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Kinderpornografie-Debatte
"Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung"

Der Deutsche Kinderschutzbund hat den Gesetzesentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Pornografie und sexuellem Missbrauch begrüßt. Vorrangig müsse aber die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden, sagte der Präsident des Bundes, Hilgers, im Deutschlandfunk. Andernfalls sei eine Verfolgung schwierig.

Heinz Hilgers im Gespräch mit Silvia Engels | 15.04.2014
    Nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, gehen die vorgelegten Gesetzesverschärfungen zur Kinderpornografie in die richtige Richtung. Die Bekämpfung des Vergehens sei aber nur in internationaler Zusammenarbeit möglich, sagte Hilgers. Wenn jedes Land eine andere Gesetzeslage habe, sei eine Verfolgung schwierig.
    Angesichts eines Personalmangels seien die Behörden in Deutschland kaum in der Lage, den Kampf gegen Kinderpornografie zu bewältigen. Für die Ermittler sei die Arbeit sehr belastend. Zudem sei es schwierig, neues Personal zu gewinnen. "Deswegen ist es auch ganz wichtig, dass sich unsere Kriminalbehörden auf die großen Banden konzentrieren", sagte Hilgers. Diesen müsse das Handwerk gelegt werden.

    Das komplette Interview
    Silvia Engels: Welche Fotos nackter Kinder darf man in Deutschland kaufen und vertreiben und welche nicht? Dass hier überhaupt eine rechtliche Unschärfe besteht, ist vielen erst bewusst geworden, seitdem der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Edathy unter Kinderpornografie-Verdacht geriet. Er hat sich stets damit verteidigt, die von ihm in Kanada online gekauften Bilder seien in Deutschland legal. Nun will Justizminister Maas von der SPD die Regeln dazu verschärfen.
    Am Telefon mitgehört hat Heinz Hilgers, der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes. Guten Morgen, Herr Hilgers!
    Heinz Hilgers: Ja guten Morgen.
    Engels: Was sagen Sie zu diesem Gesetzentwurf?
    Hilgers: Der Gesetzesentwurf geht in die richtige Richtung. Es ist ein Anliegen, die Menschenwürde von Kindern zu schützen und ihre Persönlichkeitsrechte zu stärken, und das ist im Kern der richtige Weg. Über die Details wird sicherlich im Anhörungsverfahren zu diskutieren sein.
    Engels: Eine Kritik, die auch kommt, ist, dass die im Gesetzesentwurf verwendeten Begriffe so unscharf seien. Die Frage, wann Kinder in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung nun dargestellt seien, auch die Frage, was denn bloßstellende Bildaufnahmen seien, sei nicht scharf genug. Ist für Sie der Begriff scharf genug definiert?
    Hilgers: Das ist sehr schwer, den Begriff ohne unbestimmte Rechtsbegriffe zu definieren, und die EU hat ja Richtlinien und in den Richtlinien der EU ist die Rede von primär sexuellen Zwecken. Vielleicht sollte man das einheitlich regeln, wenigstens in Europa, denn die Bekämpfung dieses Vergehens oder Verbrechens ist ja nur möglich in internationaler Zusammenarbeit, und wenn jedes Land andere Bestimmungen und andere Vorschriften hat, dann wird das natürlich für die Ermittlungsbehörden sehr schwierig, diese Straftat zu bekämpfen.
    Engels: Es ist schwierig, die Begrifflichkeit ist nicht ganz klar. Wir erleben ohnehin, dass Väter, Lehrer und auch Erzieher zunehmend verunsichert sind, wie sie jeden Anschein von missbräuchlichem Verhalten gegenüber Kindern vermeiden können. Begegnen Ihnen diese Sorgen in Ihrer Arbeit auch?
    Hilgers: Ja, das ist sicherlich richtig, und es wird ja auch von vielen dargestellt, dass man zum Beispiel als Erzieher ein weinendes Kind, das auf den Arm möchte, nicht mehr auf den Arm nehmen solle. Das sind sicherlich überzogene Reaktionen. Wichtig ist Feinfühligkeit, der feinfühlige Umgang von Erwachsenen mit Kindern, dass man versucht zu erspüren, was möchte das Kind wirklich, und alles, was nicht feinfühlig ist, ist natürlich oft schon dann auch an der Grenze zu missbräuchlichem Verhalten. Deswegen verfolgen wir ein Konzept des feinfühligen Umgangs in unseren Einrichtungen. Das ist auch ein Stück von Partizipation, von Beteiligung. Beteiligung ist ja nicht nur eine Frage irgendwelcher parlamentarischer Prozesse, sondern Beteiligung von Kindern ist auch eine Frage eben dieses feinfühligen Umgangs, um festzustellen, was will ein Kind wirklich.
