Montag, 29. April 2024

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Klon-Cowboys

Seit das Klonschaf Dolly 1996 das Licht der Welt erblickte, können Wissenschaftler genetische Kopien von Säugetieren herstellen. Die Methode hat ihre Tücken, so dass immer wieder Klone mit schweren Geburtsfehlern auf die Welt kommen. Doch trotz dieser Rückschläge findet die Klontechnik immer mehr Anwender. Michael Lange reist durch die USA, auf der Suche nach Klonen und ihren Schöpfern.

Von Michael Lange | 09.11.2008
    Im Februar 1997 ging die Nachricht vom Klonschaf Dolly um die Welt. Ein Lebewesen, geschaffen aus einer Körperzelle. In diesem Fall aus einer Euterzelle. Ohne Eizelle, ohne Samenzelle, ohne Befruchtung. Die Zeit des Klonens hatte begonnen. Für die einen der Anfang der Frankenstein-Ära, für die anderen die Geburtsstunde einer neuen Biotechnologie. Fotografen und Fernsehteams pilgerten nach Schottland, um das Wunder von Roslin zu sehen. Und sie fanden: ein gewöhnliches, übergewichtiges Schaf mit Rückenproblemen.

    Im Jahre 12 nach Dolly redet kaum noch jemand vom Klonen. Gibt es überhaupt noch Klone? Das wollte ich wissen und bin quer durch die USA gereist. Von Iowa im Mittleren Westen bis nach Kalifornien.

    Großer Renntag in Stockton, Kalifornien. Heute laufen hier die Maultiere um die Wette.

    "The Mules are at the Gate. They are moving in for the opener."

    Acht Maultiere sind am Start. Alle sind jetzt in den Startboxen.

    "They are in the gates. All set ... "

    Fertig. Es geht los!

    "They´re off. Dschingis Khan goes first. Bar JF Hot Ticket …"

    Bar JF Hot Ticket geht nach wenigen Metern in Führung. Immer größer wird der Vorsprung. Schon nach etwa 200 Metern haben die Maultiere das Ziel erreicht. Und wieder einmal heißt der Sieger: Bar JF Hot Ticket. Der Favorit gewinnt das Maultierrennen von Stockton mit drei Längen Vorsprung.

    "Bar JF Hot Ticket. Spectaculous.…"

    Bar JF Hot Ticket ist das schnellste Maultier von Stockton. Wahrscheinlich das schnellste der Welt. Gezüchtet aus einem Eselshengst und einer Pferdestute. Genau wie alle anderen Maultiere, die hier am Start sind.

    "Bar JF Hot Ticket in another straw…"

    Vor einem Jahr noch startete in Stockton auch ein Klon. Das erste geklonte Maultier der Welt: Idaho Gem. Sie selbst nennen sich gerne Hinterwäldler. Die Bewohner von Idaho. Denn sie leben hinter den Wäldern von Oregon am Rande der Rocky Mountains. Cowboys sind sie nicht mehr, denn nur noch wenige Rinder leben in Idaho. Hier liebt man die Natur: das Fischen, die Jagd und vor allem die Pferde, aber auch die Maultiere. Die Menschen in Idaho haben ihnen viel zu verdanken. Sie wissen: Ohne die treuen, sturen und zuverlässigen Mulis wären die Trecks nie so weit nach Westen gekommen.

    "There was a guy from the small state of Idaho .…"

    Ich bin zu Ed Burdick in seinen Pick Up gestiegen. Ed fährt mich hinaus aus der Kleinstadt Post Falls. Er will mir sein geklontes Maultier zeigen.

    "...Did you say mule? He said: Yeah! And I said: I don´t train mules. No no no no no. I don´t train them..…"

    Mit Maultieren wollte Ed nichts zu tun haben, als er noch Pferdetrainer in Kalifornien war. Doch jetzt ist er im Ruhestand und trainiert – wie das Leben so spielt - das schnellste Klonmuli der Welt: Idaho Gem, was so viel heißt wie Edelstein von Idaho.

