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Zwischen den Welten
Kunstaustausch zwischen Brunei und Berlin

Brunei Darussalam ist ein Sultanat mit absoluter Monarchie am nördlichen Rand der Insel Borneo im Südchinesischen Meer. Eine Museums- oder Galerieszene für zeitgenössische Kunst gibt es hier nicht. Deshalb entwickeln junge Kunststudenten in Brunei nun eine Ausstellung für Berlin.

Von Anne Müller |
    Izam ist erschöpft. Zu viel Neues prasselt auf ihn ein.
    "Mein Leben hier ist ziemlich entspannt. Es ist friedlich hier in Brunei. Nicht so hektisch wie in den meisten Städten wie London oder vielleicht auch Berlin."
    Izam studiert Kunst an der University of Brunei Darussalam. Das aktuelle Projekt fordert ihm viel Fantasie ab: Izam entwickelt mit seinen Kommilitonen eine Ausstellung, die dann in einer für ihn völlig fremden Welt, in Berlin, realisiert werden soll.
    Brunei, das als Sultanat mit absoluter Monarchie regiert wird, liegt am nördlichen Rand der Insel Borneo im Südchinesischen Meer, umschlungen vom tropischen Regenwald. 400.000 Einwohner leben auf 5.500 Tausend Quadratkilometern. Seit 1984 ist Brunei Darussalam ein unabhängiger Staat, nach dem britischen Protektorat.
    Junge Kunst betritt hier nicht nur künstlerisches, sondern auch gesellschaftliches Neuland. Im gefliesten Universitätsflur, der als Atelier dient, arbeitet Nina. Sie versucht, als Kunststudentin traditionelle Hennamalerei in das 21. Jahrhundert zu transformieren.
    "Ich und meine Freunde sind daran interessiert, uns künstlerisch zu entwickeln, auch außerhalb von Brunei. Weil Brunei ist ein wenig geschlossen irgendwie. Man kann schon Kunst hier machen, aber nur in bestimmten Kategorien. Es ist nicht, wie in anderen Ländern, dass wir eine große Vielfalt hier haben. Also versuchen wir, außerhalb von Brunei unsere Möglichkeiten wahrzunehmen."
    Familie zentraler Lebensort
    Die jungen Kunststudenten leben mit ihren Familien in der Hauptstadt Bruneis, Bandar Seri Begawan, dessen malaysische Aussprache für Europäer nahezu unmöglich ist. Öffentliches Leben spielt sich in Malls, einigen Restaurants und einer Vielzahl an kühlenden Saft- und Eiskaffee-Bars ab. Alkohol und Rauchen sind strengstens verboten. Zweites aber an den Hintertüren rege zu beobachten. Für die Mid-Zwanziger ist die Familie zentraler Lebensort. Wobei Fiquah, die mit ihrem kurzen und unverhüllten Haarschopf auffällt, eine sanfte Veränderung wagt.
    "Das Wichtigste für mich ist natürlich die Familie. Aber auch, meine Ziele zu erreichen. Ich dachte zum Beispiel nie, dass ich im Bereich Video künstlerisch arbeiten würde. Und jetzt habe ich schon mein eigenes Studio. Groß zu Träumen ist keine schlechte Sache, es ist mehr Motivation. Zusätzlich bin ich eine Frau, und somit ist das vielleicht ein gutes Vorbild auch für andere Frauen."
    In einem kleinen Café beobachtet Martin Müller, Maler und Ausstellungsmacher aus Deutschland, die bruneiische Urbanität.
    "Die Hauptstadt habe ich als sehr eigentümlich empfunden, ein leeres Bühnenbild, gut sortiert, leer und es ist wie so ein Schleier drüber. Alles ist auf so einem bestimmten, mittleren Maße fast wie, naja das ist bei den Temperaturen vielleicht ein falscher Begriff, aber wie eingefroren."
    Kunstaustausch mit Berlin
    Mit seinem Projekt "IAM international art moves" gibt er Kunststudenten aus aller Welt die Möglichkeit, sich als junge Künstler in Berlin zu probieren. Eine echte Ausstellung mit ihren Arbeiten zu realisieren.
    "Wir sind im Rahmen von IAM eigentlich immer sehr interessiert daran, herauszufinden, was geschieht an Orten, bei denen ich mir gar nicht vorstellen kann, was geschieht dort zeitgenössisch in der Kunst. Was ist beispielsweise zeitgenössisch in einem islamischen Staat, in einer ganz besonderen Disposition und wie lebt ein zeitgenössischer, junger Künstler."
