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Keine Frage des Geschlechts

Ursula von der Leyen, Wolfgang Schäuble oder doch ein überparteilicher Kandidat? Der Kandidat müsse vor allem vernünftig und überzeugend sein, so Peter Altmaier, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Interview mit Peter Altmaier |
    Dirk Müller: Volker Kauder, Sigmar Gabriel, Angela Merkel und Gregor Gysi gestern in Berlin. Hinter verschlossenen Türen läuft die Kandidatensuche auf vollen Touren.
    Was steckt wirklich hinter dem Rücktritt von Horst Köhler? War er lediglich zu dünnhäutig? Waren es seine umstrittenen Äußerungen zu den Militäreinsätzen der Bundeswehr? Passte er in die politische Maschinerie in Berlin? Fragen, die wohl in den kommenden Wochen noch häufiger gestellt werden. Kaum Zeit für eine Ursachenanalyse haben allerdings in diesen Tagen die Bundestagsparteien, denn am 30. Juni wird das neue Staatsoberhaupt gewählt. Bis dahin muss längst alles entschieden sein. Wer wird als Köhler-Nachfolger kandidieren? Union und FDP haben gestern bereits viele Stunden darüber gebrütet. Ursula von der Leyen gilt offenbar als Favoritin. – Darüber sprechen wollen wir nun mit dem parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier. Guten Morgen!

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Altmaier, hat die Unions-Fraktion einen Gleichstellungsbeauftragten?

    Altmaier: Wir haben keinen Gleichstellungsbeauftragten, weil bei uns das Thema Gleichstellung von Männern und Frauen in einer sehr eindrucksvollen Weise gelöst ist, denken Sie an herausragende Persönlichkeiten wie Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, die Bildungsministerin Annette Schavan und viele andere, die in der Union ganz vorne Politik machen.

    Müller: Aber Sie haben auch nichts gegen zwei Frauen an der Spitze?

    Altmaier: Nein. Ich glaube, dass man die Wahl des Bundespräsidenten nicht reduzieren soll auf Gender Mainstreaming, oder auf Geschlechterfragen, sondern es geht darum, dass wir in einer für das Land sicherlich sehr schwierigen Situation eine vernünftige, überzeugende, nachvollziehbare Lösung präsentieren. Wir haben gestern uns zunächst einmal darauf konzentriert, das Verfahren zu ordnen. Nach diesem überraschenden Rücktritt, der für viele Menschen auch ein Schock war und sie bestürzt hat, war es nun wichtig, dass wir deutlich machen, die demokratischen Institutionen dieses Landes werden durch diese Überraschung nicht handlungsunfähig, nicht kopflos, sondern sind im Stande, diesen Prozess vernünftig zu strukturieren. Deshalb haben wir die Neuwahl einvernehmlich auch mit anderen Parteien auf den 30. Juni festgelegt. Das heißt, wir haben ausreichend Zeit zur Beratung. Die wollen wir zügig, aber nicht unter Zeitdruck weiterführen, denn das Entscheidende ist ein vernünftiges, ein gutes Ergebnis.
    Das zweite, was Volker Kauder gestern gesagt hat, war, dass wir eine Persönlichkeit mit politischer Erfahrung vorschlagen wollen. Das bedeutet nämlich in der heutigen Zeit, wo wir es mit erheblichen Herausforderungen zu tun haben an verschiedenen politischen Stellen, dass wir damit auch ein Stück Berechenbarkeit garantieren.

    Müller: Und politische Erfahrung ist ein Alleinstellungsmerkmal der CDU?

    Altmaier: Nein, überhaupt gar nicht. Es ist nur so, dass CDU/CSU und FDP in der Bundesversammlung über eine Mehrheit verfügen, und daraus ergibt sich die Verantwortung, dass wir auch einen Vorschlag präsentieren. Angela Merkel hat gesagt, wir haben selbstverständlich auch ein Interesse daran, dass dieser Vorschlag eine möglichst breite Unterstützung findet in der Bundesversammlung. Auch das wäre ein wichtiges Signal an die Bürgerinnen und Bürger. Aber es ist die Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland, dass zunächst einmal diejenigen Parteien, die als Regierungskoalition über eine Mehrheit verfügen, sich gemeinsam Gedanken darüber machen, wie diese Nachfolge aussehen kann. Das war so, als Johannes Rau gewählt worden ist, das war so, als Richard von Weizsäcker gewählt worden ist. Deshalb müssen wir die einzelnen Schritte dieser Entscheidungsfindung genau definieren und dann auch in nachvollziehbarer Weise einen nach dem anderen zurücklegen.

    Müller: Herr Altmaier, ist ein überparteilicher Kandidat ausgeschlossen?

    Altmaier: Herr Müller, ich glaube, dass wir noch einmal sehr zurückhaltend sein sollten damit, bestimmte abstrakte Anforderungen zu definieren.

    Müller: Das ist doch gar nicht abstrakt!

    Altmaier: Überparteilich heißt ja ein Kandidat, der keiner Partei angehört. Das ist eine Diskussion, glaube ich, die uns nicht weiterführt. Es geht darum, dass man einen Kandidaten, oder eine Kandidatin präsentiert, die über die Parteigrenzen hinweg auf Akzeptanz und Zustimmung stoßen, und ich gehe davon aus, dass die Koalition versuchen wird, ein solches Angebot zu unterbreiten, was auch der Würde des Amtes und der Bedeutung dieser Funktion gerecht wird.

    Müller: Versuchen wir uns, Herr Altmaier, dieser Frage und diesem Kandidatin, dieser Kandidatin anzunähern. Wer kommt in Frage?