    Eine Pferdestute paart sich mit einem Eselshengst. Es entsteht ein Maultier. Aber Maultiere können sich leider nicht fortpflanzen. Ein Problem für die Maultierzucht. Besonders dann, wenn man die schnellsten Renn-Mulis der Welt züchten will. Dem Geschäftsmann Don Jacklin aus Idaho ließ dieses Problem keine Ruhe. Als er 1997 vom Klonschaf Dolly hörte, kam ihm die Idee: man müsste ein erfolgreiches Renn-Muli klonen lassen. Jacklin wandte sich an die Wissenschaftler der Universität von Idaho in Moscow. Die hatten zunächst Zweifel. Aber Don Jacklin ließ nicht locker und lieferte gleich eine Anfangsfinanzierung. Da sagten sich die Wissenschaftler: Wir sind zwar Hinterwäldler aus Idaho, aber wir können es schaffen. Sie legten los, und 2003 wurden drei geklonte Maultiere geboren: Idaho Gem, Utah Pioneer und Idaho Star. Die ersten geklonten Tiere der Pferdefamilie überhaupt.

    Idaho Gem ist mittlerweile fünf Jahre alt. Seine Laufbahn als Renn-Muli ist zu Ende. Ed Burdick trainiert das Maultier für eine zweite Karriere. Nächstes Jahr soll es bei Reit- und Geschicklichkeitswettbewerben teilnehmen, wie sie in Idaho und Umgebung bei Rodeos stattfinden. Ed führt das Maultier am Zügel auf die Koppel. Idaho Gem ist ein schönes, sehr lebhaftes Tier. Es bewegt sich fast wie ein Pferd und tanzt um den Trainer herum. Der will noch ein paar Kunststücke vorführen.

    "Klack-klack-klack-klack ..OK - and forward..schmatz – schmatz .…"

    Ganz einfach: Beim Klacklaut geht Idaho Gem rückwärts, und beim Küsslaut kommt das Maultier nach vorne.

    Wenn drei Klone aus einer Zellkultur stammen, dann haben alle drei die gleichen Gene. Sie müssten also die gleichen Talente mitbringen. Zum Beispiel für das Maultierrennen. Aber wie so oft kam es anders. Idaho Gem wurde ein gefeierter Derby-Sieger. Das Maultier gewann mehrere wichtige Rennen und zweite Plätze. Idaho Star war nicht ganz so erfolgreich. Und bei Utah Pioneer mussten die Trainer schließlich aufgeben. Das untalentierte Maultier hat nun eine Lebensstellung in der Öffentlichkeitsarbeit der Universität von Idaho in Moscow.

    "Ok Girl. They are pushing you out on the way…"

    Eine kleine Wiese hinter dem Laborgebäude am Stadtrand von Moscow. Ein einzelnes Maultier steht vor einem Trog mit frischem Heu.

    "This is Utah Pioneer. One of our three cloned mules all born in 2003..…"

    Der Wissenschaftler Dirk Vanderwall stellt mir Utah Pioneer vor. Es wird all jenen präsentiert, die einmal ein geklontes Maultier sehen wollen, also auch mir. Vanderwall:

    "Alle drei Klone sind von Geburt an gesund. Wir haben sie regelmäßig und sorgfältig untersucht. Bis heute haben wir keine Auffälligkeiten beobachtet."

    Utah Pioneer lässt sich von uns nicht stören. Während ich mit Dirk Vanderwall spreche, blickt es ab und zu hoch. Dann steckt es seinen Kopf wieder in den Trog mit dem Heu.

    "It´s a friendly mule – Yeah, but he´s a mule.…"

    Ein ruhiges, gutmütiges Tier. Eben ein Maultier.

    "Idaho Gem and Idaho Star are as close to be carbon copies in appearance and personality…"

    Idaho Gem und Idaho Star sind nahezu Blaupausen. Ihr Aussehen und ihr Charakter sind fast identisch. Utah Pioneer ist ganz anders. Ruhiger und störrischer. Ein typisches Maultier. Außerdem ist sein Fell dunkler. Vielleicht sind Umwelteinflüsse verantwortlich oder die Epigenetik. Also die Aktivität der Gene.

    Nach ein paar Jahren Pause hat Dirk Vanderwall mit seinem Team in Moscow jetzt ein neues Maultier-Klonprojekt gestartet.