    "Brunei ist wirklich schwierig in Bezug auf Kunst. Ausstellungen zu machen, ist sehr schwierig. Es ist echt hart für uns, Genehmigungen zu bekommen. Das ist das Hauptproblem hier."
    "Die jungen Leute hier sind solche schlummernden Diamanten, habe ich das Gefühl. Es ist ja so, dass hier in Brunei ein sehr geschlossenes, vom Sultan geprägtes gesellschaftliches Bild besteht. Und Ausschläge, die man ja genau in der Kunst zum Beispiel finden würde, gibt es dort nicht."
    Izam hat seine Energie in den letzten Monaten vor allem in sein neues Haus gesteckt, das junge Männer vom Sultan zugewiesen bekommen.
    "Die Regierung möchte sicher gehen, dass jeder Bruneier ein Haus hat und niemand auf der Straße leben muss. Und die Schlüssel bekommt man vom Sultan persönlich überreicht. Das ist natürlich klasse. Man muss dann jeden Monat auch eine kleine Summe zahlen, aber längst nicht so viel wie normalerweise, wenn man ein Haus kauft. "
    Keine Museums- oder Galerieszene
    Für die Kunststudenten stellt sich die Frage, was sie nach dem Studium tun werden. Es gibt in Brunei keine Museums- oder Galerieszene für zeitgenössische Künste. Von unabhängigen Kunstprojekten ganz zu schweigen. Doch gerade die jungen Frauen versuchen, neue Räume zu schaffen.
    "Eigentlich wollte ich Kunstlehrerin werden, aber das hat mir nicht gereicht. Ich will mehr machen. Ich will eigentlich eine eigene Kunstschule gründen, mit einer eigenen Galerie. Es gibt so viele Kunststudenten, aber sie brauchen die richtige Anleitung, wie man sich künstlerisch entwickelt, theoretisch und praktisch. Und ich versuche gerade einen Ort dafür zu finden."
    Für Nina ist der Wert des interkulturellen Kunstprojektes Brunei-Berlin schon jetzt ganz offensichtlich.
    "Wenn wir dann zurückkommen, können wir unsere Erfahrungen an die Leute weiter geben, die nicht die Möglichkeit haben, raus zu gehen und andere Orte auf der Welt zu besuchen. Wir brauchen noch mehr Einflüsse, um da weiter zu kommen."
    Kommunikation über Kunst
    Es geht eben nicht darum, ein paar Bilder an die Wand und ein paar Skulpturen auf den Boden zu stellen. Sondern es geht darum, dass hier zwei Kulturen sich begegnen und dass gleichzeitig die Studenten auch diese Kommunikation suchen müssen, durch die Ausstellung aber auch über die Ausstellung hinaus. Und wie beschreiben Nina, Fiqua und Izam ihr Brunei einem Europäer?
    "Kultur, Vielfalt der unterschiedlichen Ethnien und sehr entspannt."
    "Ich muss sagen: langsam. Es tut mir leid, aber es stimmt. Sehr entspannt, und irgendwie beengt."
    "Oh, das ist schwer. Es ist sehr sauber, kaum verschmutzt. Dann bewahrend, das Erbe und den Regenwald und so. Und die Geschichte des Landes. Die kennen nicht viele Leute, aber wir haben eine reiche Geschichte hier in Brunei."
    "Es gibt einen Unterschied offenkundig zwischen dem Privaten und dem, was man dann innerhalb des Gesellschaftlichen tut. Und ich glaube in Berlin haben sie einfach die Möglichkeit, dann das Private auch öffentlich zu leben."
    "Berlin ist modern. Es ist schnell. Und es geht um Gemeinschaft. Hier in Brunei geht es mehr um das Individuelle."
    "Ich meine: Geschäftig. Und Neu. Hier ist alles so anders, also denke ich, alles wird neu für mich sein. Und ja, zeitgenössisch. Das stelle ich mir vor."
    "Geschichte, vor allem mit der Berliner Mauer, das ist sehr interessant. Und das Kulturelle, mit vielen Leuten von anderen Ländern, die ihre Spuren in Berlin hinterlassen."
    "Wir sprechen über Kunst in Brunei. Die Leute müssen sich hier wirklich öffnen. Kunst ist hier nicht wichtig. Wir versuchen, den Leuten klar zu machen, was Kunst ist. Aber das geht hier nur in Minischritten voran."