    Engels: Welche Antwort geben Sie denn, wenn jetzt die Problematik wächst, dass beispielsweise Eltern und Familienangehörige nicht mehr recht wissen, ob sie ihre Kinder nackt fotografieren und welchem Kreis sie die Bilder dann geben können?
    Hilgers: Na ja, auch das ist natürlich eine Frage des feinfühligen Umgangs, ob ein Kind wirklich ein solches Foto will. Dann möchte ich schon deutlich machen, dass Eltern und auch Kinder möglichst keine Nacktfotos ihrer Kinder in das Internet und in soziale Netzwerke einstellen sollen. Das ist erstens gefährlich und kann gefährlich werden und zweitens ist es eine Verletzung der Würde der Kinder, und deshalb die herzliche Bitte an alle Eltern: Tun Sie das bitte nicht.
    Engels: Nun haben wir es eben im Gespräch gehört: Psychiater und einige Kriminologen warnen davor, dass Pädophile beim Verbot solcher Fotos kein Ventil mehr hätten, also auch bei einem Verbot der Fotos, die bislang in Deutschland legal waren. Können Sie dieser Argumentation irgendetwas abgewinnen?
    Hilgers: Nein, überhaupt nicht. Unser Interesse ist, die Würde der Kinder zu schützen, und nicht, irgendwelche Interessen von Pädophilen zu vertreten. Wir wollen die Würde der Kinder schützen und sehen Sie, das ist es ja: Die Fotos wird man ja nicht mehr los. Das Internet hat ein Gedächtnis, das reicht mehr als ein Leben lang, und immer wieder können Menschen diese Fotos neu in das Internet stellen, auch wenn sie gelöscht worden sind, und später vielleicht ist man auch als junger Erwachsener oder Erwachsene erschrocken und betroffen, wenn man solche Fotos sieht. Da sage ich, da muss die Würde des Kindes Vorrang haben.
    Engels: Minderjährige Jugendliche, also Jugendliche, die dem reinen Kindesalter schon etwas entwachsen sind, stellen ja zuweilen selbst aufreizende Bilder von sich selbst ins Netz. Wie soll der Gesetzgeber denn künftig damit umgehen?
    Hilgers: Das wird man nicht mit dem Strafrecht regeln können. Wir müssen auch mehr Prävention leisten, wir müssen mehr aufklären. Ich glaube, dass es ganz gut wäre, wenn mehr Medienerziehung in unseren Schulen und vielleicht auch schon in unseren Kitas stattfindet, nicht in dem Sinne, dass es ein neues Schulfach gibt. Man kann auch Medienerziehung betreiben in Fächern wie Englisch, Deutsch und so weiter, Sozialkunde. Es gibt viele Möglichkeiten, dieses Thema Medienerziehung auch im Hinblick auf Verantwortung, die mit Freiheit verbunden ist, anzusprechen und dafür zu werben und einzutreten, dass auch Jugendliche das nicht tun.
    Engels: Wenn Sie einen Strich unter diesen Gesetzesentwurf setzen, rechnen Sie da mit Fortschritten im Kampf gegen Kinderpornografie?
    Hilgers: Im Kampf gegen Kinderpornografie haben wir jetzt schon das Problem, dass unsere Kriminalbehörden kaum in der Lage sind, das zu bewältigen. Das hat weniger mit der Vorratsdatenspeicherung zu tun als mit der Tatsache, dass sie viel zu wenig Personal haben. Das ist auch sehr verständlich, weil diese Arbeit, die die Menschen dort verrichten müssen, sehr belastend ist und es ganz schwer ist, dafür auch Personal zu gewinnen. Ich würde, wenn ich das selber tun müsste, wahrscheinlich nach jeder Stunde Arbeit eine Stunde Supervision brauchen, um das überhaupt auszuhalten. Von daher wird es immer eine große Schwierigkeit sein, genügend Personal zu gewinnen, und deswegen ist es auch ganz wichtig, dass sich unsere Kriminalbehörden konzentrieren auf die großen Banden, die dieses herstellen und die damit handeln, und dass sie in internationaler Arbeit sich mühen, diesen Banden das Handwerk zu legen. Das sollte der Schwerpunkt der Arbeit unserer Kriminalbehörden sein.
    Engels: Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Wir sprachen mit ihm über den Gesetzentwurf des Justizministeriums, das den Vertrieb und die Herstellung von Nacktfotos von Kindern und Jugendlichen erschweren will. Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.