    "Wir sind jetzt dabei, die Effizienz der Klonmethode zu verbessern. Beim Maultierklonen - genau wie beim Pferde- und Rinderklonen - gibt es immer noch zu viele Fehlversuche. Die Embryonen wachsen nicht heran und können nicht in Empfängertiere verpflanzt werden. Bei 100 Versuchen entstehen nur etwa drei bis vier Klone. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute lautet: Es gibt viel Spielraum für Verbesserungen."

    Erste Erfolge der neuen Maultier-Klonversuche lassen sich schon besichtigen. In einem Pferdestall auf der anderen Seite der Wiese. Vanderwall:

    "Das Pferd dort hinten trägt ein geklontes Maultier. Und die Stute, die gerade durch das Tor kommt, ist auch trächtig mit einem geklonten Muli. Wenn alles weiterhin gut verläuft rechnen wir mit zwei weiteren geklonten Maultieren im Jahr 2009."

    Weltweit gibt es drei geklonte Maultiere. Vielleicht bald fünf. Und ein knappes Dutzend geklonte Pferde. Der Klon als Ausnahme. Bei Rindern sieht das anders aus. Würden alle geklonten Rinder durch die Prärie laufen, wäre das eine gewaltige Herde. Über 1000 geklonte Rinder gibt es auf der Welt. Und die meisten von ihnen stammen aus dem mittleren Westen der USA. Allein in der Kleinstadt Sioux Center in Iowa sollen in diesem Jahr 500 Rinder geklont werden.

    Seit Stunden fahre ich durch Mais- und Sojafelder. Vorbei an unzähligen Farmen mit immer den gleichen Silos, immer den gleichen Stallanlagen. Mehrfach habe ich Schilder gesehen mit der Aufschrift "Choose Life". Wähle das Leben. Mitten im Maisfeld. Und immer wieder US-Flaggen. Mein Ziel ist die die Kleinstadt Sioux Center in Iowa. Hier gibt es zwei Firmen, die Rinder klonen. Die größere heißt Bovance und kopiert im Auftrag von Züchtern Rinder für die Fleischproduktion. Trotz mehrfacher Nachfrage habe ich keine Erlaubnis bekommen, die Firma zu besuchen. Die andere Firma heißt Hematech. Es handelt sich um ein forschendes Biotechnologie-Unternehmen. In der Hematech-Zuchtanlage sollen geklonte Rinder eines Tages menschliche Antiseren produzieren zur Bekämpfung von Krankheiten.

    Ich werde freundlich empfangen. Die Tierärztin Julie Koster bittet mich, blaue Überschuhe anzuziehen und durch zwei kleine Wannen mit Desinfektionsmitteln zu steigen. Dann darf ich in den Stall.

    Drei gelbe Stahlgestelle sehen aus wie Foltergeräte. Sie dienen dazu, die Rinder zu fixieren. Sind die Tiere einmal in diesem Gestell, können sie sich nicht mehr bewegen. Julie Koster demonstriert, wie das funktioniert. Angeblich gehen die Rinder freiwillig hinein: Zur Blutabnahme oder zur Untersuchung.

    Zum Schluss darf ich auch in die Isolierstation. Durch eine Glasscheibe blicken zwei kleine Kälbchen zu mir hinüber. Nur Tierpfleger, die vorher geduscht haben, dürfen in Spezialkitteln zu den Kälbchen hinein, erklärt Julie Koster. Denn die Tiere besitzen ein geschwächtes Immunsystem. Jeder Keim ist für sie lebensgefährlich. Demnächst sollen hier Tiere mit einem menschlichen Immunsystem leben.

    Schon die Schöpfer von Klonschaf Dolly hatten die Idee, Medikamente und biologische Wirkstoffe von Schafen und Rindern produzieren zu lassen. Pharming hieß das – mit PH wie Pharma. Bislang wurde nichts daraus.

    "Unsere ersten geklonten Rinder George und Charlie wurden 1998 geboren. Wir haben kürzlich ihren zehnten Geburtstag gefeiert."