    Altmaier: Sie werden, Herr Müller, nicht im Ernst erwartet haben, dass wir heute Morgen hier über Namen diskutieren können. Wir haben gestern uns vor allen Dingen damit beschäftigt, das Verfahren zu strukturieren. Wir werden jetzt in der nächsten Zeit darüber sprechen, mit welchem Kandidaten wir einen Vorschlag machen können, der in der Öffentlichkeit und auch in der Bundesversammlung auf möglichst breite Zustimmung stößt. Dass dies nicht morgens um 7:15 Uhr im Deutschlandfunk geschehen kann, ich glaube, das werden die Hörerinnen und Hörer auch verstehen.

    Müller: Das ist schade! – Aber Sie sagen ja, der neue Kandidat, die neue Kandidatin muss Akzeptanz bekommen, auch in der Bevölkerung. Da müssen Sie der Bevölkerung ja auch ein bisschen Zeit geben, darüber zu reden und zu diskutieren. Ursula von der Leyen wird als Favoritin genannt. Ist das was?

    Altmaier: Sie können mir natürlich nun viele Namen nennen und hoffen, dass ich das eine oder andere kommentiere. Es wird dabei nur eines deutlich, dass die Union über eine ganze Reihe von qualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten verfügt. Das ist auch ein Glücksfall in der heutigen Situation, wo die Menschen nach Kandidaten Ausschau halten, die Vertrauen und Kompetenz ausstrahlen. Ich glaube, dass wir dem auch in unserem Kandidatenvorschlag gerecht werden.

    Müller: Wenn Sie so glücklich sind darüber, dass Sie so viele haben, können Sie uns doch ein paar Namen nennen.

    Altmaier: Sie brauchen ja nur die Zeitungen aufzuschlagen und dann werden Sie Namen und Fotos finden. Ich meine, es spricht allerdings sehr viel dafür, dass wir zunächst einmal intern, das heißt unter den beteiligten Parteien und Fraktionen, in den zuständigen Gremien diese Fragen bereden. Dass dies zügig geschehen soll, darin stimme ich Ihnen zu. Allerdings darf der Zeitdruck nicht zu Lasten der Qualität und des Ergebnisses gehen und deshalb dürfen wir uns nicht unter Zeitdruck setzen lassen, sondern müssen diese Diskussion so führen, wie sie dem Amt des Bundespräsidenten angemessen ist.

    Müller: Herr Altmaier, ich muss da noch mal dran bleiben. Ursula von der Leyen hatte ich als Favoritin genannt, jetzt heute Morgen überall in den Zeitungen nachzulesen. Sie haben sehr, sehr viel politische Erfahrung. Wird der Name genannt, weil der Name, der zuerst genannt wird, verliert?

    Altmaier: Ich glaube, dass man daraus nichts ableiten kann, und zwar weder in der einen, noch in der anderen Richtung. Es gibt ein Interesse der Medien, selbstverständlich möglichst früh Namen ins Spiel zu bringen und in Erfahrung zu bringen, wer ist denn nun der oder die Favoritin. Umgekehrt gibt es bestimmte sachliche Zwänge, die es nahe legen, solche Entscheidungen eben nicht übers Knie zu brechen, nicht von oben herab zu verkünden, sondern in einem vernünftigen, geordneten Verfahren vorzunehmen. Deshalb: Sie wissen, dass Ursula von der Leyen eine ganz vorzügliche Bundesarbeitsministerin ist und über Anerkennung weit über die CDU hinaus verfügt. Aber wir werden uns nicht an irgendwelchen Spekulationen beteiligen im Hinblick auf die Person des Kandidaten, oder der Kandidatin.

    Müller: Wolfgang Schäuble?

    Altmaier: Ich habe das Glück gehabt, vier Jahre Staatssekretär unter Wolfgang Schäuble zu sein, und schätze auch Wolfgang Schäuble und seine politische Erfahrung. Aber auch hier gilt: wir werden heute und jedenfalls nicht in der Form eines Interviews keine Festlegungen und auch keine Hinweise darüber geben, wie die Diskussion ausgeht. Im Übrigen können wir das auch gar nicht, weil die zuständigen Gremien sich damit noch nicht befasst haben.

    Müller: Wir wollen, Herr Altmaier, nach dem Gespräch, wenn es geht, etwas schlauer sein, auch die Hörer des Deutschlandfunks. Vielleicht versuchen wir noch mal eine andere Frage. Ein CDU-Politiker und vor allem ein Politiker, der wird es werden?

    Altmaier: Ja, das ist richtig. Das hat Volker Kauder gestern auch klar und deutlich gesagt. Wir stehen vor erheblichen politischen Entscheidungen im Hinblick auf die Haushaltssanierung, im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes, im Hinblick auf die Stabilität der internationalen Finanzmärkte, den Fortgang der europäischen Integration. All diese Entscheidungen werden die politischen Einrichtungen des Landes in den nächsten Monaten und Jahren sehr stark beanspruchen und das bedeutet, dass viel dafür spricht, einen Politiker, oder eine Politikerin vorzuschlagen, die jedenfalls durch eigene Erfahrung und durch eigene Kenntnis diese Vorgänge kennt und damit auch die Möglichkeit hat, im Sinne des Amtes positiv zu wirken.

    Müller: CSU ist nicht ausgeschlossen?

    Altmaier: Es gibt keinen Ausschluss und keine Festlegung. Aber das Prinzip muss doch sein, dass die Koalition, die über eine Mehrheit verfügt, eine Verantwortung hat und dass innerhalb dieser Koalition selbstverständlich eine besondere Verantwortung der größten Partei zukommt.

    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk Peter Altmaier, parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Altmaier: Vielen Dank, Herr Müller.