen können sich die Gäste an naturfarbenen Halmen aus Roggenstroh bedienen, die in Gläsern auf dem Tresen stehen. Vorausgesetzt, sie kommen darauf, was sie damit anstellen sollen.
    "Ich habe gedacht, das ist eine Knabberstange oder so etwas und überlegte schon, sollst du eine nehmen, oder nicht."
    Viele Gäste sind erstmal skeptisch, testen den Halm dann aber doch.
    - "Die Frage ist nur, ob der geschmacksneutral ist oder nicht, schmeckt man nicht raus."
    - "Frau: Ein echter Strohhalm schmeckt nicht nach Stroh – sondern sehr passabel."
    Hinter den Roggenstrohhalmen steckt die Lübecker Unternehmerin Marie-Luise Dobler - eine Geschäftsfrau, die vor mehr als 15 Jahren eine spontane Eingebung vor dem Fernseher hatte.
    "Ein Schwarz-Weiß-Film war das noch. Und da saßen zwei Männer an der Theke, und da sagte der eine zum anderen: Gib mir mal 'nen Strohhalm. Da ist bei mir die fixe Idee entstanden – Strohhalm? Warum heißt das eigentlich Strohhalm?"
    Alternativen zu Plastikhalmen werden immer beliebter
    Damals habe sich kaum jemand für ihre Roggenhalme aus regionalem Bioanbau interessiert – das sei heute anders. Medienberichte über plastikvermüllte Meere und Bilder von zappelnden Schildkröten, denen eingewachsene Strohhalme aus dem blutenden Nasenloch gezogen wurden, haben wohl dazu beigetragen, dass umweltfreundliche Alternativen zu den Plastikhalmen immer beliebter werden – und die inhaftierten Frauen in der JVA Lübeck viel zu tun haben.
    Hier im Gefängnis werden die Roggenhalme sortiert, mit einem Knipser auf die richtigen Längen gebracht und verpackt. Jeden Tag sind etwa zwei Frauen damit beschäftigt, sagt der Leiter des Arbeitsbetriebs der Frauen an der JVA Sven Jansen: "Im Schnitt am Tag, wenn wir zwei Frauen haben, sind das ungefähr 3000 Stück, die wir am Tag produzieren. Das hört sich viel an, ist aber gar nicht viel. Wir haben jetzt schon wieder Aufträge für 60.000 Stück, und dann kann man ja mal ausrechnen, wie lange man dafür braucht, wenn man 3.000 am Tag schafft – das dauert dann schon."
    Vor allem Restaurants und Hotels bestellen die Ökohalme, sagt Marie-Luise Dobler – heute liefert die Lübeckerin bis in die entferntesten Winkel der Welt.
    "Auf die Malediven, die vor Jahren schon gesagt haben: Super Idee, dann haben wir nichts mehr am Strand liegen, und haben da kein Plastikmüll, und das ist dann natürlich schon ganz toll. Gerade diese Leute auf den Inseln, die so wunderschön sind, wenn die sagen – wir haben den Umweltgedanken, das ist eine tolle Sache."
    Halme aus Bambus, Glas oder Metall
    Dass Strohhalme über den halben Erdball geflogen werden, sieht der Lübecker Bund für Umwelt und Naturschutz BUND mit Blick auf die Klimabilanz eher kritisch – trotzdem seien die Roggenhalme den Plastikhalmen ökologisch natürlich überlegen. Laut NABU werden jährlich europaweit 36 Milliarden Plastikhalme produziert, ein paar Minuten benutzt und dann weggeschmissen. Anders als diese Plastikhalme verrotten die Roggenhalme nach ihrem Einsatz einfach.
    Strohhalme aus Stroh - eigentlich ganz naheliegend – findet auch dieser Konzertbesucher, der seinen Gin Tonic mit dem Naturhalm Roggenstrohhalm trinkt: "Einwandfrei. Sehr gute Idee."
    Und es gibt noch mehr Alternativen zum Plastikhalm: Aus schnell nachwachsendem Bambus zum Beispiel oder wiederverwertbare Halme aus Glas und Metall.