    Ich treffe den Klonpionier James Robl in Sioux Falls, South Dakota. Etwa eine Autostunde nordwestlich von der Hematech-Klonranch. Sein Büro steht ganz im Zeichen der Rinder: aus Plastik, aus Holz, gemalt, als Fotos. Überall Rinder.

    "George und Charlie sind gesund und größer als ich. Jeder wiegt über 1000 Kilo."

    James Robl hat eine Stellung als Universitätsprofessor in Massachusetts aufgegeben, um in das Zentrum der Rinderzucht, den Mittleren Westen, zu ziehen. Heute ist er Chef der Firma Hematech, einer Tochterfirma des japanischen Konzerns Kirin. Bekannt vor allem durch sein Bier.

    "Wir interessieren uns nicht für das Klonen, weil wir Tiere vervielfältigen wollen. Wir brauchen die Technik, um Tiere mit komplexen genetischen Veränderungen zu züchten. Unser wichtigstes Projekt hat das Ziel, Tiere zu erzeugen, die verschiedene menschliche Antikörper produzieren."

    Im Blut der Tiere soll ein Gemisch von Antikörpern entstehen. Polyklonale Antikörper nennen das die Wissenschaftler. Ein ähnliches Gemisch, wie das, mit dem sich Menschen gegen Krankheitserreger wehren. Die Antikörper aus den Rindern wären eine Art Impfschutz, erklärt mir James Robl. Sie würden das Abwehrsystem des Menschen unterstützen.

    "Wenn Rinder viele verschiedene Antikörper des Menschen herstellen sollen, dann erfordert das komplizierte gentechnische Manipulationen. Viele Gene der Kuh müssen ausgeschaltet werden, damit die Kuh keine eigenen Antikörper produziert. Und dann müssen Sie sehr lange Gensequenzen in die Kuh einschleusen, damit sie menschliche Antikörper produziert."

    Der Durchbruch gelang, indem die Rinderzellen ein zusätzliches künstliches Chromosom erhielten. Darauf enthalten: alle genetischen Informationen zum Aufbau eines menschlichen Immunsystems. Damit aus einer veränderten Zelle ein Rind wird, brauchen die Forscher die Klontechnik: Das veränderte Erbmaterial der einzelnen Zelle wird in eine Eizelle ohne eigenes Erbmaterial gespritzt. So entsteht ein geklonter Rinderembryo – und schließlich eine geklonte Kuh. Wenn alles funktioniert hat, schwimmen in ihrem Blutplasma menschliche Antikörper. Geeignet als Medikament. Das wäre genau der Erfolg, den die Klontechnik dringend braucht, meint James Robl.

    "Wir haben jetzt möglicherweise das letzte Tal erreicht. Das Interesse am Klonen lässt wieder einmal nach. Die Frage lautet jetzt: Werden wir aus diesem Tal wieder herauskommen? Um das zu schaffen, müssen wir das Klonen effizienter machen. Und wir müssen eine Anwendung präsentieren, die vielen Menschen nützt."

    Rinder mögen nützlich sein. Aber ein Hund ist doch ganz etwas anderes. Hunde sind die besseren Menschen. Sie sind treu und zuverlässig - auch in schlechten Zeiten. Bis sie irgendwann – viel zu früh – alt werden und sterben. Nach zehn oder fünfzehn Jahren ist die gemeinsame Zeit vorbei. Das lässt sich nicht ändern. Es sei denn, der geliebte Hund würde wieder auferstehen. Als Klon.

    Ich fahre über die Golden Gate Brücke von San Francisco nach Norden. Rechts die Bucht mit der Skyline von San Francisco, links der Pazifische Ozean. Nichts als Wasser bis Ostasien. Mein Weg führt in die Kleinstadt Mill Valley. Hier arbeitet die kleine Firma BioArts. Die Firma verkauft geklonte Hunde für Menschen, die es sich leisten können.

    Etwas außerhalb von Mill Valley in einem kleinen Wohngebiet direkt am Wald. Hinter einem breiten Tor das Wohnhaus von Lou Hawthorne. Er ist Gründe und Geschäftsführer von BioArts. Das könnte man mit "Lebenskünste" übersetzen.

    Seine Frau Farah und Hündin Mira kommen mir entgegen. Farah führt mich auf die Terrasse. Sie holt frischen Kaffee und Muffins aus der Küche. Dann kommt ihr Mann hinaus, setzt sich auf einen der Gartenstühle und beginnt zu erzählen.

    "Wir saßen am Frühstückstisch. Unser Hund Missy zu unseren Füßen. Da lasen wir in der New York Times von Dolly, dem Schaf. Klonen - das stellten wir uns vor wie eine große Kopiermaschine. Du drückst auf den Klonknopf und bekommst einen Klon. Und so dachten wir: Wie wäre es, wenn wir unsere geliebte Missy klonen würden. Wir wussten so wenig."

    Ein Vormittag mitten in der Woche. Die Sonne blinzelt durch die hohen Bäume. Lou wirkt sehr entspannt.

    "Wir hatten keine Ahnung, dass die Klonmethode für jede Art angepasst und verändert werden muss. Und bei Hunden ist es komplizierter als bei allen anderen Säugetieren. Wir brauchten zehn Jahre: Von 1997 bis Dezember 2007, als Missys Klon Mira geboren wurde. Und jetzt sitzt sie zu unseren Füssen und versucht, unsere Muffins zu stehlen."

    Morgen will Lou Hawthorne seinen Sohn in die Schule begleiten. Er hat vor, dessen Mitschülern gleich vier Klone zu präsentieren.

    "”Mira und ihre geklonten Schwestern sehen alle vier ähnlich aus wie Missy. Es gibt ein paar kleine Unterschiede im Fellmuster. Aber das ist alles. Im Grunde wie eineiige Zwillinge. Wer sie gut kennt, wie die Mutter oder die besten Freunde, kann sie unterscheiden. Und so ist das auch mit Missy and ihren Schwestern.""

    Lou Hawthorne hat sich versprochen. Er meinte Mira und ihre Schwestern. Mira ist Missys Klon.

    "”He had the benefit of our mistakes at the cost of some 20 million Dollars…”"

    "Wir haben ein paar Fehler gemacht, die uns um die 20 Millionen Dollar gekostet haben. Davon hat Hwang in Südkorea profitiert. Das werfe ich ihm nicht vor. Er und seine Leute haben unsere Ergebnisse analysiert und die richtigen Schlüsse daraus gezogen. So gelang es ihnen, den ersten Hund zu klonen. Wir hätten es gerne selbst gemacht, aber – ehrlich gesagt: Uns fehlte das Geld. Jetzt arbeiten wir mit den Südkoreanern zusammen. Wir haben den Anfang gemacht, und die brillanten Köpfe um Doktor Hwang haben den Rest des Weges zurück gelegt."

    Lou Hawthornes Firma BioArts braucht keine Labors mehr. Sie wirbt die Kunden, nimmt die Gewebeproben und schickt sie nach Südkorea.

    "”Wir planen fünf Hunde zu klonen: Vier kommerziell gegen Bezahlung und einen als Geschenk. Wir haben eine Auktion veranstaltet, und die vier Meistbietenden bekommen ihren Hund geklont. 620 000 Dollar haben sie insgesamt gezahlt. Das Geld wird treuhänderisch verwaltet. Es wird erst ausgezahlt, wenn wir die geklonten Hunde überreichen. Außerdem werden wir den Hund eines kanadischen Polizisten klonen. Dieser Spürhund hat auf Ground Zero den letzten Überlebenden entdeckt. Jetzt liegt dieser Hund im Sterben. Er leidet an einer Nervenkrankheit, verursacht möglicherweise durch Giftstoffe auf Ground Zero.""

    Als das Klonen von Hunden noch nicht klappte, hatte es Hawthorne schon einmal mit Katzen versucht. Doch das rechnete sich nicht. Glaubt er, dass er diesmal mit dem Klonen Geld verdienen kann, will ich von Lou Hawthorne wissen.

    "”Für mich hat das Klonen keine emotionale Bedeutung mehr. Missy wurde geklont. Das war eine Mission. Ich wollte meine Familie glücklich machen, und es ist geschafft. Ich fühle mich großartig. Jetzt kann ich dem Klongeschäft den Rücken kehren, zumal es nicht möglich ist, in den nächsten Jahren Geld damit zu verdienen. Leute, die glauben, dass ich weiter mit dem Kopf gegen diese Wand renne, liegen falsch. Der Preis für geklonte Haustiere wird nicht sinken, wenn niemand investiert. Und ich werde nicht investieren, wenn in den nächsten Jahren keine Gewinne absehbar sind.""

    Lou Hawthornes blickt hinauf in die Baumkronen. Als er wieder auf den Teller schaut, ist sein Muffin verschwunden.

    In seiner Heimat Südkorea wurde er der König des Klonens genannt. Der Universitätsprofessor, Tiermediziner und Klonpionier Hwang Woo Suk. Wissenschaftler auf der ganzen Welt bewunderten ihn. Ihm gelang das, wovon andere nur redeten. Zuerst klonte er einen Hund, dann einen Menschen. Er spritzte das Erbgut einer Hautzelle in eine Eizelle ohne eigenes Erbgut. Es entstand ein geklonter Embryo. Er sollte nicht geboren werden - als Kopie eines Menschen. Sondern als Quelle dienen für embryonale Stammzellen: als Heilmittel gegen Parkinson, Alzheimer oder Diabetes. So ließ Hwang den Embryo heranwachsen zu einer winzigen Kugel aus etwa 200 Zellen, einer so genannten Blastocyste. Daraus gewann er embryonale Stammzellen. Das war der Beweis: Therapeutisches Klonen ist möglich. Fortschrittsgläubige auf der ganzen Welt jubelten. Zwei Jahre später kam der Schock. Hwang hatte gefälscht. Die Stammzellen stammten nicht aus einem geklonten Embryo. Bis heute ist nicht vollständig geklärt, was damals in Südkorea geschehen war.

    Wenn es einen Thronfolger für den gefallenen König Hwang gibt, dann arbeitet er in La Jolla. Ein kleines Shopping Center mit mehreren Arztpraxen in der Nähe von San Diego. Hier muss irgendwo die Firma Stemagen zu finden sein und ihr Chef, der Reproduktionsmediziner Samuel Wood. "Menschenklon", so lautete die Nachricht Anfang 2008. Vier Jahre nach Hwang – so etwas wie ein Déja vu. Eine Veröffentlichung in einer seriösen Fachzeitschrift vermeldete den Klonerfolg. Aus einer gewöhnlichen Hautzelle eines Menschen war eine Blastocyste entstanden: Ein winziger Embryo. Genau das Stadium, das Forscher brauchen, wenn sie embryonale Stammzellen erzeugen wollen. Alles überprüft durch ein unabhängiges Labor. Dennoch blieben Zweifel. Nach der Affäre Hwang wagte niemand einen Kommentar.

    Ich laufe mehrmals um den Gebäudekomplex. Nirgends ein Hinweis auf die Klonfirma Stemagen. Im zweiten Stock entdecke ich schließlich ein Zentrum für Reproduktionsmedizin. Direktor: Samuel Wood. Das Wartezimmer ist leer. Ein Bildschirm zeigt fröhliche Babygesichter. Ich werde erwartet. Doktor Wood bittet zum Interview in sein Sprechzimmer. Stemagen, wer ist das? Nur wenige kannten die Firma, die den geklonten Embryo präsentiert hatte. Auch ihr Chef war in der Fachwelt unbekannt: der Frauenarzt und Reproduktionsmediziner Samuel Wood. Ein Spezialist für künstliche Befruchtung. Aus seinem Erbmaterial war der Embryo geklont worden.

    "ӆber die Konkurrenz mache ich mir keine Gedanken. Das juckt mich nicht. Ich ziehe mein Ding durch. Und ich glaube, inzwischen sind wir die besten in der Klonforschung.""

    Samuel Wood lehnt sich zurück in seinen Sessel. Er lächelt zwar, aber ich glaube, er meint es ernst.

    "”Ich besitze außergewöhnliches Selbstbewusstsein. Ich glaube, es gibt kein Ziel, das ich nicht erreichen kann.""

    Große Worte vom Facharzt und Chef einer kleinen Biotechnologie-Firma.

    "Ich habe erkannt, dass die anderen Klonforscher viele Fehler gemacht haben. Sie haben nie mit einer Spitzen-Fruchtbarkeitsklinik zusammen gearbeitet. Für das Klonen ist es nicht nur wichtig, den Zellkern sauber aus einer Körperzelle in eine Eizelle zu verpflanzen. Genauso wichtig ist es, zu wissen, wie man einen Embryo zur Blastocyste reifen lässt, um daraus Stammzellen zu erhalten."

    Wer klonen will, braucht Eizellen. Aber gute Eizellen sind Mangelware. Um an sie zu gelangen, setzte Klonpionier Hwang seine Mitarbeiterinnen unter Druck. Viele Forschungsinstitute haben die Klonforschung aufgegeben. Denn sie wissen nicht, wie sie ethisch korrekt – ohne zu zahlen – an ausreichend Eizellen für die Klonforschung gelangen können. Wood:

    "”Eines Morgens – ich aß gerade ein paar Rühreier – da kam mir der entscheidende Gedanke. Eine geniale Idee, wie ich ohne Bezahlung an Eizellen für die Klonforschung gelangen konnte. Bei einer In Vitro- Befruchtung werden oft zu viele Eizellen gespendet. Einige werden später nicht gebraucht für die künstliche Befruchtung. Sobald die Schwangerschaft begonnen hat, frage ich das Paar, ob es die restlichen Eizellen spenden will für das therapeutische Klonen.""

    Natürlich freuen sich werdende Eltern auf den baldigen Nachwuchs. Sie sind dem Doktor dankbar.

    "”Mir ist noch nie etwas misslungen. Und auch diesmal habe ich nicht vor zu scheitern. Ich erwarte, dass wir erfolgreich sein werden.""

    Weder die Bundesregierung in Washington noch der Staat Kalifornien fördert die Klontechnologie. Seit einem Jahr setzt man stattdessen verstärkt auf so genannte IPS-Zellen. Das sind Körperzellen, die durch Gentechnik so manipuliert werden können, dass sie embryonale Eigenschaften entwickeln. Auch sie sind genetisch identisch mit dem Patienten, von dem sie stammen. Sie würden nicht von dessen Immunsystem abgestoßen. Es entsteht kein Embryo. Es werden keine Eizellen benötigt. Dieses Konzept ist ethisch unumstritten und hat die Geldgeber überzeugt. Die Klonforscher dagegen stehen im Abseits.

    "Wir sind privat finanziert und brauchen das Geld des Staates nicht. Dennoch halte ich es für eine große Tragödie, dass kein einziges Projekt zum Therapeutischen Klonen mit öffentlichen Geldern gefördert wird. Auch nicht in Kalifornien. Stattdessen fließt das Geld in IPS-Projekte. Sogar an Forscher, die noch nie mit diesen Zellen gearbeitet haben. Die Geschichte wird darüber ein hartes Urteil fällen."

    Ich frage einen anerkannten Klon- und Stammzellen-Experten: Alan Trounson. Der australische Wissenschaftler ist Präsident des Cirm, des kalifornischen Instituts für Regenerative Medizin. Das Institut verteilt 300 Millionen Dollar Staatsgeld im Jahr unter den Stammzellenforschern Kaliforniens.

    "”Wenn es den Tierforschern nicht gelingt, die Methode effizienter zu machen - vielleicht mit zehn Eizellen oder 20 statt mit 40 oder mehr Eizellen – dann ist das Klonen keine gute Option. Es ist einfach zu schwierig, genügend Eizellen zu bekommen. Außerdem ist die Eizellen-Entnahme eine belastende Prozedur. Da wird es auch in Zukunft nicht viele Frauen geben, die das ohne Bezahlung freiwillig machen werden.""

    Dolly ist tot. Aber es gibt sie noch und immer wieder: Klone. Produkte einer Technologie, die viele Versprechen bisher nicht einlösen konnte. Die Zeit des Klonens geht möglicherweise zu Ende – bevor sie richtig begonnen hat.

    Hinweis: Den ersten Teil von Michael Langes Reisereportage über die Stammzell-Pioniere aus den USA können Sie hier nachlesen und auch nachhören.

    Lesen Sie auch das Reisetagebuch unseres Reporters.